§ 93                Transnationaler Rechtspluralismus

[xxxNeuer Titel: Globalisierung im Licht soziologischer Theorien

1.            Wissenssoziologie

2.            Customs Theory

3.            Struktur-Funktional

4.            Systemtheorie

5.            Konflikttheorie]

Literatur: Gralf-Peter Calliess, Reflexive Transnational Law. The Privatisation of Civil Law and the Civilisation of Private Law, Zeitschrift für Rechtssoziologie 23, 2002, 185-216; Gralf-Peter Calliess/Peer Zumbansen, Rough Consensus and Running Code: a Theory of Transnational Private Law, Oxford 2010; Andreas Fischer-Lescano/Gunther Teubner, Regime-Kollisionen, Zur Fragmentierung des globalen Rechts, 2006; Lawrence M. Friedman, Borders: On the Emerging Sociology of Transnational Law, Stanford Journal of International Law 32, 1996, 65-90; Gunther Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, Rechtshistorisches Journal 15 (1996) 255-290, englische Fassung in Teubner (Hg.), Global Law Without A State, 1996, 3-28; Miloš Vec, Recht und Normierung in der industriellen Revolution: neue Strukturen in der Normsetzung in Völkerrecht, staatlicher Gesetzgebung und gesellschaftlicher Selbstnormierung, 2006 (historisch).

I.                                 Die Akteure des Weltrechts

[xxx Diesen Abschnitt vor zu § 98

Literatur: John H. Dunning/Sarianna M. Lundan, Multinational Enterprises and the Global Economy, 2. Aufl. 2008; Karsten Nowrot, Den »Kinderschuhen« entwachsen: Die (Wieder-)Entdeckung der rechtssoziologischen Perspektive in der Dogmatik der Völkerrechtssubjektivität, ZfRSoz 28 (2007) 21; Volkmar Gessner, Rechtspluralismus und globale soziale Bewegungen, ZfRSoz 23 (2002) 277-305; Shalini Randeria, Transnationalisierung des Rechts. Zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure, WZB-Mitteilungen 2003, 18–22; Michael Zürn, Internationale Institutionen und nichtstaatliche Akteure in der Global Governance, Aus Politik und Zeitgschichte 2010, Heft 34-35, 14-20.

[Larry Catá Backer Private Actors and Public Governance Beyond the State:  The Multinational Corporation, the Financial Stability Board and the Global Governance Order, 18(2) INDIANA JOURNAL OF GLOBAL LEGAL STUDIES 751 (2011).PDF Citavi erl. ]

1.      Organisationen als Akteure des Weltrechts

In der Rechtssoziologie ist die These verbreitet, im Zuge der Globalisierung habe sich weitgehend unabhängig von den Nationalstaaten als Werk transnationaler Akteure ein transnationales Recht entwickelt. Es gibt keine einheitliche Theorie des transnationalen Rechts. Die verschiedenen Ansätze beziehen ihren Schwung aus der Behauptung der relativen Ohnmacht des staatlichen und damit des offiziellen internationalen Rechts. Allen Ansätzen gemeinsam ist die Annahme, dass im Zuge der Globalisierung neben den Staaten neue Akteure die Rechtsentwicklung vorantreiben.

Als Akteure wirken, hier abgesehen von Staaten und Einzelpersonen, TRANCOs, IGOs und INGOs. TRANCos sind die Transnational Corporations and Conglomerates, die Global Player der Wirtschaft. Üblich ist die Abkürzung TNC für Transnational Corporation. Weniger verbreitet ist die Bezeichnung als MNE (für Multinational Enterprise). Im Deutschen heißen sie multinationale Unternehmen (MNU). IGOs (International Governmental Organizations) sind die Organisationen des offiziellen Rechts. INGO ist die Abkürzung für International Nongovernmental Organization. In der Regel werden sie nur als NGO abgekürzt. Die deutsche Abkürzung ist NRO für Nichtregierungsorganisation. In diesem internationalen Kontext verwende ich NGO und TNC.

Oft ist es ausgesprochenes Ziel transnationaler Organisationen, die Rechtssysteme der Mitglieds- und Nichtmitgliedsstaaten zu beeinflussen. TNCs, IGOs und INGOs entwickeln sich damit zu einem neuen Typ von autonomen Akteuren, der bewusst mit Staaten und ihrem Recht konkurriert. Die Entstehung übernationaler Organisationen auf allen Ebenen bedeutet fraglos eine Herausforderung an den Nationalstaat.

a)                                Transnationale Unternehmen

Große und kritische Aufmerksamkeit gilt den Global Players der Wirtschaft, den TNC. Die hundert größten von ihnen übertreffen an Umsatz das Bruttosozialprodukt von hundert und mehr Staaten. Der Prototyp ist eine Muttergesellschaft, in der Regel in einem der OECD-Staaten, mit Tochtergesellschaften an vielen Plätzen der Welt. Sie verfügen regelmäßig über ein international zusammengesetztes Management, und auch die Anteilseigner sind oft über viele Länder verteilt. Die TNCs üben ihre Wirtschaftstätigkeit nicht nur mit Hilfe ihrer Konzerntöchter aus, sondern verfügen darüber hinaus in der Regel über ein ausgedehntes Vertragsnetzwerk. Man spricht deshalb auch von Network TNCs oder Matrix Firms. Es soll auch Anhaltspunkte dafür geben, dass sich in unterentwickelten Ländern eine Art von Symbiose zwischen heimischen Eliten und TNCs herausgebildet hat, die den Staat transformiert, und zwar »from a defensive mechanism against foreign capital into a disguised instrument of foreign control«[1].

Über Anzahl, Struktur und Betätigung der TNCs berichtet eine Reihe internationaler Organisationen. Viele Daten erhält man von der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD)[2]. Sie produziert eine Reihe von einschlägigen Berichten und Statistiken:

The Trade and Development Report

The Trade and Environment Review

The World Investment Report, zuletzt 2008

The Economic Development in Africa Report

The Least Developed Countries Report

The Information Economy Report

The Review of Maritime Transport

The International Accounting and Reporting Issues Annual Review

UNCTAD Statistics.

Die Gesamtzahl der TNCs wird (für 2007) von der UNCTAD mit 79.000 angegeben, die Zahl ihrer ausländischen Töchter erreicht das Zehnfache. Die Zahl der wirklich großen und einflussreichen TNCs ist allerdings wesentlich geringer. Sie ist in der Größenordnung von 100 zu suchen. Von der Größenordnung her den Gegenpol bilden die sog. suitcase investors, vor allem aus Indien und China, die im Ausland Unternehmen gründen und sie oft mit Hilfe von Familiennetzwerken grenzüberschreitend etablieren.

Die von der UNCTAD gezählten oder geschätzten 79.000 TNCs beschäftigten im Jahre 2007 82 Millionen Menschen. Ihr Börsenwert soll sich auf 15 Billionen $ belaufen haben. Die UNCTAD schätzt ihren Umsatz für 2007 auf 31 Billionen $. Das entsprach 11 % des Bruttosozialprodukts der Welt.[3]

Wenn es um die Globalisierung des Rechts geht, darf man die Rechtsanwälte als Akteure nicht vernachlässigen. Um die 100 große Kanzleien sind den Globals Players um die Welt gefolgt und heute international aufgestellt (etwas näher unten § 96 III 281.

b)                                IGOs und INGOs

Literatur: Achim Brunnengräber u. a. (Hg.), NGOs im Prozess der Globalisierung, Mächtige Zwerge - umstrittene Riesen, 2005 (Online-Rezension von Matthias Freise); Linda Polman, Die Mitleidsindustrie, Hinter den Kulissen internationaler Hilfsorganisationen, 2010; Silke Roth/Ansgar Klein (Hg.), NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 2007.

[xxxOrganisation für islamische Zusammenarbeit –. 57 Staaten

Internetquellen: Union of International Associations (UIA).

Die IGOs (International Governmental Organizations) zeigen seit 1815 ein exponentielles Wachstum. Ihre Gesamtzahl wird auf 3.000 bis 4.000 geschätzt. Sie haben sich im Verhältnis zu den Nationalstaaten mehr oder weniger verselbständigt.

Die Globalisierung selbst ist für die Ausbreitung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten verantwortlich, die in nationalen und transnationalen NGOs organisiert sind. Die Zahl der INGOs liegt um ein Vielfaches höher als die der IGOs und ist in der Größenordnung von 15.000 zu suchen (Bundestagsdrucksache 14/9200, S. 427). Es werden aber auch wesentlich höhere Zahlen genannt. Das Online Yearbook of International Organizations für 2010 bietet Profile für 60.000 IGOs und INGOs an. Im Wikipedia-Artikel über Nongovernmental Organizations wird die Zahl der INGOs mit 40. 000 angegeben.

INGOs treten als Wächter und Mahner für Menschenrechte, als kritische Beobachter der globalen Ökonomie und als Interessenvertreter auf den Feldern der Weltpolitik in Erscheinung. Viele haben sich als Dienstleister in humanitären und in der Entwicklungshilfe Hilfe etabliert. Manche INGOs sind wegen ihrer Sachkompetenz anerkannt, so dass sie bei Verhandlungen über internationale Verträge beteiligt werden. Ihre Beteiligung ist in verschiedenen Völkerrechtskonventionen ausdrücklich vorgesehen, so in Art. 71 der UN-Charta. Andere wie der Weltfußballverband (FIFA), das Internationale Olympische Komitee (IOC) oder die zentrale Vergabestelle für Internetadressen (ICANN) haben sich zu machtvollen wirtschaftlichen Akteuren gemausert. Die INGOs (wie die IGOs) sind so vielgestaltig, dass man sie kaum als ein einheitliches Phänomen betrachten kann. Ihre Bedeutung im Globalisierungsprozess steht nicht außer Streit. Peter Wahl, Gründungsmitglied von Attac, hielt die NGOs für die »am meisten überschätzten politischen Akteure der neunziger Jahre«[4]. Aber in den Medien und auch in der wissenschaftlichen Literatur werden sie doch ganz überwiegend als Hoffnungsträger und Legitimationsquelle, vor allem auf der internationalen Ebene, angesehen.

Kritisiert wird unter anderem, dass die INGOs vielfach öffentlich finanziert werden und damit als »erweiterter Staat« im Sinne Gramscis erscheinen könnten. Diese Kritik betrifft erst recht die ironisch so genannten GONGOs (governmental organized non governmental organizations) und QUANGOs (quasi non governmental organizations). Kritisch ist aber auch die Dominanz der westlichen Herkunftsländer. Nicht weniger kritisch ist die Eigendynmaik der Organisationen, aus der ein großer Markt der »Mitleidsindustrie« gewachsen ist.

[xxxZusammenfassung in Rotary Magazin 1/2011]

Die wichtigsten Handlungsoptionen der INGOs sind die Sammlung und Publikation von Informationen, die Skandalisierung von Menschenrechtsverletzungen, Umweltschäden oder Korruption und die Organisation und Unterstützung von Betroffenen bei der Einforderung von Rechten. Einige INGOS wie die Umweltschutzorganisation Green Peace oder das globalisierungskritische Netzwerk Attac sind auch durch politisierende Aktionen und Boykottaufrufe bekannt geworden. Die INGOs sind zum Teil sehr gut vernetzt und können dadurch ihre Reichweite und Wirkung steigern. Ihre Wirkung ist jedoch weitgehend medienabhängig.

Ein Forschungsprojekt »Internationale Netzwerke« am Exzellenzcluster »Asien und Europa im globalen Kontext« der Universität Heidelberg will zeigen, wie sehr internationale Organisationen miteinander vernetzt sind. Die Ergebnisse werden in einer Datenbank abgelegt die unter der Internetadresse www.lonsea.org zu erreichen. Mittlerweile sind in der Datenbank Informationen zu mehr als 1.100 Organisationen und rund 5.000 Personen verfügbar. Weil der inhaltliche Schwerpunkt des Projekts auf dem Völkerbund liegt, trägt die Datenbank den Namen »League of Nations Search Engine« (LONSEA).

c)                                 [International Judicial Institutions as Lawmakers]

Auswerten: 12 German Law Journal No. 5 (2011): Beyond Dispute:

International Judicial Institutions as Lawmakers Special Issue

http://www.germanlawjournal.com/pdfs/FullIssues/PDF_Vol_12_No_05_Beyond%20Dispute%20Special_Complete%20Issue.pdf auch Kopie in Material

d)                                Zivilgesellschaft

Literatur: Günter Frankenberg, National, Supranational, Global. Ambivalenzen zivilgesellschaftlicher Praxis, European Journal of Legal Studies 3, 2008, 1-32; Global Civil Society (Jahrbuchreihe seit 2001, zuletzt: Globality and the Absence of Justice), London 2010. Die meisten Bände oder Beiträge sind über die Seite http://www.lse.ac.uk/Depts/global/5publications1.htm verfügbar.

Der Begriff der Zivilgesellschaft ist eine Begriffsschöpfung Antonio Gramscis (§ 31V. oben). Er meinte damit einen mehr oder weniger organisierten außerstaatlichen Bereich (Kirche, Schule und Vereine, Medien, kulturelle und politische Diskurse), in dem sich jener Konsens herausbildet, der das politische System stützt. Heute versteht man unter Zivilgesellschaft etwas enger Initiativen, Vereinigungen, Netzwerke und Organisationen, die im weitesten Sinne auf das öffentliche Interesse ausgerichtet sind. Wenn und soweit dieses Interesse sich auf die Globalisierung konzentriert, spricht man von der global civil society.

Der Begriff der Zivilgesellschaft hat eine normative Färbung. Er bezeichnet das Projekt sich selbst organisierender Bürger, die herrschaftskritisch, demokratisch, gleichheitsorientiert und solidarisch gesinnt sind und gegenüber Staat und Wirtschaft für Gemeinwohlbelange eintreten. Der global civil society geht es typisch um hochgesteckte Ziele wie »planetary citizenship«, »cosmopolitical democracy« oder »new world order«. Aber es finden sich auch moderatere Ziele, die aus dem nationalen Kontext vertraut sind, wie öffentliche Partizipation, Konsultation, Transparenz und politische Verantwortlichkeit.

Die Rechtssoziologie braucht einen deskriptiv analytischen Begriff der Zivilgesellschaft. Dafür ist es notwendig, zwischen der Zivilgesellschaft im engeren und im weiteren Sinne zu unterscheiden. Zur Zivilgesellschaft im engeren Sinne gehören nur die Gruppierungen, die ein öffentliches Interesse verfolgen. Soweit es sich um NGOs handelt, werden sie manchmal als PINGO (Public Interest NGO) bezeichnet. Sie halten sich auf Distanz zu den BINGOS (von Business Interest NGO).[5] So wurden weder die International Chamber of Commerce noch das World Economic Forum, das über 900 Unternehmen zu seinen Mitgliedern zählt, zum »Earth Summit« zugelassen. Aus dem engeren Begriff kann man aber auch den sogenannten Dritten Sektor herausnehmen. Er vereint die (wirtschaftlich relevanten) gemeinnützigen und ehrenamtlichen Tätigkeiten. Der Dritte Sektor ist gesellschaftlich wichtig, hat aber keine unmittelbare Relevanz für die Rechtsentwicklung.

Auf den Dritten Sektor bezieht sich das Projekt »Zivilgesellschaft in Zahlen«, mit dem der Stifterverband, die Fritz Thyssen Stiftung und die Bertelsmann Stiftung gemeinsam die Voraussetzungen für ein »Informationssystem Zivilgesellschaft« schaffen. Ein Zwischenbericht ist immerhin für Abgrenzungsfragen nützlich. Er zeigt, dass man in Deutschland unter Zivilgesellschaft vor allem den Nonprofitsektor versteht.

Als Geburtstag der global civil society gilt der Weltgipfel von Rio 1992 mit dem ersten World Social Forum. Von den Medien begleitet und durch spektakuläre Auftritte mit teils militanten Aktionen in Seattle, Genua usw., mit Kampagnen gegen Landminen, Kinderarbeit, Armut, für die Rechte von Frauen, politischen Gefangenen oder Ureinwohnern für Schlagzeilen sorgend, ist sie rasant gewachsen und zu einer sozialen Bewegung geworden, die ihren organisatorischen Kern im World Social Forum und weiteren NGOs wie Attac gefunden hat (u. § 99IX. Darüber hinaus gibt es eine große Vielfalt von weltweit oder regional operierenden Plattformen, Vereinigungen, Foren und Netzwerken.

Frankenberg warnt vor Überschätzung der Global Civil Society als Heilsbringerin und verweist auf »deren ambivalentes Verhältnis zum nationalen Staat, zu den internationalen politischen Institutionen und zur internationalen Wirtschaft«.

»Wie für den Staat auf der nationalen gilt für die Zivilgesellschaft auf der transnationalen Ebene, dass sie von institutionellen Voraussetzungen lebt, die sie selbst weder herstellen noch garantieren kann. Denn zum einen sind notwendige Entwicklungsbedingungen eines globalen zivilgesellschaftlichen Aktivismus wohl auch einigermaßen funktionierende demokratische und rechtsstaatliche Institutionen und Verfahren. Die Global Civil Society kann nicht im institutionenfreien Raum operieren, gleichsam in der Lebenswelt reiner Resistenz. Vielmehr greift sie - wie ihre nationalen und supranationalen Schwestern - auf den Staat bzw. auf internationale Institutionen zurück, deren Entscheidungen und Praktiken die INGOs sowohl kritisieren als auch zu beeinflussen suchen. Sie bedient sich zudem in nicht unproblematischer Weise des (internationalen) Rechts: erstens, um sich zu organisieren, zu artikulieren und Gehör zu verschaffen; zweitens, um ihre Forderungen nachhaltig umzusetzen. So vertrauen zivilgesellschaftliche Gruppierungen in der Regel auf staatliche Institutionen, rechtliche Verfahren und Garantien – Menschenrechtskommissionen, Richter und eine rechtstreue und menschenrechtssensible Polizei (?) – zu ihrem Selbstschutz und zur Sanktionierung der von ihnen identifizierten Folterer, Umweltverschmutzer oder Unternehmen, die Kinder ausbeuten. Zivilgesellschaftliche Assoziationen übersetzen ihre Forderungen geradezu rituell in die Universalsprache der Menschenrechte. Sie bedienen sich damit des Rechts als eines Resonanzbodens für die skandalisierten Missstände, wenn ihre Kampagnen nicht sogar darauf abzielen, diese als rechtliche Verbote - der Kinderarbeit, der Produktion von Landminen etc. - kodifizieren zu lassen. Im Erfolg zeigt sich paradoxer Weise die Ambivalenz dieses Verhältnisses von Global Civil Society zu staatlichen Institutionen und staatlichem bzw. internationalen Recht: Besonders anschlussfähige und publicitygeeignete Forderungen werden – unter Enteignung der zivilgesellschaftlichen Protagonisten – von den Regierungen übernommen, umgewandelt und in staatliche Menschenrechtspolitik übersetzt.« [xxxZitat zu lang]

Von Wissenschaft und Politik wird die Zivilgesellschaft unter dem Titel Multilevel Governance als Instrument für effizientes und effektives Regieren vereinnahmt.

Die NGOs sind vermutlich per sei ein Problem. Dazu http://www.libertaria.de/art_ngo.htm

e)                                 Individuen als Träger von Menschenrechten und Völkerrechtssubjekte

[xx eventuellweglassen] Joshua Karton, Global Law: The Spontaneous, Gradual Emergence of a New Legal Order, Tilburg Law Review 17 , 2012, 276-284. + Anne Peters in FAZ PDF vorhanden in FAZ Ordner?

2.      Transnationale persönliche Netzwerke

Literatur: Marie-Laure Djelic/Sigrid Quack (Hg.), Transnational Communities, Shaping Global Economic Governance, Cambridge 2010; darin besonders das Einleitungs- und das Schlusskapitel der Herausgeber (Transnational Communities and Governance, S. 3-36; Transnational Communities and Their Impact on the Governance of Business and Economic Activity, S. 377-413) sowie von Renate Mayntz »Global Structures: Markets, Organizations, Networks – and Communities? (S. 37-54); Peter M. Haas, Epistemic Communities and Policy Knowledge, in: International Encyclopedia of Social and Behavioral Sciences, 2001, S. 11578–11586.

[Markus Pohlmann, Globale ökonomische Eliten? Eine Globalisierungsthese auf dem Prüfstand der Empirie 61 , 2009, 513-534.]

»Transnational Communities are social groups emerging from mutual interaction across national boundaries, oriented around a common project and/or ›imagined‹ identity which is constructed and sustained through the active engagement and involvement of at least some of its members. Transnational communities can overlap in different ways with formal organizations but, in principle, the do not need formal organization to be sustained. Transnational organizations imply transnational networks, but they are more than that since the notion of community connotes a sense of belonging to a common ›culture‹ in the broadest sense.« (Djelic/Quack, Vorwort)

Solche Gruppierungen, die oft formale Organisationen und nationale Grenzen übergreifen, können eine einheitliche kognitive und normative Orientierung ihrer Mitglieder bewirken und dadurch transnationale Phänomene beeinflussen. In dem Buch, dessen Vorwort die vorstehende Definition entnommen ist, geht es um Economic Governance. Als »Communities« werden darin u. a. behandelt Netzwerke von chinesischen Kaufleuten im Ausland, die sog. Shuttle Trader, nämlich Ausländer aus Ungarn, Jugoslawien, der Tschechoslowakei und Polen, später aus Nordafrika und schließlich aus den russischen Nachfolgestaaten, die etwa ab 1970 ein Stadtviertel in Istanbul in einen internationalen Handelsplatz verwandelten, Gruppierungen, die auf den internationalen Finanzmärkten tätig sind, der Berufsstand der international tätigen Rechnungsprüfungsfirmen, die virtuelle Gemeinschaft der Computerfreaks, die an Freeware und Open Source Software arbeiten, oder die soziale Bewegung, die sich eine Entkommerzialisierung des Urheberrechts (Creative Commons) zum Ziel gesetzt hat. Man könnte auch die Koalitionen von international orientierten Beamten anführen, die zwischen den Bürokratien der IGOs und der Nationalstaaten entstehen (und die eine Kontrolle und Steuerung der politischen Aktivitäten durch die Nationalstaaten angeblich erschweren[6]). Für Europa wird uns dagegen die Entstehung eines transnationalen Beamtenkorps eher als integrativer Mechanismus beschrieben.[7]

Djelic und Quack sortieren die transnationalen Gruppierungen in verschiedene Typen:

(1)      Gruppierungen mit Migrationshintergrund: Dazu gehören die Migranten selbst und ihre Unterstützer und Sympathisanten. Das gilt jedenfalls solange, wie die Migranten noch Beziehungen zu ihrem Herkunftsland unterhalten, etwa Familienbeziehungen, oder wenn sie zweisprachig sind. In solchen Gruppen ereignen sich kulturelle Anpassungsprozesse. Sie äußern sich im Sitzland wie im Herkunftsland zu politischen Themen oder sie entwickeln wirtschaftliche Aktivitäten.

Transnationale Aktivisten: Hier geht es um Netzwerke und Bewegungen, die auf der Grundlage gemeinsamer Werte und politischer Überzeugungen transnationale Ziele verfolgen, in historischer Zeit etwa das Frauenwahlrecht oder ein Alkoholverbot (Prohibition), heute etwa Menschenrechte und Umweltschutz. Diese Gruppierungen werden unter § 99. IX etwas näher behandelt.

Transnationale Experten, Professionelle und Wissenschaftler: Sie haben gemeinsam, dass sie transnational bei der Produktion und Verbreitung von Wissen engagiert sind. Für die Rechtssoziologie wird man in dieser Rubrik vor allem nach international orientierten Gruppierungen von Richtern, Anwälten, Rechtswissenschaftlern und Verwaltungsbeamten suchen. Ist der Expertenzirkel auf seinem Gebiet soweit anerkannt, dass auch die Politik dort Rat sucht, so spricht man von epistemic communities (Haas).

Transnationale Eliten: Es geht hier um die Machtelite auf der allerhöchsten Ebene. Diese Gruppierung trifft sich etwa auf dem jährlichen Weltwirtschaftsgipfel in Davos. C. Wright Mills hat 1956 die nationale Machtelite der USA (in »The Power Elite«) als eine kleine Gruppe von Individuen beschrieben, die einen weit überproportionalen Anteil des Reichtums kontrollieren und auf Entscheidungen aller Art Einfluss nehmen. Zu dieser Gruppe gehören neben Wirtschaftsführern Politiker, einige Militärs, einige Medienleute und wenige Wissenschaftler. Heute ist diese Elite praktisch ausnahmslos transnational orientiert. Bemerkenswert an dieser Gruppierung ist, dass sie zwar jeder für ganz unterschiedliche Interessen verfolgen können, aber dennoch über eine gewissen Korpsgeist verfügen.

Diese Gruppierungen werden zusammengehalten nicht durch eine formelle Organisation, sondern durch ein gemeinsames Projekt, Thema oder Problem mit transnationalem Bezug, über das sie mehr oder weniger häufig kommunizieren. Djelic und Quack heben hervor, dass bei aller Internationalität persönlicher Kontakt sehr wichtig ist. Man trifft sich vor allem auf Tagungen oder in Arbeitsgruppen. Der Informationsaustausch wird durch die elektronischen Medien und durch die einheitliche Verwendung der englischen Sprache zugleich informeller und intensive. Die Beteiligten praktizieren Transnationalität und bringen dadurch die Globalisierung voran. Das gilt selbst für Globalisierungskritiker, wenn sie sich international vernetzen und austauschen.

3.      Privatisierung der Weltpolitik

Literatur: Tanja Brühl u. a. (Hg.), Die Privatisierung der Weltpolitik, Entstaatlichung und Kommerzialisierung im Globalisierungsprozess, 2001; Tobias Debiel/Johannes Hummel, Weltpolitik in privaten Händen, Blätter für deutsche und internationale Politik, 2001, 581-589;

[xxxstreichen?]

II.                              Globalisierung des Rechtsbewusstseins

David S. Law/Wen-Chen Chang, The Limits of Global Judicial Dialogue, http://ssrn.com/abstract=1798345.

4.      Die Verbreitung demokratischer Werte und Institutionen

Literatur: Peter M. Haas, The Global Spreading of Ideas, WZB-Mitteilungen 2010, Heft 127, 40-42; Mark Lawrence Schrad, The Transnational Temperance Community, in: Marie-Laure Djelic/Sigrid Quack (Hg.), Transnational Communities, Cambridge 2010, 255-281.

[Disen Abschnitt hier weg?xxx] Globalisierung spielt sich in den Köpfen der Menschen ab. Davon geht der wissenssoziologische Ansatz aus. Es gilt, dieses Wissen in seiner Entstehung und laufenden Veränderung zu erfassen und mit seiner Hilfe die sozialen Phänomene zu erklären oder jedenfalls zu beschreiben. Dazu muss man das Alltagshandeln und die Lebenswelten von Individuen beobachten. Es geht sozusagen um Globalisierung von unten. (Globalisierung von oben wäre dagegen die Intensierung transnationaler Beziehungen durch Staaten, IGOs TRANCOs und INGOs. Die Globalisierung durch die weltweiten Finanz- und Warenmärkte liegt auf einer anderen Ebene.) »Unten« ist aber nicht nur Jedermann, »unten« sind auch Eliten, »unten« in diesem Sinne sind nicht nur die Locals, sondern auch die Globals.

Das Recht macht nur einen kleinen Teil der sich globalisierenden Wissensbestände aus. Religionen waren von ihrem Selbstverständnis her schon immer auf Weltgeltung und damit auf Transnationalisierung angelegt. In der Neuzeit erhielten sie Konkurrenz von der Wissenschaft mit ihrem Universalitätsanspruch.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich ein politisches Klima entfaltet, das die weltweite Gewährleistung von Menschenrechten, demokratischen Prinzipien und einer marktwirtschaftlichen Verfassung fordert. Bestimmte Rechtsvorstellungen haben sich zunächst kognitiv und dann normativ um den Globus verbreitet, um nunmehr national oder übernational als Recht reinstitutionalisiert zu werden. Was die dritte industrielle Revolution genannt wurde, die Transformation der Gesellschaft durch Hochtechnologie und Massenkommunikationsmittel, hat die Infiltrierung konkurrierender Realitätsvorstellungen über Grenzen hinweg möglich gemacht. In der Dritten Welt sind die Slums mit Antennen übersäht; CD-Player und Satellitenschüsseln gibt es selbst in ländlichen Gegenden. Die meisten Signale, mit denen dieser Planet bombardiert wird, transportieren nicht Recht, sondern Trivialkultur. Aber im Konsum lernen die Betrachter mehr als Englisch oder den Lebensstil der Reichen. Detektive und Verbrechen, Recht, Juristen und Gerichte spielen eine hervorgehobene Rolle in populärer Literatur und Film.

Neben expliziten Rechtsthemen kommunizieren die Medien verborgene Botschaften. Amerikanische Unterhaltung und selbst Werbung ist mit kulturellen Werten (oder Mythen) aufgeladen – Freiheit und Wohlstand, Selbstbestimmung und Optimismus, Leistung und Erfolg. Auf diese Weise lernen die Menschen aus den Massenmedien über bestimmte Arten von Erwartungen, die in anderen Teilen der Welt vom Recht gestützt werden, Erwartungen beispielsweise über faires Verfahren, Qualitäts- und Sicherheitsstandards, Gleichheitsansprüche und, nicht zuletzt, Standards persönlicher Freiheit. Früher oder später folgt aus dem Wissen um die Möglichkeit die Forderung nach entsprechenden Rechten. Wenn alle Welt weiß, dass das Recht in einigen Ländern Entschädigung für erlittenes Unrecht oder Zufallsschäden vorsieht, wird sie auch für sich entsprechende Gesetze verlangen. Wo sich die Kenntnis verbreitet, dass staatliches Recht andern Orts in der Lage ist, Vorsorge gegen die Risiken des Lebens zu treffen und vor unfairer Behandlung zu schützen, wird man solche Risiken auf Dauer nicht mehr ungeschützt hinnehmen.

Zu den global verbreiteten Wissensbeständen gehört längst auch die Vorstellung von Umweltzerstörung und Atomkriegsgefahr. Die Ankündigung der Versenkung einer Bohrinsel oder chinesische und französische Atomwaffentests taugten zur weltweiten Mobilisierung von Gewissen und Öffentlichkeit, und zwar ohne Rücksicht auf die nationale und internationale rechtliche Absicherung der auslösenden Ereignisse-

Natürlich ist die globale Verbreitung von Rechtskonzepten keine völlig neue Erscheinung. Kenntnisse über Recht wurden in verschiedenen Wellen um die Welt verbreitet. Die erste Welle kam mit der Christianisierung und der Kolonisierung. In einer zweiten Welle wurden die Ideen von Freiheit, Gleichheit und unveräußerlichen Rechten um die Welt getragen und führten schließlich zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der französischen Revolution. Marxismus und Sozialismus kamen als dritte Welle. Im Zeitalter des »Global Village« hat die Verbreitung von Kenntnissen jedoch eine neue Dimension erreicht. Die Theorie sozialen Lernens steht vor der Aufgabe, den Einfluss transnationaler Kommunikationen auf Präferenzen und Werte, die zusammen das Rechtsbewusstsein bestimmen, zu qualifizieren und quantifizieren. Es ist insbesondere unklar, ob unter dem Einfluss transnationaler Kommunikation ein Wertewandel eingesetzt hat und ob dieser Prozess gegebenenfalls als Diffusion westlicher Werte oder als Wertkonflikt[8] abläuft. Vorläufig zeigen Umfrageuntersuchungen über fundamentale demokratische Einstellungen erhebliche Differenzen, selbst zwischen Nachbarländern.[9] Eine Art demokratischen Dominoeffekts, der u. a. den Boden für die dramatischen politischen Umwälzungen von 1988/89 bereitete, scheint aber doch nachweisbar zu sein.[10]

Auch die TNCs selbst und die NGOs haben durch ihre Tätigkeit einen Einfluss auf das Bewusstsein und die Kompetenzen der Menschen. Den NGOs gelingt es, Menschen zu mobilisieren und sie an den Gebrauch von Recht heranzuführen. Dasselbe leisten auf ihre Weise die TNCs in den Entwicklungsländern, indem sie Arbeitnehmer und Vertragspartner an rechtlich geordnete Wirtschaftsbeziehungen und unternehmerisches Denken gewöhnen.

Wenn sich Ideen um die Welt ausbreiten, ist man leicht geneigt, von europäischer oder amerikanischer Hegemonie oder gar von Imperialismus zu reden oder nach »objektiven« Gründen, insbesondere in Gestalt wirtschaftlicher Interessen zu suchen. Man sollte es aber auch für möglich halten, dass sich manche Ideen sozusagen interesselos um die Welt verbreiten. Beispiele bieten soziale Bewegungen (u. § 99IX wie die Temperanzlerbewegung des 19. Jahrhunderts. Sie lässt sich »objektiv« weder mit einer Erhöhung des Alkoholverbrauchs noch mit wirtschaftlichen Interessen erklären. Und auch die Behauptung, hier habe sich amerikanischer Kulturimperialismus breit gemacht, hält einer historischen Analyse nicht Stand (Schrad).

5.      Der neue Stamm der Weltbürger

Literatur: James A. Field, Jr., Transnationalism and the New Tribe, International Organization 25 (1971) 353-372; Ulf Hannerz, Cosmopolitans and Locals in World Culture, Culture and Society 7 (1990) 237-251; Robert K. Merton, Social Theory and Social Structure, New York/London: Free Press 1968, 441-474; Osvaldo Sunkel, Transnational Capitalism and Disintegration in Latin America, Social Economic Studies 22 (1973), 132–176; John Useem Ruth Hill Useem/John Donoghue, Men in the Middle of the Third Culture: The Roles of American and Non-Western People in Cross-Cultural Administration, Human Organization 22, 1963, 169-179.

[Abschnitt zu lang und unklar. Mit Einleitung zu Merton in »Sternstunden überarbeiten xxx Zu räumlicher Mobilität Themenheft Mobilität.PDF in Mat. Kap. 17 Globalisierung]

Kultureller Pluralismus ist nicht länger eine Erscheinung, die nur von Wissenschaftlern analysiert wird. Die Menge transnationaler Interaktionen und Verbindungen hat daraus eine Realität geformt, die für beinahe jedermann spürbar wird, selbst wenn er nicht Seite an Seite mit anderen nationalen oder ethnischen Gruppen lebt. Das Anwachsen der globale Informationsaustausch macht kulturelle Unterschiede für Menschen erfahrbar. Die Folgen sind vermutlich, je nach der sozialen Befindlichkeit der Betroffenen, verschieden. Bereits die bloße Kenntnis von der Kontingenz einer bestimmten Kultur bringt kulturellen Relativismus als Wahrnehmungsmuster mit sich und verursacht eine konstante Erosion des tradierten Sittengeflechts. Das gilt verstärkt für jene Teile des Publikums, die der von Alvin W. Gouldner so genannten Kultur des kritischen Diskurses zuzurechnen sind. Sie geben sich mit den implizierten Selbstverständlichkeiten des Alltags ebenso wenig zufrieden wie mit seinen Ambiguitäten und Widersprüchen, sondern wollen die Dinge durch Reflexion und Metakommunikation in den Griff bekommen. Das funktioniert aber nur auf Kosten bisher selbstverständlicher Normen. Die daraus folgende Erosion im normativen Gewebe wird nicht automatisch durch den simultanen Aufbau eines neuen Normensystems ausgeglichen. Kultureller Relativismus führt auch nicht ohne weiteres zu einer Moral der Toleranz. Nur für eine verhältnismäßig kleine Schicht werden Pluralismus und Diversität zu Werten an sich. Vorübergehend hatten die Meinungsführer in den westlichen Industrienationen die multikulturelle Gesellschaft auf den Schild gehoben. Eine besondere Rolle auf dem Weg zur multikulturellen Gesellschaft spielt der neue Stamm der Weltbürger.

Transnationale Interaktionen und folglich transnationale Wissensbestände und Einstellungen entwickeln sich auf verschiedenen Ebenen, die freilich kaum mit den herkömmlichen Lagen sozialer Schichtung korrespondieren. Für unsere Zwecke muss es genügen, hier zwischen der Oberschicht einer internationalen Elite, einer mittleren Ebene, zu der in erster Linie die Durchschnittsbürger westlicher oder östlicher Industriegesellschaften zählen, und einer Unterschicht zu unterscheiden, deren transnationale Kontakte sich auf passive Kommunikation und die Warenwelt beschränken. Dazu gehören die Unterschichten aus der ersten und zweiten sowie die Durchschnittsbürger in Ländern der Dritten Welt. Eine Gruppe, die es besonders zu bedenken gilt, sind die unfreiwilligen Immigranten. Psychologische und schließlich gesellschaftliche Effekte stellen sich in den verschiedenen sozialen Schichten auf unterschiedliche Weise ein.

Die Partizipation an internationalen Organisationen, internationalem Austausch etc. bleibt nicht ohne Wirkung auf die Entwicklung kosmopolitischer Einstellungen und Verhaltensweisen. Auf individueller Ebene gedeiht in IGOs und INGOs der »New Tribe«. Sie erziehen einen neuen Schlag von Kosmopoliten mit einem anderen Rechtsbewusstsein.

Vermutlich sind alle gezielten Versuche internationaler Eliten, universell akzeptable Verhaltensmuster zu schaffen, zum Scheitern verurteilt. Ein Beispiel geben die fruchtlosen Bemühungen europäischer und amerikanischer Intellektueller um die Weltsprache Esperanto. Jedoch scheint einer internationalen Elite ganz ohne Absicht und Plan die Schaffung einer globalen Subkultur zu gelingen. Es handelt sich um den »new tribe« der »cosmopolitans«, den neuen Stamm der Weltbürger.[11] Ich spreche nur mit Vorbehalt vom »Weltbürger« neuen Stils, weil sich mit dem Begriff des Kosmopoliten oder Weltbürgers im Deutschen noch immer die stoische Idee einer universalen Vernunft verbindet, die Diogenes von Sinope auf die Frage nach seiner Heimatstadt antworten ließ: Ich bin ein Bürger des Kosmos (Kosmopolites). Und weil er an Garry Davis, den »Weltbürger Nummer 1«, erinnert. Der Weltbürger neuen Stils ist kein Vertreter des stoischen Logos. Er ist auch nicht der »Fremde«[12], sondern ein Virtuose transnationaler Interaktionen.

Zum neuen Stamm der Weltbürger zählen nicht nur Diplomaten, die internationale Business Community und der Jet-Set. Auch Wissenschaftler und Studenten kommunizieren, reisen und bauen überall auf der Welt an Netzwerken mit, ebenso wie Journalisten, Kirchenvertreter, Künstler und Sportler. Internationale Ehen sind verbreitet. Wann auch immer eine neue Welle von Immigranten oder Asylanten in ein anderes Land schwappt, Intellektuelle und Eliten gehören zu den ersten.

Die wirtschaftsnahe Managementforschung sieht eine Folge der Globalisierung in der Verschmelzung der nationalen Managementkulturen zu einer Weltkultur des Managements, der eine neue globale Elite aus Topmanagern entspricht. Nach Untersuchungen von Hartmann, Minnsen und Pohlmann ist damit wohl eine Legende aufgebaut worden.[13] Die Vorherrschaft der traditionellen nationalen Karrieremuster ist ungebrochen. Die Bildungs- und Rekrutierungswege dieser Elite, wenn es sie denn gibt, sind nach wie vor national geprägt. In Frankreich laufen sie durch die berühmten Grandes Écoles, in den USA durch bestimmte Eliteuniversitäten und in Großbritannien beginnt der Weg in privaten Public Schools. In Deutschland führt der Weg in die Wirtschaftselite regelmäßig über ein (deutsches) Ingenieur- oder Betriebswirtschaftsstudium. Weniger als 10 % der Topmanager sind heute noch Juristen. Der Weg an die Spitze führt meistens über eine Hauskarriere. Weder Spitzenmanager noch das mittlere Management machen ihre Karriere im Ausland. Nur jeder zwanzigste Spitzenmanager kommt aus dem Ausland und nur jeder vierte einheimische Topmanager hat jemals im Ausland studiert oder gearbeitet. Länger als zwei Jahre im Ausland hat sogar nur jeder siebte einheimische Topmanager gelebt. Die Rückkehr nach einer längeren Auslandsentsendung bedeutet nur selten einen Karrieresprung. Vielmehr hat sich eine Entsendepraxis mit eher kurzfristigen Auslandsaufenthalten etabliert, die mit Hauskarrieren kompatibel ist. Es gibt allerdings große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. In Deutschland und Großbritannien ist der Prozess am weitesten vorangeschritten. In Frankreich ist in der jüngeren Generation dagegen sogar ein Rückgang zu verzeichnen. Immerhin liegt der Ausländeranteil im Topmanagement großer Firmen heute in der Größenordnung von über einem Drittel.

Unter den Gebildeten gab es schon immer das Bewusstsein kultureller Relativität und viel Zynismus über Moral und Rechtsnormen. Deswegen ist es bemerkenswert, dass sich auf diesem Elitelevel nicht die bloße Auflösung traditioneller Normen, sondern ein neuer Modus normativer Integration feststellen lässt. Der »new tribe« entwickelt seine neue Lebensform nicht nur als Mischung oder Anpassung verschiedener Kulturen, sondern als eine sich ausbildende »dritte« Kultur mit spezifischem Verhalten, Lebensstil und Weltsichten (Useem u.a. 1963). Die Angehörigen des »new tribe«, die in verschiedenen entwickelten und unterentwickelten Ländern leben,

»share a common culture and ›way of life‹, which expresses itself through the same books, texts, films, television programs, similar fashions, similar groups of organizations of family and social life, similar style of decoration of homes, similar orientations to housing, building, furniture and urban design. Despite linguistic barriers, these sectors have a far greater capacity for communication among themselves than is possible between integrated and marginal persons of the same country who speak the same language. An advertisement in Time magazine expresses this idea with the perfection to be expected from publicity aimed precisely at the international market constituted by the nucleus of internationalized population: ›Time’s 24 million readers are apt to have more in common with each other than with many of their own countrymen. High incomes. Good education. Responsible positions in business, government and their professions. Time readers constitute an international community of the affluent and influential, responsive to new ideas, new products and new ways of doing things.‹ « (Sunkel 1973:148)

Merton fand in seiner Untersuchung über die Einflussmuster in einer Kleinstadt, dass der Einfluss der »locals« weniger darauf beruhte, was sie wussten, als vielmehr darauf, wen sie kannten. Die »cosmopolitans« dagegen gründeten ihren Einfluss weniger auf Beziehungen zu bestimmten Anderen oder zu einer lokalen sozialen Umgebung, als vielmehr auf ein spezifisches, nicht ortsgebundenes Wissen. Seither haben sich die Maßstäbe für Mobilität verschoben, »so that what was cosmopolitan in the early 1940s may be counted as a moderate form of localism now« (Hannerz 1990:237). Man darf die weltweiten Netzwerke moderner Kosmopoliten nicht unterschätzen. Was sie jedoch in erster Linie auszeichnet, ist die Kompetenz zum Umgang mit anderen Kulturen und ein spezifisches »kontextfreies« kulturelles Kapital (Hannerz 1990:246).

Zwar darf die Möglichkeit nicht ganz vernachlässigt werden, dass die Angehörigen des »new tribe« sich als eine selbstgewählte Elite absondern und bessere Beziehungen über die Grenzen hinweg unterhalten als im Heimatstaat. Die neuen Weltbürger bilden, wie man in Anlehnung an Mannheim sagen kann, eine freischwebende Subkultur. Doch selbst als Fremde im eigenen Land leisten sie noch einen Beitrag zur Globalisierung.

Auf einem mittleren Level unterhalb der Ebene transnationaler Eliten überqueren heute bald eine Milliarde Touristen jährlich die nationalen Grenzen, begierig darauf, nicht nur fremde Natur und fremdes Klima, sondern auch fremde Kultur kennen zu lernen, und sei es die exotische Küche. Doch die Touristen bleiben »locals« (Hannerz 1990). Sie wollen eigentlich zu Hause bleiben und suchen deshalb McDonalds in Japan oder deutsches Bier auf Mallorca. Sie wollen ihr Zuhause nur durch Strand oder Berge bereichern und sich mit Folklore oder durch Ruinen und ihre Geschichte unterhalten. Natürlich bleibt auch hier einiges an Globalität hängen. Aber in erster Linie erleben die Myriaden von Touristen die Welt als eine Erweiterung ihrer Konsummöglichkeiten. Für ihr Rechtsbewusstsein folgt daraus vermutlich eine Verstärkung der individualistischen Grundhaltung, wie sie ursprünglich vor allem mit der Verbreitung des Automobils einherging.

Auf einem unteren Level findet wenig transnationale Interaktion statt. Abgesehen von der flüchtigen Begegnung mit Touristen beschränken sich transnationale Kontakte auf das Informations- und Unterhaltungsangebot der Massenmedien sowie auf das gleichfalls überall präsente, jedoch nur an seinem schäbigen Rand zugängliche Warenangebot des Weltmarkts. Auf der Ebene der Eliten wird die »third culture« durch erlebte Reziprozität gestützt. Wo die Welt in die Wohnzimmer oder Hütten nur über die Medien Einzug hält, verbreiten sich zwar Kenntnisse von westlichen Konsummustern und Anspruchsniveaus, jedoch fehlt die Erfahrung von Reziprozität über den eigenen engen Lebenskreis hinaus. Über die Folgen für das Rechtsbewusstsein lässt sich nur spekulieren.

6.      Global Lawyering

Literatur: Abel, Richard L./Lewis, Philip S. C. (Hg.), Lawyers in Society, Berkeley 1988; Yves Dezalay, The Big Bang and the Law: The Internationalization and Restructuration of the Legal Field, in: Mike Featherstone, (Hg.), Global Culture, Nationalism, Globalization, and Modernity, London/Newbury Park 1990, S. 279–293, Yves Dezalay/Bryant Garth, Merchants of Law as Moral Entrepreneurs: Constructing International Justice from the Competition for Transnational Business Disputes, Law and Society Review 29 (1995) 27-64; dies., Asian Legal Revivals, Lawyers in the Shadow of Empire, Chicago [u.a.] 2010.

Internetquellen: Jonathan Muzio/Daniel Taylor/Peter J. Beaverstock/James Faulconbridge, Global Law Firms: Globalization and Organizational Spaces of Cross-Border Legal Work; D. Daniel Sokol, Globalization of Law Firms: A Survey of the Literature and a Research Agenda for Further Study; Laurel S. Terry, The Legal World is Flat: Globalization and its Effect on Lawyers Practicing in Non-Global Law Firms.

Neu: Sigrid Quack, Legal Professionals and Transnational Law-Making, Organization 14, 2007, 643-666; Dietz und Flood in Gessner, Contractual Certainty; Glenn Morgan und Sigrid Quack (2006): Global Networks or Global Firms? The Organizational Implications of the Internationalization of Law Firms. In: Anthony Ferner, Javier Quintanilla und Carlos Sánchez-Runde (Hrsg.), Multinationals, Institutions and the Construction of Transnational Practices. Convergence and Diversity in the Global Economy. Houndmills/Basingstoke: Palgrave MacMillan, 213-238. Zum deutsch-amerikanischen Justizkonflikt: Peter-Andreas Brand, US-Sammelklagen und kollektiver Rechtsschutz in der EU, NJW 2012, 1116-1120. (Kopie bei AR § 48xxx)

Die Anwaltschaft folgt dem Geschäft ihrer Klienten. Nach der Existenz einer transnationalen Anwaltschaft braucht man nicht mehr zu fragen, sie ist längst eine Tatsache. Interessant ist aber, wie sich die Anwaltschaft im Zuge ihrer Internationalisierung verändert hat. Heute gibt es etwa 100 Anwaltsfirmen mit Niederlassungen in mehreren Erdteilen und Hunderten von Mitarbeitern. Die drei größten kommen ursprünglich aus London (Clifford Chance, Linklaters und Fresfield Bruckhaus Deringer). Sie arbeiten heute mit jeweils über 3.000 Mitarbeitern und erzielen einen Jahresumsatz von deutlich über einer Milliarde Euro.

Dezalay und Garth (1995) meinten, die transnationale Anwaltstätigkeit erweise sich als Herausforderung an die Souveränität der Staaten, denn solche Anwaltstätigkeit beschränke sich nicht auf Rechtsanwendung, sondern produziere auch neues Recht. Anwälte gäben nicht bloß technisch-instrumentelle Antworten auf die Bedürfnisse ihrer Klientel. Sie spielten vielmehr eine wichtige legitimierende Rolle in der Formierung der Märkte. [ja und?xxx]

Die Entstehung einer internationalen Anwaltschaft mag besonders augenfällig sein, aber sie ist nicht die einzige Transformation der Anwaltschaft, die in den Blick gerät, wenn wir uns um eine globale Sichtweise bemühen. Abel und Lewis haben in ihrer Studie »Lawyers in Society: The Civil Law World« den Schluss gezogen, dass die Rechtsprofessionen in der »Civil Law World« und der »Common Law World« sich einander annähern könnten: Zu den übergreifenden sozialen Entwicklungen gehören die Ausdehnung von Verfügbarkeit und Zugang zu höherer Ausbildung und der Eintritt der Frauen in die Arbeitswelt. Als ökonomische Kräfte wirken die zunehmende Konzentration in Industrie und Handel, die Ausdehnung des Dienstleistungssektors und die Internationalisierung der Wirtschaft. Als politische Kräfte kommen die weite Verbreitung von Sozialprogrammen und die gestiegene Bedeutung des Staates in Betracht. Und schließlich gehören zu den verbreiteten kulturellen Phänomenen der scharfe Anstieg der Scheidungsrate in vielen Ländern und gestiegene Aktivitäten zur Durchsetzung und zum Schutz der Rechte rassischer und ethnischer Minderheiten. Zwar postulieren Abel und Lewis nicht, die beiden Rechtswelten könnten eines Tages in einer verschmelzen; sie bestehen aber darauf, dass sie insoweit konvergieren werden, »as national cultures, languages, politics, and economies have been loosing their distinctiveness«. In der Tat scheinen die Landesberichte von Anwälten aus der »Civil Law World« die Konvergenztheorie der Autoren zu bestätigen. Obwohl jedes der Kapitel mit einer historischen Darstellung beginnt, die die Besonderheiten betont, stellt man fest, dass viele Differenzen schrittweise, aber kontinuierlich verschwinden.

Die Studie von Abel und Lewis ist über 20 Jahre alt. Seither scheint sich das amerikanische Modell des Lawyering weltweit noch stärker durchzusetzen. Es verfügt über eine Reihe von Eigenschaften, die es dafür prädestinieren. Das zeigt sich an vielen spektakulären Klagen von Ausländern vor amerikanischen Gerichten, die in den 1990er Jahren unter Berufung auf den Alien Tort Claims Act einsetzten, darunter die Klagen von Zwangsarbeitern aus der Zeit des 2. Weltkriegs und die sog. Holocaust-Klagen, in denen es um jüdische Vermögen bei Schweizer Banken oder um Ansprüche gegen europäische Versicherungen ging, die unerfüllt geblieben waren, weil Hunderttausende von Policen verloren waren. Mitte der 1990er Jahre übernahmen amerikanische Anwaltsfirmen die Interessen der Begünstigten und drohten mit Sammelklagen vor amerikanischen Gerichten. Um Sammelklagen und Boykotte abzuwehren, setzten europäische Versicherungen 1998 die International Commission on Holocaust Era Insurance Claims unter Leitung des einstigen US-Aussenministers Lawrence Eagleburger ein, um Ansprüche der Opfer zu klären. 90 Millionen $ sagten die Versicherungen zu. Doch 2001 ließ ein Bundesgericht in New York zwölf Klagen gegen zwei europäische Versicherer zu. Es bejahte seine Zuständigkeit, weil amerikanische Gerichte den Holocaust-Opfern bessere rechtliche Möglichkeiten böten als europäische. Es wäre zu teuer und langwierig, die Klagen nach Europa zu transferieren. Dort sei es zudem nicht möglich, Sammelklagen einzureichen, was jene Opfer benachteilige, die nichts von ihren möglichen Ansprüchen wüssten.

Amerikanische Juristen haben zunächst den Vorteil, dass sie durch die Konkurrenz von staatlicher und Bundesgerichtsbarkeit in ihrem Heimatland gewohnt sind, Zuständigkeitskonflikte und die Konkurrenz verschiedener Rechtsordnungen zu bedenken. Sie wachsen mit dem, was sie conflict of laws nennen, auf. In den USA gibt es 52 Einzelstaaten mit eigenem Gerichtssystem. Fast jeder Fall hat damit »Auslandsbezug«. Das schwierige Kollisionsrecht ist für Amerikaner daher keine terra incognita. Während deutsche Juristen skrupulös fremdes Sachrecht heranziehen, das nach IPR-Regeln anwendbar wäre, wenden amerikanische Richter imperialistisch das eigene Recht an, wenn sie der Meinung sind, dass es den besseren Rechtsschutz bietet. Und das ist regelmäßig der Fall, weil ausländische Rechte weder punitive damages noch Sammelklagen kennen.

Das amerikanische Prozessrecht ist ferner deshalb im Zuge der Globalisierung so attraktiv geworden, weil es die Handhabung der Verfahren weitgehend den beteiligten Rechtsanwälten überlässt. Anders als im (inquisitorischen) deutschen und darüber hinaus im europäischen Prozess bleibt die Ermittlung des Sachverhalts und auch der Rechtslage den Parteien vorbehalten. Der Parteibetrieb beginnt damit, dass der Kläger das Gericht um die Zulassung der discovery bittet. Die Reichweite der discovery, sachlich wie örtlich, ist phänomenal. Jede Partei hat das Recht, durch ihre Anwälte nicht nur die Gegenpartei, sondern auch Zeugen und Sachverständige zu vernehmen und die Vorlage von Dokumenten aller Art zu fordern. Das Verfahren ist aufwendig und teuer und gerät oft zur Ausforschung der Gegenpartei. Nur Parteien, die über große Mittel verfügen, können diesem Verfahren standhalten.

7.      Soziologische Forschung und Rechtsvergleichung

[Viele interessante Aufsätze in Symposium on Evolutionary Approaches to (Comparative) Law: Bei § 90 IV.)]

In der Vergangenheit wurden viele, vielleicht sogar die meisten der Kenntnisse über fremdes Recht und rechtliche Institutionen als nichtintendierte Folge von Aktivitäten erworben, die primär andere Ziele verfolgten. Aber schon um 1900 wurde ernsthaft die Forderung nach einer Universaljurisprudenz erhoben, die die Schaffung eines global vereinheitlichten Weltrechts zum Ziel haben sollte.[14] Die Rechtsvergleichung hat sich zwar in eine andere Richtung entwickelt und sich die Aufgabe gestellt, die Rechtssysteme der Welt in ihren Verschiedenheiten und Ähnlichkeiten, ihren Wechselbeziehungen und Kollisionen, ihrer sozio-kulturellen Bedingtheit und der jeweiligen gesellschaftlichen Funktion zu erforschen. Für Europa fordert man jedoch ein neues jus commune und erwartet die Vereinheitlichung des Rechts nicht allein von der Politik, sondern von einer erneuerten Rechtswissenschaft. Vorbild ist zu einem gewissen Grade das amerikanische common law und hier vor allem die amerikanische Juristenausbildung, der es gelingt, ungeachtet der Differenzen im Recht von 50 Einzelstaaten den common american lawyer zu erziehen.

Spätestens in der Postmoderne ist unser Wissen über Recht, ähnlich unserem Wissen überhaupt, mehr und mehr reflexiv geworden. Wissen ist nicht länger unkritisch oder naiv, sondern bereits durch Wissen über Wissen beeinflusst. Solches Metawissen ist zu einem wesentlichen Teil über rechtssoziologische Forschung und Rechtsvergleichung entstanden. Rechtssoziologie, Rechtsanthropologie und Rechtsvergleichung sind relativ junge Disziplinen, die sich erst im 20. Jahrhundert gebildet haben. In Schwung kamen sie in den letzten fünf Jahrzehnten. Aber mittlerweile ist die Praxis vergleichender Forschung derart verbreitet und das Wissen dermaßen angewachsen, dass Rückwirkungen der Forschung auf ihren Gegenstand wahrscheinlich sind. Heute gibt es keinen ausgebildeten Juristen mehr, der nicht über irgendwelche Vorstellungen von fremden Rechtsinstitutionen verfügt. Keine ambitionierte Gesetzgebung wird ohne vergleichende Forschung in Angriff genommen. Selbst nationale Gerichte, die sich mit innerstaatlichen Angelegenheiten befassen, nehmen gelegentlich auf ausländische Entscheidungen Bezug (u. xxx). All dies muss letztendlich Wirkung zeigen. Können wir mit einem neuen Common Law im Sinne des mittelalterlichen jus commune rechnen, das aus Rechtsvergleichung und Völkerrecht hervorgeht?

Auf der Höhe seiner Macht beherrschte das antike Rom fast die ganze damals bekannte Welt. Das römische Recht galt als universales Weltrecht. Doch das römische Reich zerfiel und mit ihm Anwendung und Kenntnis des römischen Rechts. Seit 1100 unterrichtete Irnerius in Bologna wieder römisches Recht, wie es Justinian im Corpus Juris Civilis hatte zusammenstellen lassen. Irnerius und seine Nachfolger, die Glossatoren, lehrten das römische Recht nicht als historische Reminiszenz und auch nicht als das Recht Italiens, sondern als das jus commune, als Weltrecht, das für das ganze Abendland Geltung beanspruchen sollte, soweit nicht besondere lokale Rechte entgegenständen. Sie waren überzeugt von dem inneren Wert des römischen Rechts, das als einziges ein vollständiges und durchgearbeitetes System mit klaren und anwendungsgeeigneten Begriffen anbot und damit nicht bloß als eines unter anderen, sondern als das Recht schlechthin, als ratio scripta, erschien. Der Erfolg war ungeheuer. Aus dem ganzen Abendland zogen die Studenten zu Tausenden nach Italien und ließen sich im römischen Recht ausbilden. In ihre Heimat zurückgekehrt, die politisch in viele kleine Territorien zersplittert war, stießen sie in eine Lücke. Es fehlte ein übergreifendes, einheitliches Recht. Im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts wurde so in Kontinentaleuropa das römische Recht als jus commune, als common roman law, zur universellen Rechtsquelle. Heute geht das emerikanische Modell der Law School um die Welt.

Die Konvergenz der Rechtssysteme in Richtung auf ein jus commune mundi, auf ein allgemeines Weltrecht, ist wohl schon in vollem Gange. An die Stelle des römischen jus commune ist die amerikanische rule of law getreten, kombiniert mit Ideen von politischer Freiheit, Demokratie, Gleichberechtigung und Menschenrechten. Angetrieben wird sie durch UNO, Weltbank, IWF und die politischen Akteure der Entwicklungspolitik. Getragen wird sie durch die Eigendynamik der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Die Dominanz der englischen Sprache, große Anwaltskanzleien englischer und amerikanischer Prägung und eine Flut ausländischer Juristen, die an amerikanischen Law Schools ihren Master erwerben oder auch nur einen Sommerkurs besuchen, tragen die anglo-amerikanischen Methoden der Rechtsverfolgung um die Welt.[15] Wenn wir Ugo Mattei und Laura Nader folgen, verbreitet sich anglo-amerikanische rule of law allerdings nicht wegen ihrer Funktionalität oder ihrer inneren Überzeugungskraft und Werthaftigkeit, sondern sie dient als politische Waffe. Dieser Gesichtspunkt wird unter § 99. erörtert.

III.                           Globalisierung durch die Brille der »Customs Theory of Law«

Literatur: Paul Bohannan, Law and Warfare, New York 1967; ders., Law and Legal Institutions, in: International Encyclopedia of the Social Science, Bd. 9, New York 1968, 73-78; Gunther Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, Rechtshistorisches Journal 15, 1996, 255-290.

8.      Recht als institutionelle Verdoppelung der Sitte

Die Customs Theory of Law sieht das Recht als ein besonderes Mittel an, Werte und Normen (customs) auszudrücken, die in der Gesellschaft naturwüchsig in der Auseinandersetzung mit alltäglichen Problemen entstehen. Sie erhalten ihren Rechtscharakter durch eine Art institutioneller Verdoppelung. Dieser Gedanke ist maßgeblich von Paul Bohannan formuliert worden:

»Law is custom recreated by agents of society in institutions specifically meant to deal with legal questions.«

E. A. Hoebel hat diese Vorstellung in eine evolutionäre Perspektive gestellt. Danach vollzieht sich die Entwicklung des Rechts von »primitiver« privater Normdurchsetzung durch die interessierten Parteien zu einer Normdurchsetzung durch unparteiische öffentliche Instanzen, bis am Ende ein hierarchisch zentralisierter Staat die Verwaltung des Rechts übernimmt. Hoebel meinte, dieser Prozess werde einmal in einem einheitlichen Weltstaat kulminieren. Das Völkerrecht bilde eine Vorstufe auf diesem Wege:

»International law, so-called, is but primitive law on the world level. «[16]

Internationales Recht nahm bislang seinen Weg eher von oben nach unten. Eine Anknüpfung bei den gesellschaftlichen Überzeugungen und Gewohnheiten, also beim Volksgeist, wie Savigny ihn nannte, sucht dagegen nach Rechtsüberzeugungen und Praktiken, die unabhängig vom offiziellen internationalen Recht, sozusagen von der Basis her, wachsen.

Teubner hat die Customs Theory of Law auf das Globalisierungsthema übertragen mit der These, das Weltrecht werde sich von den gesellschaftlichen Peripherien her entwickeln. Dazu erinnert er an Eugen Ehrlich, der den Vorrang lokaler Prozesse spontaner Ordnungsbildung vor der Politik auf die Formel gebracht hatte:

»Der Schwerpunkt der Rechtsentwicklung lieg(t) auch in unserer Zeit, wie zu allen Zeiten, weder in der Gesetzgebung, noch in der Jurisprudenz oder Rechtsprechung, sondern in der Gesellschaft selbst.«[17]

Teubner ist der Ansicht, ein Weltrecht, zumal ein demokratisches, könne nicht sozusagen von oben durch die Institutionen des internationalen oder Völkerrechts organisiert werden, sondern müsse von unten wachsen. Dem (vorwiegend amerikanisch bestimmten) »politisch-militärisch-moralischen Komplex« der sich einem neuen Weltfriedensrecht (new world order, »pax americana«) verschrieben habe, fehlten die Machtmittel, um die vielfältigen zentrifugalen Tendenzen einer globalisierten Zivilgesellschaft zu kontrollieren. Demokratie habe nur noch eine Chance, wenn politische Prozesse im Schwerpunkt lokal und regional abliefen. Teubner sieht daher ein staatsfernes, pluralistisches Weltrecht heraufziehen, das vor allem von den Subsystemen der Wirtschaft produziert wird. Das klingt zunächst so, als könnte man auf die alte Kategorie des Gewohnheitsrechts zurückgreifen. Später hat Teubner aber zutreffend darauf hingewiesen, dass das »echte« alte Gewohnheitsrecht unorganisiert »aus langfristigen Abläufen diffuser Kommunikation, besonders in traditionalen Gesellschaften« erwachsen sei, die Privatregimes des neuen Weltrechts dagegen in organisierten Entscheidungsprozessen von transnationalen Unternehmen, Fachverbänden und darauf spezialisierten Anwälten ausformulierte Regelwerke erhalten.[18] Teubner nimmt dennoch für sie Rechtsgeltung in Anspruch (u. 287.

Bei einer solchen Betrachtungsweise besteht die Gefahr, dass man sich in lange Diskussionen darüber verliert, was denn »eigentlich« als Recht anzusehen sei. Die Definitionsfrage als solche ist müßig. Man kann ihr ausweichen, indem man jeweils angibt, von welcher Art Recht man gerade redet, soweit sich das nicht schon aus dem Kontext ergibt, insbesondere, ob es um ein staatsfernes pluralistisches oder um ein hierarchisch gedachtes offizielles Weltrecht nach europäischem Muster geht. Tatsächlich entwickelt sich wohl beides aufeinander zu. Die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen schreitet auf allen Gebieten fort. Das gilt für die Ordnung politischer und wirtschaftlicher Beziehungen ebenso wie für die Ausbreitung der Menschenrechte und für die Gemeinwohlverpflichtung transnationaler Akteure. Was die Entwicklung des Weltrechts von dem europäischen Vergleichsmodell unterscheidet, sind vor allem drei Merkmale:

(2)      Die inzwischen sprichwörtliche Fragmentierung verhindert eine deutliche Hierarchisierung des Weltrechts.

(3)      Eine starke Schicht des Weltrechts wächst zunächst von unten ohne Zufluss aus den Quellen des offiziellen Völkerrechts.

(4)      Das Weltrecht ist eine Mischung von Hard Law und Soft Law. An die Stelle traditioneller Sanktionen treten, viel stärker als im nationalen Bereich, zivilgesellschaftlich ausgelöste Reaktionen (Monitoring, Publizität, Skandalisierung, Boykott und andere Protestaktionen).

Bei der Beschreibung der Phänomene sind sich die Beobachter weitgehend einig. Sie differieren jedoch in ihren theoretischen Erklärungsversuchen und geschichtsphilosophischen Interpretationen. Beides lässt sich nicht immer auseinanderhalten. Die Rechtssoziologie hat sich dabei in einer selbstgezimmerten Falle gefangen. Einerseits fühlt sie sich – mit gutem Grund – starken Werten verpflichtet. Es geht ihr um Menschenrechte, Demokratie, die Überwindung von Ungleichheit und die für das Gemeinwohl unerlässlichen öffentlichen Güter. Auf der anderen Seite hat sie die rechtlichen Instrumente, mit denen solche Werte durchgesetzt werden können, denunziert. Sie hat die Erosion von Staatlichkeit nicht nur beschrieben, sondern auch gefeiert, und jeden Gedanken an Hierarchie und Autorität zurückgewiesen. Sie hat die Unterscheidung von öffentlich und privat für obsolet erklärt und findet diese These in der Entwicklung des transnationalen Rechts bestätigt, weil staatliche Verwaltung sich dort in organisatorische Netzwerk- und Governmentstrukturen auflöse.

Für diese Einschätzung gab es gute Gründe, denn, mindestens rückschauend betrachtet, hat offizielles Recht, soweit überhaupt vorhanden, oft gerade das Gegenteil dessen bewirkt, was von ihm erhofft wurde. Das Gegenmodell baut daher auf Selbstregulierung und pluralistisches Recht. Diese Kombination gilt manchen geradezu als Befreiung aus den Fesseln des offiziellen Rechts. Aber – so Teubner in einer Diskussionsbemerkung –: Jeder dekonstruiert die öffentlich-private Grenze, aber keiner weiß sie zu ersetzen. »Polyzentrisch« taucht die Unterscheidung öffentlich-privat überall wieder auf. »Öffentlich« ist dabei der Gemeinwohlbezug von Recht. Die Teubner-Schule versucht, mit Mitteln der Systemtheorie zu zeigen, dass auch polyzentrische Selbstregulierung Gemeinwohlelemente in sich aufnehmen kann. Sie hat dazu viele kunstvolle Analysen vorgelegt. Aus größerer Distanz zeigt sich jedoch heute ein Entwicklungsmuster, in dem die Selbstregulierung auf Grenzen stößt.

[Dazu Luhmann RdG 574 Fn. 41]

Früher oder später greift das offizielle Recht auf Bereiche zu, die im Verlaufe der Globalisierung zunächst sich selbst überlassen waren. Das Ergebnis ist mehr als eine bloße Verdoppelung der Sitte, nämlich eine Verrechtlichung, die, wie erfolgreich auch immer, die über bloße Verhaltenskoordination und Konfliktvermeidung hinaus Gemeinwohleffekte haben soll.

Es ist sicher richtig, Prozesse der Globalisierung Rechtsentwicklung und damit auch der Globalisierung des Rechts an ihrer gesellschaftlichen Basis zu beobachten, und zwar allein schon deshalb, weil das offizielle Recht ohnehin viel deutlicher zu Tage liegt. Dagegen scheint es ausgeschlossen, die Systemleistung von Recht und Politik im Vergleich zu den Leistungen der gesellschaftlichen Peripherien zu gewichten. Beides lässt sich gar nicht vergleichen, sondern nur in seinem Miteinander oder Gegeneinander beschreiben. Es ist deshalb besser, auf eine Gesamtbewertung zu verzichten und im Detail die zum Globalisierungsprozess geleisteten Beiträge gesellschaftlicher Akteure und derjenigen Akteure, die im politischen oder im Rechtssystem handeln, zu beschreiben. Immerhin zeigt solche Beschreibung, dass manche Bereiche, die zunächst eine mehr oder weniger erfolgreiche Selbstregulierung praktizieren, am Ende doch vom offiziellen Recht eingefangen werden. Das gilt etwa für das Internet oder für die Corporate Social Responsability.

Noch bevor das offizielle Recht zugreift, endet die Reichweite der »Customs Theory of Law«. Die Grenze liegt bei dem Übergang von interpersonalen Vertrauensmechanismen zu einer unpersönlichen Institutionalisierung. Er ist Voraussetzung für jede Form ausgeprägter Arbeitsteilung, für Fernhandel und Kreditgeschäfte, für räumlich ausgedehnte Märkte und für Transaktionen, deren Abwicklung längere Zeit in Anspruch nimmt. Das ist das Thema der historischen Institutionenökonomik (Milgrom, North, Weingast u. a.), die auf die Bedeutung von Kaufmannsgilden, Städteverbindungen wie der Hanse oder auch die mittelalterliche Lex Mercatoria aufmerksam gemacht hat. Solche Institutionalisierung wiederholt sich auch im Zuge der Globalisierung, und deshalb werde ich im Verlauf der Darstellung immer wieder auf die Institutionenökonomik zurückkommen.

9.      Von kognitiven zu normativen Erwartungen

Schriften von Niklas Luhmann: Die Weltgesellschaft, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 57, 1971, 1-35; wieder abgedruckt in: Soziologische Aufklärung 2, 6. Aufl. 2009, 63 - 88; Rechtssoziologie, 2. Aufl., 1983; Rechtssoziologie, 2. Aufl. 1983; Das Recht der Gesellschaft (RdG), 1993, S. 555 f. und S. 571-586; Die Gesellschaft der Gesellschaft (GdG), 1973, S. 145-171.

Literatur: Marc Amstutz/Vaios Karavas, Weltrecht: Ein Derridasches Monster. in: Gralf-Peter Calliess u. a. (Hg.), Soziologische Jurisprudenz. Festschrift für Gunther Teubner 2009, 645–672; Volkmar Gessner, Global Approaches in the Sociology of Law: Problems and Challenges, Journal of Law and Society 22, 1995, 85-96; Ralf Rogowski, Aufbruch in das Weltrecht. Thesen zu Recht und Politik in Luhmanns Weltgesellschaft, IABLIS Jahrbuch für europäische Prozesse 2004.

Es liegt nahe, davon auszugehen, dass die aufziehende Weltgesellschaft einen großen Rechtsbedarf, hat, weil sie viel Unsicherheit mit sich bringt. Genau das Gegenteil behauptet Niklas Luhmann mit seiner These, dass sich in der Weltgesellschaft der evolutionäre Primat von normativen auf kognitive Mechanismen verlagert (1983:340; 2009: 78). Damit knüpft er an seine Unterscheidung von kognitiven und normativen Erwartungen (70 an. Er sieht die Weltgesellschaft als Wissensgesellschaft aufziehen.

»Achtet man auf die Erwartungsstrukturen, die jene universell gewordenen Interaktionsfelder der Wissenschaft und der Technik, der Wirtschaft, der öffentlichen Kommunikation von Neuigkeiten und des Reiseverkehrs orientieren, dann fällt ein deutliches Vorherrschen kognitiver, adaptiver, lernbereiter Erwartungen auf, während normative, Moral prätendierende und vorschreibende Erwartungen zurücktreten.« (2009:68)

Die Weltgesellschaft bildet sich also um die Funktionssysteme, in denen ein kognitiver Verhaltensstil vorherrscht. Für sie gilt,

»daß auf sehr hohe und funktionsspezifisch strukturierte Komplexität besser durch Lernprozesse als durch kontrafaktisches Festhaltenwollen vorgegebener Erwartungen reagiert wird.« (2009:79)

Für Luhmann (1971, 1983) konstituiert sich die Weltgesellschaft daher primär in kognitiven Erwartungen, während Recht bisher typisch aus enttäuschungsfesten, also normativen Erwartungen besteht. Zwar würden, so meinte Luhmann, kognitive Erwartungen normative nicht verdrängen und ersetzen. Ein Abbau von Recht oder gar ein »Absterben des Staates« zeichne sich nirgends ab. Doch werde sich das positive Recht weiter in Richtung auf den Einbau von Lernmöglichkeiten und den Abbau starrer Alles- oder Nichts-Regelungen verändern. Was das konkret bedeuten könnte, bleibt im Dunklen.

Gessner sieht eine globale Rechtskultur im Entstehen begriffen, die anders als die bekannten nationalen Rechtsordnungen mit kognitiven Elementen angereichert ist, eine kognitive globale Rechtskultur. Hier gelte statt »pacta sunt servanda« die »clausula rebus sic stantibus«, statt sanktionsbewehrter Verträge würden gentlemen’s-agreements getroffen und anstelle von Prozessen Verhandlungen geführt. Doch diese Entwicklung ist kein Spezifikum des transnationalen Rechtsverkehrs, sondern hat sich längst im nationalen Kontext angebahnt. Was sich hier auf der globalen Ebene abspielt, ist letztlich eine Wiederholung der Prozesse der Vertrauensbildung und Institutionalisierung, die aus der Theorie des relational contract (§ 65 IV) geläufig sind.

Nach der Interpretetation von Amstutz/Karavas wird dem Recht auf der Ebene der Weltgesellschaft in erster Linie die Aufgabe zugemutet, die Lernfähigkeit der anderen Funktionssysteme abzusichern. Am Beispiel von Corporate Social Responsibility (CSR) zeigen sie, dass die globalen Akteure durch Bildung von normativen Standards seitens der IGOs kognitive Ressourcen erhalten, an denen sie sich orientieren können, um eine Disziplinierung durch Skandalisierung, Reputationseffekte und Marktverlust zu vermeiden.

Interessanter ist ein anderes Phänomen, an das Luhmann kaum gedacht haben dürfte: Wissen zieht häufig Ansprüche nach sich, die schließlich nach rechtlicher Gewährleistung rufen. Es ist daher vorstellbar, dass die Ausbreitung bestimmter Wissensbestände auf Dauer auch eine normative Konvergenz der Weltgesellschaft nach sich zieht. Mit der Globalisierung wächst das Wissen über Lebensstandards, Verhaltensweisen und auch über das Recht der Menschen in anderen Teilen der Welt. In der Folge haben sich viele Verhaltensweisen rings um die Welt verbreitet. Fast überall trägt man Jeans, trinkt Coca Cola und telefoniert mit dem Handy. Die McDonaldisierung der Welt ist sprichwörtlich geworden.[19] Moden und Konsumgewohnheiten machen noch kein Recht. Aber dass das Wissen um die Freiheiten, Rechte und Standards in anderen Teilen der Welt schlägt in Anpsrüche um, und aus Ansprüchen werden früher oder später oft Rechte.

Man kann davon ausgehen, dass die Globalisierung zunächst die normativ rechtlichen Erwartungen verunsichert, so dass die Akteure kognitiv nach neuen Orientierungsmöglichkeiten suchen. Aber diese Änderung des Erwartungsstils ist wohl doch nur vorübergehend. Wenn man sich näher mit der Rechtsglobalisierung befasst, findet man, dass sich sehr bald neue normative Erwartungen herausbilden. Zwar mag die Eintrittswahrscheinlichkeit des erwarteten Verlaufs (noch) niedriger liegen als für das nationale Recht. Das ändert aber nichts daran dass die Akteure auf die sich herausbildenden transnationalen Rechtsnormen zugreifen und lernunwillig daran festhalten. Das stärkste Beispiel bieten die Menschenrechte.

10.  Welthandel und lex mercatoria

Literatur: Marc Amstutz/Vaios Karavas, Weltrecht: Ein Derridasches Monster. in: Gralf-Peter Calliess u. a. (Hg.), Soziologische Jurisprudenz. Festschrift für Gunther Teubner 2009, 645-672; Gralf-Peter Calliess/Peer Zumbansen, Rough Consensus and Running Code: A Theory of Transnational Private Law, Oxford 2010; Gralf-Peter Calliess/Moritz C. Renner, Rechtssicherheit ohne Staat?, in: Dieter Gosewinkel/Gunnar Folke Schuppert (Hg.), Politische Kultur im Wandel von Staatlichkeit, 2008, 205-222; A. Claire Cutler, Private Power and Global Authority, Transnational Merchant Law in the Global Political Economy, Cambridge, UK 2003; Thomas Dietz, Institutionen und Globalisierung, Eine empirische Untersuchung am Beispiel grenzüberschreitender Softwareverträge, 2010; ders., Relationale Verträge und Reputationsnetzwerke im internationalen Handel, Zeitschrift für Rechtssoziologie 30, 2009, 165-184; Nils Christian Ipsen, Private Normenordnungen als transnationales Recht?, 2009; Wioletta Konradi, The Role of Lex Mercatoria in Supporting Globalised Transactions: An Empirical Insight into the Governance Strukture of the Timber Industry, in: Volkmar Gessner (Hg.), Contractual Certainty in International Trade, Oxford 2009, 49-86[20]; Moritz C. Renner, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft? Öffentliche Interessen in privaten Rechtsregimes, Kritische Justiz 43, 2010, 62–69; Ursula Stein, Lex Mercatoria. Realität und Theorie, 1995; Gunther Teubner, Die unmögliche Wirklichkeit der Lex Mercatoria: Eine Kritik der théorie ludique du droit, in: Manfred Lieb u. a. (Hg.), Festschrift Zöllner, 1998, 565-588.

Internetquellen: Trans-Lex (Klaus Peter Berger), Datenbank zur »Kodifizierung« der »New Lex Mercatoria«, daraus abrufbar Klaus Peter Berger, The New Law Merchant and the Global Market Place; 2000; Gralf-Peter Calliess/Moritz C. Renner, From Soft Law to Hard Code: The Juridification of Global Governance (auch in Ratio Juris 22, 2009); Statistiken des Schiedsgerichtshofs bei der Internationalen Handelskammer in Paris (International Chamber of Commerce = ICC).

Leseempfehlung: Ralf Michaels, The True Lex Mercatoria: Law Beyond the State, Indiana Journal of Global Legal Studies 14, 2008, 447-468.

[Abschnitt ist wieder durcheinander. Muss noch einmal ganz überarbeitet und mit Vertragskapitel abgeglichen werden

Neu: Thomas Schultz, The Concept of Law in Transnational Arbitral Legal Orders and Some of its Consequences (Journal of International Dispute Settlement, 2011) on SSRN: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1805847.+ Schulte Rechtssoziologie, dort Hinweis auf Lieckweg; The Myth of the Customary Law Merchant]

Der internationale Handel stellt einen großen Teil der transnationalen Interaktionen überhaupt. Wenn es denn Ansätze zu einem privaten Weltrecht gibt, müssten sie sich hier finden lassen. Tatsächlich könnte sich auf diesem Feld eine vom offiziellen Recht abgelöste Rechtskultur entwickelt haben. Sie wird oft pauschal als lex mercatoria bezeichnet. Analog redet man von einer lex digitalis, lex sportiva, lex financiaria und anderen leges mehr.

Die Rede von der lex mercatoria geht auf das im Mittelalter entstandene, universale Gewohnheitsrecht des internationalen Kaufmannsstandes zurück. Diese »alte« lex mercatoria hatte sich in deutlichem Abstand zum römischen Recht in eigenständigen handels- und gesellschaftsrechtlichen Formen entwickelt und bis zu den nationalstaatlichen Kodifikationsbestrebungen des 18. und 19. Jahrhunderts fortbestanden. 1961 lenkte Clive Schmitthoff[21] die Aufmerksamkeit darauf, dass der internationale Handel sich außerhalb des staatlichen Rechts einen ganzen Komplex von Regeln geschaffen habe, den er als nova lex mercatoria (new law merchant) bezeichnete. Seither ist diese Rechtsmasse erheblich angewachsen. Vor allem aber gibt es seit einem halben Jahrhundert einen immer noch andauernden Streit über die »Rechtsnatur« und die Bewertung der neuen lex mercatoria. In die Rechtssoziologie ragt dieser Streit hinein, weil die lex mercatoria als Prototyp staatsfreier Selbstregulierung und darüber hinaus als Emergenzphänomen, nämlich als genuin globales Recht, in Anspruch genommen wird.

Die neue lex mercatoria soll gleich ihrem historischen Vorbild aus einer Ausweichbewegung entstanden sein, in welcher der internationale Handel die als unzureichend empfundenen nationalen (damals: partikularen) Rechte zu umgehen sucht. Als Defizite staatlichen Rechts werden immer wieder genannt: das Fehlen spezifischer Normen, die auf die Bedürfnisse modernen Handelsverkehrs abgestimmt sind, die Schwerfälligkeit und Unkundigkeit der staatlichen Gerichte, welche dazu tendieren, vertragliche Beziehungen nach Maßgabe des vertrauten nationalen Rechts auszulegen statt nach international einheitlichen Standards, der Mangel an Sicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Zuordnung transnationaler Transaktionen zum Recht eines oder mehrerer Staaten durch das nationalstaatliche Kollisionsrecht sowie die damit verbundene Willkür in der Rechtswahl, das fehlende Vertrauen in die Unparteilichkeit nationaler Gerichte und schließlich die Schwierigkeit, im Ausland zu vollstrecken.

Aus solchen Gründen ist der internationale Handel dazu übergegangen, die nationalen Rechte durch Standard- oder Musterverträge zu ersetzen und deren einheitliche Auslegung in die Hände einer sich rasch entwickelnden internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit zu legen. Mittlerweile wird kaum noch ein internationaler Vertrag ohne Schiedsgerichtsklausel geschlossen. Die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit hat sich im Laufe der Jahrzehnte organisatorisch verfestigt. Ein Zentrum bildet der Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris.

Die Schiedsgerichte sind, soweit die Partein es ihnen nicht vorschreiben, nicht an das Recht eines bestimmten Staates gebunden. Gebunden sind sie deshalb auch nicht an die Kollisionsregeln des IPR: Sie stützen ihre Entscheidungen auf einen Mix aus Anleihen bei nationalen Rechten, allgemeinen Rechtsgrundsätzen und freier Rechtsfindung. Gleichzeitig haben sich reflexive Mechanismen entwickelt, durch die sich Spruchpraxis, kommerzielle Praxis und Rechtswissenschaft zusammenschließen. Schiedsrichter beziehen sich auf Entscheidungen ihrer eigenen wie anderer Schiedsinstitutionen, auch ohne dass diesen formelle Präjudizwirkung zukäme, und ermöglichen so den sukzessiven Aufbau eines spezifischen Fallrechts. Schiedssprüche werden in global verfügbaren Publikationsorganen für Wissenschaft und Praxis zugänglich gemacht, auf die gemeinsamen Grundprinzipien hin durchleuchtet und in internationalen Verträgen berücksichtigt. Das alles wird, zum Teil fortlaufend, aufgelistet und zusammengefasst, so dass Berger von einer »schleichenden Kodifikation« der lex mercatoria sprechen kann.

Solche Zusammenfassungen sind die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, Die Principles of European Contract Law der Lando-Kommission, die CENTRAL-Liste des Centers für Transnational Law oder die Kölner Translex-Datenbank. Hinsichtlich der Organisationen, die sich mit der laufenden Zusammenfassung des Rechts der internationalen Vrträge befassen, ist von Formulating Agencies die Rede. Die wissenschaftliche Aufarbeitung ist bedeutend; z. B. Marcel Fontaine/Filip De Ly, Drafting International Contracts, An Analysis of Contract Clauses, Ardsley, Nijhoff, Leiden 2009.

Vermutlich wird über die lex mercatoria mehr geredet und geschrieben als danach gehandelt. Es fehlt eine brauchbare rechtstatsächliche Bestandsaufnahme. Die wäre auch schwierig, weil die Grundgesamtheit unbekannt ist, so dass man immer nur mit Beispielen arbeiten kann. Konradi (2009:51) sieht ein Defizit der Diskussion darin, dass die immerhin vorhandenen empirischen Arbeiten[22] weitgehend ignoriert werden.

Als solche kommen in Betracht: Yves Dezalay/Bryant Garth, Dealing in Virtue. International Commercial Arbitration and the Construction of a Transnational Legal Order, University of Chicago Press, 1996; dies., Merchants of Law as Moral Entrepreneurs: Constructing International Justice from the Competition for Transnational Business Disputes, Law and Society Review 29, 1995, 27–64; Tilmann J. Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen »Weltverkehr«, Das Erdbeben von San Francisco und die internationale Standardisierung von Vertragsbedingungen (1871-1914), 2006, insbes. S. 317 ff., 330 ff.; Fabian Sosa, Vertrag und Geschäftsbeziehung im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr, 2007; Ursula Stein, Lex Mercatoria. Realität und Theorie, 1995.

2009 wurden beim Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris 817 Verfahren anhängig gemacht, und 415 Fälle wurden entschieden. [23] Das ist eine stattliche Zahl, die aber doch schwierig einzuordnen ist. [24]

Grafik aus http://www.iccwbo.org/court/arbitration/index.html?id=34704 hier. xxxNeue Zahlen

Die reale Ausdehnung und praktische Bedeutung bleibt trotz vieler Bemühungen unklar. Deshalb ist die lex mercatoria ein Musterbeispiel dafür, wie sehr die Wahrnehmung der Rechtswirklichkeit und in der Folge auch ihre sozialtheoretische Analyse von normativen Vorannahmen getönt ist. Unabhängig davon zeigen sich jedoch an der lex mercatoria exemplarisch Mechanismen und Strukturen globaler Rechtskulturen, ihre Entstehungsweisen und ihre Austauschbeziehungen mit den Strukturen der nationalen Gesellschaften und des internationalen Systems.

In der Rechtswissenschaft wurde die lex mercatoria von Anfang an unterschiedlich bewertet. Während Schmitthoff sich auf eine analysierende Beschreibung beschränkt hatte, begründete Goldman[25] 1964 eine Tradition, die die lex mercatoria als das selbstgeschaffene Recht der internationalen Wirtschaft ansieht. Es soll sich um ein autonomes Rechtssystem mit eigenen Quellen und Regeln handeln, das sich soweit von staatlichem und internationalem Recht freigeschwommenhat, dass es nicht einmal mehr auf dessen Duldung angewiesen ist. Dagegen steht die traditionelle Sichtweise, die den Geltungsgrund auch der lex mercatoria letztlich im offiziellen Recht sucht und findet. Parallel zu der unterschiedlichen rechtstheoretischen Einordnung läuft eine unterschiedliche Bewertung. Die einen loben die lex mercatoria als Befreiung der Märkte aus den Fesseln staatlicher Regulierung. Andere sehen die lex mercatoria kritisch, weil sie sich dem offiziellen Recht entzieht und die Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen nicht gewährleistet ist.

Diese Kontroverse spiegelt sich auch in der Rechtssoziologie. Das gilt sowohl für die normative Einschätzung als auch für die theoretische Analyse. Vor allem Teubner, seine Schüler und Anhänger (Amstutz, Calliess, Fischer-Lescano), die bei der Analyse einem systemtheoretischen Ansatz folgen, sehen in der lex mercatoria die Rechtsschöpfungskräfte einer globalen Zivilgesellschaft am Werk und finden darin »Konstitutionalisierungspotentiale«, die Gemeinwohlinteressen nicht unberücksichtigt lassen und letztlich zu einer Rechtsordnung jenseits des Staates führen können (u. § 97III. Für Cutler dagegen bilden sich mit der lex mercatoria angetrieben vom »liberalen Mythos« eines unpolitischen überstaatlichen Privatrechts hegemoniale Strukturen heraus.

Garth und Dezalay meinten sogar, die neue lex mercatoria sei von »grand old professors from France and Switzerland« erfunden worden, um damit Schiedsgerichtsverfahren für die Lösung internationaler Handelsstreitigkeiten zu propagieren und auf diesem Wege der neu gewonnenen Souveränität der Entwicklungsländer etwas entgegenzuhalten (S. 39, 85 ff). Die Schiedsrichter zögerten, sich auf eine autonome lex mercatoria zu berufen. Tatsachlich gab es nach 1960 zwei Jahrzehnte hindurch Streitigkeiten zwischen Ölkonzernen und den Regierungen von Förderländern, in denen die Unternehmen sich mit der Berufung auf die lex mercatoria in Schiedsgerichtsverfahren gegen die Forderung nach einer Neuverhandlung ihrer Konzessionen oder gar nach einer Enteignung gewehrt haben. Neue Vertragstechniken hätten eine Berufung auf die Prinzipien und Generalklauseln der lex mercatoria jedoch überflüssig gemacht und und auch in den Entwicklungsländern habe man inzwischen gelernt mit dem Internationalen Vertragsrecht und den Schiedsgerichten umzugehen. Damit habe die lex mercatoria ihre Funktion zum Teil verloren (S. 91).

Wieder andere, mich eingeschlossen, sind der Ansicht, dass die lex mercatoria nur eine Übergangserscheinung ist, die früher oder später vom offiziellen Recht eingefangen wird. Man erinnere sich daran, wie staatliches Recht über lange Jahrzehnte Allgemeine Geschäftsbedingungen als »selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft« geduldet und sich mit einer auf den Extremfall beschränkten Missbrauchskontrolle begnügt hat, bis es dann begann, zunächst national und dann auf europäischer Ebene aktiv die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Grenzen zu zwingen.

Folgt man Teubner, so geht es bei der lex mercatoria um die Alternative staatliches oder gesellschaftliches Recht. Aber so stellt sich die Frage nur für eine juristische Rechtsquellenlehre.

Dort unterscheidet man zwischen präskriptiv juristischen und und genetisch-soziologischen Rechtsquellen (Röhl/Röhl, Allg. Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, 519). Die juristischen sind Rechtsgeltungsquellen, Die »soziologischen« Rechtserzeugungsquellen. Als »soziologische« Rechtsquellen kommen alle Umstände in Betracht, die auf das Verhalten der Rechtsgenossen, vor allem aber auf die Entscheidungen der zuständigen Stellen, des Parlaments oder der Gerichte, einwirken. Normen und Institutionen, die zunächst als gesellschaftliche außerhalb des Staates entstehen, werden auf verschiedenen Wegen in das staatliche inkorporiert oder transformiert (Michaels S. 14; Röhl/Röhl S. 553;). Sie werden entweder unmittelbar in Gesetze übernommen, im Fall der lex mercatoria etwa in das Handels- und Wirtschaftsrecht, sie werden indirekt als Verkehrssitte oder Handelsbrauch einbezogen oder eine nichtstaatliche Institution wird qua Delegation ermächtigt, Entscheidungen oder Normen mit Rechtsgeltung zu produzieren.

Für die Rechtssoziologie gibt es dieses Entweder – Oder nicht. Sie behandelt den Staat als eine formale Organisation, die über einige Wirkungsmöglichkeiten verfügt, die anderen Institutionen fehlen. Für sie ist staatliches Recht eine bloße Tatsache und als solche nicht nur ausnahmsweise, sondern beinahe regelmäßig gesellschaftlich erzeugt.

Max Weber meinte, die staatliche Garantie der Rechte sei rein theoretisch betrachtet für keine grundlegende ökonomische Erscheinung unentbehrlich.[26] In der Tat, die Wirtschaft war und ist für die ersten Schritte zur Globalisierung nicht auf ein besonderes Recht angewiesen. Der internationale Handel funktioniert seit eh und je auch ohne staatlich garantierte Verträge. Wie das möglich ist, erklärt die ÖAR unter der Überschrift »Institutionenökonomik internationaler Transaktionen«.

Historische Untersuchungen zeigen verschiedene Möglichkeiten, ohne einen Staat, der zur Durchsetzung geschlossener Verträge bereit steht, einen florierenden Tauschhandel zu treiben.[27] Avner Greif hat die Organisation der Handelsbeziehungen Genueser Kaufleute, die sich auf ein formelles Rechtsystem stützen konnten, und Handelsbeziehungen jüdischer Kaufleute im Maghreb, wo ein solches System fehlte, verglichen. Er zeigt, wie religiöse und kulturelle Einstellungen im jüdisch-moslemischen Maghreb im 11. Jahrhundert zu einer ganz anderen Organisation des Handels geführt haben als im christlichen Genua. Die Genueser Kaufleute hatten Schwierigkeiten, wenn sie auswärts Vertreter für sich tätig werden lassen wollten. Sie setzten dazu ausführliche Verträge auf, entwickelten ein spezifisches Recht der Handelsvertretung und schalteten die Gerichte ein, wenn sie von ihren Vertretern übervorteilt wurden. Die Kaufleute aus dem Maghreb dagegen setzten sich wechselseitig als Vertreter ein, sie tauschten ihre Informationen untereinander aus. Wenn einer ausscherte und zu betrügen versuchte, wurde er von weiteren Geschäftsbeziehungen ausgeschlossen. Förmliche Verträge und ein spezifischer Vollzug der Strafe waren nicht erforderlich. Der Gewinn aus dem Handel war relativ gleichmäßig verteilt. In Genua dagegen hatten die Agenten wenig zu verlieren. Andererseits machten ihre kulturellen Einstellungen es den Kaufleuten unmöglich, sich wechselseitig als Vertreter einzusetzen. Auf lange Sicht hat sich aber doch die Entwicklung eines formellen Handelsrechts, wie sie von Norditalien ihren Ausgang nahm, als überlegen erwiesen. Anscheinend funktionieren die vertrauensbasierten Austauschbeziehungen nur solange, wie sie von homogenen religiösen und kulturellen Einstellungen getragen werden. Auch die Größenordnung und Ausdehnung des Handelsverkehrs könnte von Bedeutung sein, vielleicht auch nur indirekt, weil Größe die Homogenität der Einstellungen zerstört.

In neuerer Zeit besteht das Recht des internationalen Handels und der Wirtschaft aus einer Mischung und Verflechtung von gesellschaftlich erzeugtem und staatlichem Recht. Die Inhalte, etwa in Gestalt von Standardverträgen, werden eher von den Akteuren geprägt. Zur Durchsetzung stehen immer auch staatliche Institutionen bereit, und die Marktteilnehmer treffen zwischen beiden ihre Wahl.

Aber auch die Schiedsgerichtsbarkeit hängt letztlich am Tropf des offiziellen Rechts. Das »vermeintliche ›private justice system‹ der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit [ist] von einer komplexen Interaktion privater und öffentlicher Akteure in Regelsetzung und -durchsetzung geprägt« (Renner 2010:64). Das ICSID etwa als Dachorganisation für Schiedsgerichts- und Schlichtungsverfahren in internationalen Investitionsstreitigkeiten ist auf der Grundlage internationaler Investitionsschutzabkommen eingerichtet eingerichtet worden und steht unter dem Dach der Weltbank. In Deutschland kümmern sich die Industrie- und Handelskammern und die Schiedsgerichtsbarkeit. Noch produziert das »Weltrecht ohne Staat« keine Vollstreckungstitel. Dazu ist immer noch der Umweg über staatliches Recht notwendig. Schiedsgerichtsurteile können in den meisten Staaten in offizielle Vollstreckungstitel umgewandelt werden.[28] Auch wenn eine Vollstreckung praktisch wohl nur selten vorkommt[29], so ist es doch diese Möglichkeit, die der Schiedsgerichtsbarkeit letztlich Zähne verleiht. Bevor es zur Vollstreckung kommt, werden Schiedsgerichtsurteile mindestens auf den sog. ordre public hin überprüft. Bisher hat kein Staat auf den Ordre-Public-Vorbehalt verzichtet. Die Europäische Union verlangt auch die Einhaltung ihres Wettbewerbsrechts.

[Auf Drängen der Weltbank haben 144 Staaten die International Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of other States, bekannt als Washington Convention, unterzeichnet.]

Die Frage, ob die lex mercatoria autonomes staatsfreies Recht sei, die Teubner 1996 aufgeworfen hatte und die ihn und andere seither umtreibt, ist ein Kunstprodukt der Systemtheorie (u. § 97III). Michaels sieht in der lex mercatoria und darüber hinaus im internationalen Handels- und Wirtschaftsrecht eine Hybriderscheinung von offiziellem und gesellschaftlichem Recht. Die lex mercatoria sei nicht Recht ohne Staat, sondern Recht jenseits des Staates. Von Hybridisierung, so betont er selbst, redet man immer, wenn man nicht mehr weiter weiß. Obwohl der Begriff nicht fällt, ist wohl gemeint, dass man die lex mercatoria als Emergenzphänomen ansehen müsse, also als Teil eines neuartigen, seiner Natur nach globalen Rechts. Aber auch das ist letztlich nicht hilfreich.

11.  Andere Felder der Selbstregulierung: Internet, Sport, Finanzmarkt und Rechnungslegung

Es ist üblich geworden, die Themenfelder, für die sich eine globale Selbstregulierung entwickelt haben soll, nach dem Vorbild der lex mercatoria mit latinisierten Überschriften zu versehen: lex digitalis, lex sportiva, lex financiaria usw. Das berührt eher komisch, ist aber nicht harmlos, denn hier, wie so oft, wirkt die Eigendynamik der Begriffe: Hinter so markanten Begriffen muss sich doch etwas verbergen. Doch zu Euphorie ist kein Anlass. Dies vorausgeschickt werden diese Begriffe auch hier als Überschriften verwendet.

a)      Internet

Literatur: Leonhard Dobusch/Sigrid Quack, Urheberrecht zwischen Kreativität und Verwertung. Transnationale Mobilisierung und private Regulierung, MPIfG Discussion Paper 2010/6, http://www.mpifg.de/pu/mpifg_dp/dp10-6.pdf.; Jack L. Goldsmith/Tim Wu, Who Controls the Internet?, Illusions of a Borderless World, Oxford 2006; David R. Johnson/Susan P. Crawford/John G. Palfrey, Jr., The Accountable Internet: Peer Production of Internet Governance, Virginia Journal of Law and Technology 9, 2004, 1-33; Vaios Karavas/Gunther Teubner, http://www.CompanyNameSucks.com: Drittwirkung der Grundrechte gegenüber »Privaten« im autonomen Recht des Internet?, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Karl-Heinz Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet, 2003, 249-272; Anne Röthel, Lex Mercatoria, Lex Sportiva, Lex technica: -- Private Rechtssetzung jenseitw des Nationalstaats?, Juristenzeitung 2007, 755-762; Lawrence B. Solum, Models of Internet Governance, Illinois Public Law Research Paper, 2008; Phil Weiser, The Future of Internet Regulation, U of Colorado Law Legal Studies Research Paper, 2009; Mary Rundle, Beyond Internet Governance: The Emerging International Framework for Governing the Networked World, Berkman Center Research Publication, 2005.

[Mit Solum vgl. Rsozblog überarbeiten]

Eric Null (Cardozo Law School) has posted The Difficulty with Regulating Network Neutrality (Cardozo Arts and Entertainment, Vol. 29, pp. 459-493, 2011) on SSRN: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1946266.

Leseempfehlung: Nils Christian Ipsen, Private Normenordnungen als transnationales Recht?, 2009, S. 104-128.

Thomas Hoeren, Das Pferd frisst keinen Gurkensalat: Überlegungen zur Internet Governance, in: Jan Vom Brocke/Jörg Becker (Hg.), Einfachheit in Wirtschaftsinformatik und Controlling, Festschrift für Heinz Lothar Grob, München 2008, S. 207-221.

Das Internet galt lange als Musterbeispiel einer sich selbst regulierenden Anarchie, die staatlichem Zugriff nicht zugänglich sei. Verbreitet war sogar die Ansicht, das Internet bewege sich im Cyberspace auf einem Territorium mit eigenem Souveränitätsanspruch, auf das die Staaten gar nicht zugreifen dürften.

»Governments of the Industrial World, you weary giants of flesh and steel, I come from Cyberspace, the new home of Mind. On behalf of the future, I ask you of the past to leave us alone. You are not welcome among us. You have no sovereignty where we gather.«

So beginnt die berühmte »Declaration of Independence of Cyberspace« von John Penny Barlow. Vermutlich ist das Internet auch deshalb so rasant gewachsen, weil es zunächst von externer Regelung frei blieb und sich selbst organisieren konnte. Die Selbstregulierung beschränkte sich jedoch auf die vornehmlich softwaretechnischen Standards und die Zuteilung von Internetadressen als Zugangsvoraussetzung. Inzwischen hat man die Erfahrung gemacht, dass eine Gruppe nur bis zu einer bedingten Größe ohne hierarchische Herrschaftsstrukturen und die Möglichkeiten zur Sanktion der Handlungen von Drittstörern funktioniert.

Die Zugangsadressen (Domainnamen) verwaltet die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), eine privatrechtlich verfassten Einrichtung mit Sitz in Kalifornien, die ihre Autorität aus Verträgen mit dem US-Handelsministerium bezieht. Die ICANN macht die Unterwerfung unter das Schiedsverfahren der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP) zum Bestandteil jeder Vereinbarung über die Vergabe von Domainnamen. In diesem Verfahren werden auch Konflikte zwischen Domainnamen und Markenrechten behandelt. Die Entsheidungen können jedoch vor staatlichen Gerichten angefochten werden. Dadurch, dass ICANN die Entscheidungen der Schiedsgerichte durch Löschung oder Übertragung umstrittener Domainnamen unmittelbar elektronisch vollstrecken kann, ist die Regelung zunächst unabhängig vom offiziellen Recht. Aber das ist grundsätzlich nicht anders als etwa die Möglichkeit herkömmlicher Telefonunternehmen, die Leitung abzuschalten.

Mit der rasanten Ausdehnung des Internets und seiner Kommerzialisierung ist die Fähigkeit zur Selbstregulierung geschwunden. Wegen Globalität des Netzes ist unter der Führung der UNO ein internationaler Regulierungsdiskurs entstanden, an dem auch die Stakeholder beteiligt werden.[30] Das Internet hat gleich mehrfachen Regulierungsbedarf.

        Es braucht Regeln, damit es überhaupt funktionieren kann. Dazu zählt die technische Standardisierung, die Zuteilung von Domainnamen als Zugangsvoraussetzung und der Schutz gegen Spam und Hacking sowie der Datenschutz.

        Es braucht Regeln für den Wettbewerb der Betreiber untereinander und für den freien Zugang des Publikums.

        Es braucht Regeln für den Umgang mit den durch das Netz möglichen Rechtsverstößen im Allgemeinen und für den Schutz von Urheberrechten im Besonderen.

Die staatlichen Rechtsordnungen haben Mittel und Wege gefunden, um auf das Internet regulierend zuzugreifen. Das geschieht wenigr mit technischen Mitteln (Abschalten, Filtern) als durch den Zugriff auf Anbieter und Nutzer (Goldsmith/Wu). Längst zeichnet sich auch ein globales Internet-Regime ab (Rundle 2005).

Spätestens seit die Münchener Staatsanwaltschaft 1998 gegen die Firma Compuserve vorging, mit deren Hilfe man auf pornographische Darstellungen zugreifen konnte, mehrten sich in Deutschland die Rufe nach einer rechtlichen Regulierung. Sie erhielten 2009 einen Schub durch ein Gesetz, dass Kinderpornographie im Internet unzugänglich machen sollte. Im gleichen Jahr sperrte China den Zugang zur Suchmaschine Google und Pakistan sperrte den Zugang zum sozialen Netzwerk »Facebook« (weil dort zu einem Mohammed-Zeichenwettbewerb aufgerufen worden war). Man kann kaum noch argumentieren, dass es technisch und praktisch unmöglich sei, das Internet zu regulieren.

[Es ist ein gut gepflegtes Märchen, dass die Internetkommunikation sich dem Zugriff des Rechts entziehe. Das Internet ist alles andere als anonym. Jeder Nutzer wird gleich von mehreren Stellen im Netzwerk erkannt. Jede seiner Aktionen wird irgenwo gespeichert. So gibt es Anonymität nur gegenüber dem durchschnittlichen anderen Nutzer, nicht aber gegenüber den Anbietern von Inhalten und den Providern. Genauer: drei Stufen: 1 technisch extern Abschaltung, 2. Technisch intern Filter 3. Rechtlich extern: Zugriff auf Provider und Nutzer xxx]

b)      Lex financiaria

Literatur: Sebastian Botzem, Standards der Globalisierung – Die grenzüberschreitende Regulierung der Unternehmensrechnungslegung als Pfadgestaltung, 2010. Kurzfassung in WZB-Mitteilungen Heft 125/September 2009, S. 13-15: Experten ohne Kontrolle. Die Grenzen globaler Selbstregulierung der Rechnungslegung.

[abstimmen mit oben Regulierung Finanzmarktxxx]

Für die Rechnungslegung transnationaler Unternehmen gelten die International Accounting Standards (IAS). Sie sind das Produkt einer Selbstregulierung der Wirtschaft, das vom International Accounting Standards Board (IASB) verantwortet wird, der von vorwiegend amerikanischen Experten der vier global tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beherrscht wird. Das alte deutsche Handelsrecht ging bei seinen Bilanzierungsvorschriften vom Vorsichtsprinzip aus, das in erster Linie an den Interessen der Gläubiger orientiert war. Alle Wirtschaftsgüter wurden grundsätzlich zu Einstandspreisen bilanziert und laufend abgeschrieben. Wertsteigerungen gegenüber dem Bilanzwert blieben unberücksichtigt und begründeten stille Reserven. Die IAS folgen dem Prinzip des »beizulegenden Zeitwerts« (fair value accounting). In der Bilanz steht also der Markt- oder Verkehrswert. Diese Regel hat einen prozyklischen Effekt. Im Aufschwung steigen die Preise und damit die Bilanzwerte, im Abschwung sinken sie entsprechend. Es wird angenommen, dass die IAS wegen dieser Mechanik die 2008 einsetzende Finanzkrise erheblich verschärft haben. Deshalb, aber auch wegen der unkontrollierten Macht der im IASB tätigen Experten wird wohl die sich bevorstehende Regulierung des Finanzmarktes voraussichtlich auch auf die IAS erstrecken.

c)        Lex sportiva

Literatur: Nils Christian Ipsen, Private Normenordnungen als transnationales Recht?, 2009, S. 129-156.

Internetquellen: Martin Nolte, Vereinbartes Recht am Beispiel der lex sportiva (Wechselwirkungen zwischen »lex sportiva« und »lex extra sportiva« – DFG-Rundgespräch »Privates Recht« am 23. April 2010 an der Bucerius Law School in Hamburg).

Seit der Wiederaufnahme der olympischen Idee 1894 als »Treffen der Jugend der Welt« ist der Sport transnational. Solange der Sport Amateurangelegenheit blieb, funktionierte auch hier die Selbstregulierung sehr gut. Doch mit der Kommerzialisierung, die mit Boxkämpfen, Baseball und Fussball begann und durch die Vermarktung im Fernsehen ein enormes Ausmaß erreicht hat, ist ein Regulierungsbedarf entstanden, den die »privaten« Vereine und Verbände nicht länger abdecken. Das wurde spätestens durch die Bosman-Entscheidung des EUGH aus dem Jahre 1995 klar.

Die selbst gesetzten Regelwerke der Sportorganisationen haben eine nationale, eine europäische und eine internationale Ebene. Dabei herrscht eine klare hierarchische Ordnung. Die internationalen Regeln sind für die europäische (und vergleichbare übernationale) und die nationale Ebene mindestens als Rahmenrecht bindend. Analog dazu ist die Regelung von Streitigkeiten beim Court of Arbitration for Sport (CAS), einer Stiftung Schweizerischen Rechts, zentralisiert. Kein anderes globales Rechtsregime ist so perfektioniert und so effektiv. Grenzen ziehen ihm praktisch nur die allgemeinen Gesetze (Strafrecht, Haftungsrecht, Arbeitsrecht, Wettbewerbsrecht).

12.  Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsability)

Literatur: Marc Amstutz/Vaios Karavas, Weltrecht: Ein Derridasches Monster. in: Gralf-Peter Calliess u. a. (Hg.), Soziologische Jurisprudenz. Festschrift für Gunther Teubner 2009, 645–672; Subhabrata Bobby Banerjee, Corporate Social Responsibility, The Good, the Bad and the Ugly, Cheltenham 2007[31]; Eva Maria Belser, The White Man’s Burden. Arbeit und Menschenrechte in der globalisierten Welt, Bern 2007; Nicole Deitelhoff/Klaus Dieter Wolf (Hg.), Corporate Security Responsibility? Corporate Governance Contributions to Peace and Security in Zones of Conflict, Basingstoke 2010; Olaf Dilling/Martin Herberg/Gerd Winter (Hg.), Responsible Business, Self-Governance and Law in Transnational Economic Transactions, Oxford 2008; Martin Herberg, Globalisierung und private Selbstregulierung, Umweltschutz in multinationalen Unternehmen, 2007; ders., Codes of Conduct und kommunikative Vernunft, Rechtssoziologische Überlegungen zu den umweltbezogenen Selbstverpflichtungen transnationaler Chemiekonzerne, Zeitschrift für Rechtssoziologie 22, 2001, 25; Klaus Hopt, Globalisierung der Corporate Governance, in: Karl Hohmann u. a. (Hg.) Wirtschaftsethik der Globalisierung, 2005, 81–102 (Grundsätze zur Transnationalisierung der Unternehmensverfasungen); Anne Miriam Schneuwly, Corporate Social Responsability an der Schnittstelle von Wirtschaft, Recht und Politik, 2012; Eva Senghaas-Knobloch, Internationale Arbeitsregulierung, Aus Politik und Zeitgeschichte 2010, Heft 34-35, S. 27-33; Gunther Teubner, Codes of Conduct multinationaler Unternehmen, in: Armin Höland u. a. (Hg.), Arbeitnehmermitwirkung in einer sich globalisierenden Arbeitswelt, 2005, 109–118; ders., Selbst-Konstitutionalisierung transnationaler Unternehmen? Zur Verknüpfung »privater« und »staatlicher« Corporate Codes of Conduct, in: Stefan Grundmann u. a., Unternehmen, Markt und Verantwortung. Festschrift für Klaus Hopt, 2010, 1449-1470; Gerd Winter (Hg.), Die Umweltverantwortung multinationaler Unternehmen. Selbststeuerung und Recht bei Auslandsdirektinvestitionen, 2005; Reingard Zimmer, Soziale Mindeststandards und ihre Durchsetzungsmechanismen, 2008.

Internetquellen: Larry Catá Backer, Multinational Corporations as Objects and Sources of Transnational Regulation, ILSA Journal of International & Comparative Law 14, 2008, 1–26 (eine Fallstudie am Beispiel von GAP, wie Konzerne sowohl ihre Zulieferunternehmen als auch die Absatzketten an die Standards ihrer Corporate Codes binden und den Vertragsmechanismus auch dazu nutzen, schlagkräftige Überwachungs- und Sanktionssysteme einzuführen); Jennifer Howard-Grenville/Jennifer Nash/Cary Coglianese, Constructing the License to Operate: Internal Factors and Their Influence on Corporate Environmental Decisions, Law and Policy 30, 2008, 73–107 (Analyse des Zusammenhangs von externem Druck und interner Unternehmensstruktur); Martin Herberg, Entkoppeltes Recht? Die Umweltstandards multinationaler Konzerne zwischen Informalität und Verrechtlichung, 2005. Eine Broschüre »Towards greater corporate responsibility – Conclusions of EU-funded research« fasst die Ergebnisse der sozio-ökonomischen Forschungsprojekte innerhalb des 6. Forschungsrahmenprogramms zum Thema »Corporate Social Responsibility« zusammen.

Neu: Anne Miriam Schneuwly, Corporate Social Responsability an der Schnittstelle von Wirtschaft, Recht und Politik, Transnationales CSR-soft law im globalen Kontext, Basel 2012

Unter Corporate Social Responsability (CSR – Unternehmensverantwortung) versteht man die (mehr oder weniger) freiwillige Übernahme von Verantwortung für soziale und ökologische Belange und für die Einhaltung der Menschenrechte durch Wirtschaftsunternehmen.

Seit den frühen 1970er Jahren wurde die Ausbreitung multinationaler Unternehmen zum Thema und damit entstand auch die Forderung nach Kontrolle ihrer ökonomischen und letztlich auch politischen Macht zum Schutz der Souveränität besonders der Entwicklungsländer. Später trat die Sorge um die Durchsetzung von Menschenrechten und Umweltstandards hinzu. So entstand auf vielen Ebenen, innerstaatlich, bei IGOs und INGOs und nicht zuletzt in der Rechtswissenschaft ein umfangreicher Diskurs über die Möglichkeiten einer Kontrolle multinationaler Unternehmen. Zum zentralen Ansatzpunkt wurde das Konzept der CSR.

CSR ist an sich keine Besonderheit von TNCs (o. § 77III.). Bei TNCs gewinnt CSR jedoch eine spezifische Problematik, weil längst nicht alle Länder, in denen sie tätig werden, die Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards in gleicher Weise verrechtlicht haben wie etwa Deutschland. Daher geht es bei der CSR von TNCs nicht bloß um Governance und Compliance im Sinne der Beachtung staatlicher Gesetze, sondern um die Einhaltung von Normen, die rechtstechnisch gesehen zunächst nur Empfehlungen im Sinne von Soft Law darstellen. Die Reichweite der Gewerkschaften in transnationalen Unternehmen ist begrenzt. Sozialbewegungen, NGOs und Medien spielen daher heute für transnationale Unternehmen eine ähnliche Rolle wie früher Tarifsystem, Mitbestimmung und Streikrecht.

Die UN, die OECD und die ILO haben Leitlinien (Guidelines) aufgestellt, welche die CSR inhaltlich umreißen und die Unternehmen auffordern, sie durch eigene Codes of Conduct für sich verbindlich zu machen.

Die OECD Guidelines for Multinational Enterprises sind Empfehlungen, die die Mitgliedsstaaten an Unternehmen richten, die auf ihrem Territorium oder von dort aus tätig werden. Sie haben Standards für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung zum Inhalt, die sich auf Menschenrechte, Umwelt, Arbeitsbeziehungen, die Offenlegung von Informationen, die Bekämpfung von Korruption, Interessen der Verbraucher, Forschung und Entwicklung, Wettbewerb und Besteuerung beziehen. Außer den 30 Mitgliedsstaaten haben weitere zwölf Länder die Leitlinien unterzeichnet. Da die meisten TNCs ihren Stammsitz in einem Staat haben, der die Leitlinien akzeptiert, »gelten« sie für die ganz große Mehrzahl aller wichtigen TNCs.

Die ILO-Kernarbeitsnormen (Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy (MNE Declaration) der ILO (International Labour Organization) fordern die multinationalen Unternehmen nicht nur auf, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten und die Arbeitsverhältnisse in bestimmter Weise auszugestalten, sondern empfehlen auch die Zusammenarbeit mit Regierungen und Behörden, die Schaffung nachhaltiger Beschäftigungsmöglichkeiten und die Aus- und Fortbildung der Arbeitnehmer.

Mit dem UN Draft Code on Transnational Corporations und den UN Draft Norms on Business and Human Rights war ursprünglich geplant, dass eine supranationale Regulierungsinstanz mit völkerrechtlich verbindlichen und sanktionsbewehrten Normen das Verhalten der transnationalen Unternehmen unmittelbar regeln sollte. Aber der Plan ließ sich gegen den massiven Widerstand einflussreicher Nationalstaaten und der Interessenvertretungen der Unternehmen nicht durchsetzen.[32] Die zuletzt verabschiedete Fassung enthielt nur noch unverbindliche Empfehlungen.[33] Die zehn Prinzipien des UN Global Compact fassen die die UN-Menschenrechtserklärung, die ILO-Kernarbeitsnormen, die Rio Declaration on Environment and Development und die United Nations Convention Against Corruption kurz und bündig zusammen und adressieren sie an die Wirtschaftswelt.

Die Europäische Union hat 2006 auf der Basis der Art. 151 ff. EUV (ex-Art. 136 ff EGV) ein Europäisches Bündnis für CSR installiert. Schon seit 2001 gab es ein CSR Dialog-Forum (dazu mit einer systemtheoretischen Interpretation ausführlicher Amstutz/Karavas 2009).

Während sich die Völkerrechtler darüber streiten, ob das Soft Law der CSR als geltendes »Recht« anzusehen sei, interessiert sich die Rechtssoziologie dafür, ob und wie die Standards der CSR auch ohne offizielle Sanktionen handlungswirksam werden. Dafür gibt es eine Reihe von Mechanismen, die ineinandergreifen und sich wechselseitig verstärken.

Wichtig ist zunächst der globale CSR-Diskurs als solcher, wenn und soweit er mindestens außerhalb der betroffenen Unternehmen zu einem gewissen Konsens führt und auch über die unmittelbar an dem Diskurs Beteiligten hinaus meinungsbildend wirkt. Einen solchen Konsens kann man heute bei Politikern, IGOs und INGOs, Wissenschaftlern und Journalisten konstatieren, und auch die betroffenen Unternehmen wagen kaum noch, den CSR-Standards offen und direkt zu widersprechen.

Wichtig ist weiter, dass dieser Diskurs schon weitgehend verrechtlicht ist. In Verfahren, die von IGOs (UN, OECD, ILO, EU) organisiert worden sind, werden laufend Standards, benchmarks usw. bearbeitet, publiziert und beobachtet. An diesen Verfahren sind auch Stakeholder und INGOs beteiligt.

Die »freiwillige« Übernahme von CSR führt über sog. Codes of Conduct. Sie wurden anfangs von vielen nationalen und transnationalen Unternehmen im Eigeninteresse erstellt. Es handelte sich um eine Form von Corporate Governance, die durch interne Anweisungen dafür sorgen sollte, dass das Unternehmen möglichst nicht mit staatlichen Gesetzen in Konflikt kam. Der Verhaltenskodex sollte die Unternehmen gegen Korruption von außen und Kriminalität von innen schützen und die Interessen der Shareholder wahren. Nach und nach kamen dann auch die Interessen Dritter, der sog. Stakeholder in den Blick. Auch wenn ein solcher Verhaltenskodex zunächst nur eine Selbstverpflichtung bedeutet, kann das Management sich davon nicht mehr ohne weiteres distanzieren. Mag auch die Rechtsqualität der CSR-Standards und des darauf basierenden Codes of Conduct zweifelhaft sein, so begründen sie doch bei den Menschen entsprechende Erwartungen und Forderungen und indirekt nicht ganz selten auch Rechtsansprüche. Hier und da gibt Beschwerdeverfahren, falls sich Individuen betroffen fühlen oder Beobachter eine Verletzung bestimmter Leitlinien geltend machen.

Mangels formeller Sanktionsmöglichkeiten verlegen sich die IGOs auf ein permanentes Monitoring und Reporting.

Zur Umsetzung der OECD-Leitsätze haben alle Vertragsstaaten haben Nationale Kontaktstellen (National Contact Points) eingerichtet, die für die Verbreitung und Einhaltung der Leitsätze werben sollen und an die Verstöße gegen die Leitsätze gemeldet werden können. Vor allem Gewerkschaften und NGOs nutzen dieses Verfahren. Die vorgebrachten Fälle werden dann in einem mediationsähnlichen Verfahren mit dem betreffenden Unternehmen erörtert. Solche Beschwerden werden vor allem von Gewerkschaften und NGOs eingelegt. Sie führen dann zu einem Untersuchungs- und Ermittlungsverfahren, und das Ergebnis wird am Ende auch veröffentlicht.

Die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) hat sich besonders des Corporate Responsibility Reporting angenommen. Man versucht, die Rechenschaftslegung über CSR zu vereinheitlichen und berichtet auf dieser Grundlage jährlich, allerdings ohne Namensnennung, wie sich die CSR bei den führenden TNCs entwickelt.

Die INGOs engagieren sich vor allem mit individuellen Recherchen und scheuen sich nicht, die Namen von Firmen und Personen zu nennen, wo sie Verstöße gegen CSR-Standards ermittelt haben.

An vorderster Stelle steht dabei das Business & Human Rights Resource Centre, eine NGO, die nach eigenen Angaben von verschiedenen Stiftungen, dem Schweizer Außenministerium und einer langen Reihe von Einzelpersonen finanziell unterstützt wird und mehr als 4000 Unternehmen über 180 Ländern auf ihren Umgang mit den Menschenrechten beobachtet. Das Centre bietet auf seiner Webseite dem UN-Beauftragten für Wirtschaft und Menschenrechte, John Ruggie, ein viel beachtetes Internet-Portal.

Durch die Aktivitäten von IGOs und INGOs und ihr Echo in den Medien wird sozialer Druck aufgebaut, der bis zu einem gewissen Grade formelle Sanktionen ersetzen kann, weil Reputationsverluste und Skandalisierung marktwirksam werden. Amstutz/Karavas (2009:661) sprechen von »zivilgesellschaftlichen Governance-Mechanismen … die … approximativ … ein funktionales Äquivalent zum Weberianischen ›Erzwingungstab‹ im Nationalstaat bilden«. Die Politisierung der Verbraucher in Boykottaktionen, Produktkritik, Öko-Labeling, Öko-Investment und anderen Formen des consumer activism macht Forderungen nach ökologischer Nachhaltigkeit wirtschaftlich relevant, denn sie beeinflusst die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten und das Anlageverhalten der Investoren. Diese Aktivitäten werden mindestens von verbrauchernahen Unternehmen beachtet, denn sie müssen in krassen Fällen eine Skandalisierung durch die Medien und gelegentlich auch einen Verbraucherboykott oder jedenfalls Kaufzurückhaltung fürchten (etwas näher zum Boykott unten 0). Bestimmte Gruppen von Anlegern können durch ihr Investitionsverhalten Druck ausüben. Auch das Wohlwollen der Behörden, auf das die MNU nicht selten angewiesen sind, kann ihnen auf diesem Wege entzogen werden.

Last not least bleibt das nationale Recht mit seinem Normen und Sanktionen auch für die CSR der MNU wichtig. In der Globalisierungsliteratur wird es zu sehr heruntergespielt. Die MNU haben nicht nur eine, sondern viele Betriebs- und Verwaltungsstätten und sind damit jeweils dem nationalen Recht ausgesetzt. Während die nationalen Rechtssysteme sich teilweise an einem race to the bottom beteiligen, befinden sich die MNU eher in einem race to the top. Das heißt, dass sie ihre Corporate Codes of Conduct eher an dem Rechtssystem der Staaten ausrichten, die die höchsten Anforderungen stellen. Damit werden sie indirekt auch für ihr Verhalten in Staaten mit niedrigeren Standards angreifbar. Wichtig bleiben auch die nationalen Gerichte. Sie werden auch transnational in Anspruch genommen, etwa wenn ein TNC am Sitz der Muttergesellschaft wegen Rechtsverstößen in Anspruch genommen wird, die im Ausland von Tochterunternehmen begangen wurden.

Von Wangenheim 2011: »Much of the literature interested in the equilibrium of inter-jurisdictional competition refers to specific legal fields and asks whether competition in the various fields leads to efficient or inefficient equilibria, in other words: whether there is a race to the top or a race to the bottom.«


 



[1] Francis G. Snyder, Law and Development in the Light of Dependency Theory, Law and Society Review 14, 1980, 723-804, S. 763.

[2] Von der UNCTAD gibt es auch eine drei Mal jährlich erscheinende Zeitschrift Transnational Corporations.

[3] World Investment Report 2008, Transnational Corporations and the Infrastructure Challenge. Overview, Transnational Corporations 17 Nr. 3 (Dezember 2008) S. 109-133, S. 111

[4] Mythos und Realität internationaler Zivilgesellschaft, in: Elmar Altvater u.a. (Hg.), Vernetzt und verstrickt. Nicht-Regierungsorganisationen als gesellschaftliche Produktivkraft, 1997, 293–314/293.

[5] Einen (etwas veralteten) Überblick über die Zusammensetzung der globalen Zivilgesellschaft geben Anheier/Glasius/Kaldor, Introducing Global Civil Society, in: dies., (Hg.), Global Civil Society 2001, Oxford 2001, 3-22. Xx neue Aufl. 2009? UB vorhanden?.xxx

[6] Anthony McGrew, A Global Society?, in: Stuart Hall (Hg.), Modernity and its Futures, Cambridge 2003 [1992], 61–112, S. 89.

[7]·Vgl. Maurizio Bach, Eine leise Revolution durch Verwaltungsverfahren. Bürokratische Integrationsprozesse in der Europäischen Gemeinschaft, Zeitschrift für Soziologie 21, 1992, S. 16-30; ders., Transnationale Integration und institutionelle Differenzierung. Tendenzen der europäischen Staatswerdung, Zeitschrift für Rechtssoziologie 14, 1993, S. 223-242.

[8] Xxx nochnal lesenxxxZu diesen Begriffen Peter Ph. Mohler, Wertkonflikt oder Wertdiffusion, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 41, 1989, S. 95-122.

[9] Raymond M. Duch/James L. Gibson (1989) Cultural Barriers to European Integration?: A Cross Level Analysis of Democratic Tolerance, Paper delivered at the Annual Meeting of the Law and Society Association, Madison, Wisconsin, June 8-11.

[10] Harvey Starr, Democratic Dominoes: Diffusion Approaches to the Spread of Democracy in the International System, Journal of Conflict Resolution 35, 1991, 356-381.

[11] Robert K. Merton hat vor einem halben Jahrhundert die Unterscheidung von cosmopolitans und locals in die Soziologie eingeführt, und zwar mit einer Untersuchung über die »patterns of influence« in einer Kleinstadt an der amerikanischen Ostküste. (Robert K. Merton, Social Theory and Social Structure, New York/London: Free Press 1968, S. 441-474).

[12] Über diesen vgl. Rudolf Stichweh, Der Fremde – Zur Evolution der Weltgesellschaft, in: Rechtshistorisches Journal 11, 1992, S. 295 - 316.

[13] Michael Hartmann, Wie international sind Topmanager?, Forschung und Lehre 2000, 356-359; ders., Transnationale Klassenbildung, in: Peter A. Berger/Anja Weiß (Hg.), Transnationalisierung sozialer Ungleichheit, 2008, 241-258; Heiner Minssen, Bindung und Entgrenzung, Eine Soziologie international tätiger Manager, München 2009; Markus Phlmann, Globale ökonomische Eliten? Eine Globalisierungsthese auf dem Prüfstand der Empirie, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 61, 2009, 513-534.

[14] Julius Ofner; Der Grundgedanke des Weltrechts, in: ders., Recht und Gesellschaft. Gesammelte Vorträge und Aufsätze, hg. von Walter Eckstein, Wien: Gerold, 1931, S. 56 ff.

[15] Gail J. Hupper, The Academic Doctorate in Law: A Vehicle for Legal Transplants?, Journal of Legal Education 58, 2008, 413-454.

[16] E. Adamson Hoebel, The Law of Primitive Man: A Study in Comparative Legal Dynamics, Cambridge, Mass., Harvard University Press, 1954.

[17] Grundlegung der Soziologie des Rechts, Berlin 1913, Vorrede. Man könnte auch William G. Sumner zitieren mit seinem pessimistischen Diktum »that stateways cannot change folkways« (Folkways, New York 1906, S. 53ff., 87ff.).

[18] Juristisch besehen handelt es sich nicht um Völkergewohnheitsrecht im Sinne von Art. 25 GG, denn das würde nur die Staaten binden, sondern um ein neuartiges weltgesellschaftliches Gewohnheitsrecht. Gunther Teubners Diskussion der Frage, ob man das neue Weltrecht als »hypermoderne Variante des traditionellen Gewohnheitsrechts qualifizieren« könne, krankt daran, das es vom juristischen Begriff ausgeht: Privatregimes: Neo-Spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft?, in: Dieter Simon/Manfred Weiss (Hg.), Zur Autonomie des Individuums: Liber Amicorum Spiros Simitis, Baden-Baden 2000, S. 437-453 unter III. Seine These, die Privatregimes könnten aufgrund ihres hohen Formalisierungsgrades kein neues Gewonheitsrecht bilden, ist auch als juristische nicht überzeugend.

[19] Georg Ritzer, The McDonaldization of Society: An Investigation into the Changing Character of Contemporary Social Life, London: Pine Forge Press, 1993.

[20] Deutscher Vorläufer das Bremer Working Paper Lex mercatoria als globales Recht der Wirtschaft? Die Koordination der internationalen Transaktionen am Beispiel der Holzindustrie, 2007.

[21] The Law of International Trade – Its Growth, Formulation and Operation, in: Schmitthoff (Hg.), The Sources of the Law of International Trade, 1964, 3-38.

[22] Wioletta Konradi/Hectzor Fix-Fierro, Lex mercatoria in the mirror of empirical research, Sociologia del diritto 2005, 205-227.

[23] In Frankfurt/Main gibt es ein Frankfurt International Arbitration Center, das vom Deutschen Institut für Schiedsgerichtsbarkeit und der Industrie- und Handelskammer Frankfurt getragen wird. Der Geschäftsanfall wird auf der Webseite schamhaft verschwiegen.

[24] Die Arbeit des ICC wird an Hand von Fallstudien deutsch-spanischer Konflikte näher beschrieben von Fabian P. Sosa, Cross Border Dispute Resolution from the Perspective of Mid-sized Law Firms: The Example of the International Commercial Arbitration, in: Volkmar Gessner (Hg.), Contractual Certainty in International Trade, Oxford 2009, 107-155.

[25] Klaus Peter Berger, Berthold Goldman, Philippe Fouchard and Philippe Kahn. The Rebirth of the Lex Mercatoria by the French School, o. J., www.trans-lex.org/000001.

[26] Wirtschaft und Gesellschaft, 2. Teil, Kap. I, § 3 Nr. 6. Besonders aus marxistischer Sicht hat man sich intensiver mit der Frage befasst, ob und wieweit der Staat und sein Recht mit bestimmten Organisationsformen der Wirtschaft einhergeht und umgekehrt. Hinweise dazu bei Gerald Turkel, The Public/Private Distinction: Approaches to the Critique of Legal Ideology, Law and Society Review 22, 1988, 801-823, Fn. 8 auf S. 813.

[27] Avner Greif, Reputation and Coalitions in Medieval Trade: Evidence on the Maghribi Traders, Journal of Economic History 49, 1989, 857-882; ders., Contract Enforceability and Economic Institutions in Early Trade: The Maghribi Traders’ Coalition, American Economic Review 83, 1993, 525-548; Avner Greif/Paul Milgrom/Barry R. Weingast, Coordination, Commitment, and Enforcement: The Case of the Merchant Guild, Journal of Political Economy 102, 1994, 745-776. 

[28] New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958, 330 U.N.T.S. 38. Die Entwicklungen auf dem Gebiet der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit wirken auf die nationalen Rechtsordnungen zurück. In Deutschland wurden 1997 die §§ 1025 ff. ZPO, die das Schiedsgerichtsverfahren regeln, reformiert. Die Reform lehnte sich weitgehend an das 1985 geschaffene »UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit« der Kommission für Internationales Handelsrecht der Vereinten Nationen an das die Vollversammlung der UN 1985 den Mitgliedsstaaten zur Annahme empfohlen hatte.

[29] Quentin Tannock, Judging the Effectiveness of Arbitration, Arbitration International 21, 2005, 71-90

[30] Jeanette Hofmann, Welt 21. Die Zivilgesellschaft erhält auf internationaler Ebene Gehör – etwa beim Thema Internet, WZB Mitteilungen Heft 131 März 2011, S. 17-20.

[31] Buchbesprechung von Martin Herberg – zusammen mit dem Band von Zimmer (und einem weiteren Buch von Kaleck/Saage-Maaß) in Kritische Justiz 2010, 120-122.

[32] Zum Scheitern der Regulierungsversuche der UN John Gerard Ruggie, Business and Human Rights: The Evolving International Agenda, American Journal of International Law 101, 2007, 819–840.

[33] Dazu Larry Catá Backer, Multinational Corporations, Transnational Law: The United Nation’s Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations as Harbinger of Corporate Responsibility in International Law, Columbia Human Rights Law Review 37, 2005, 101–192.