§ 9 Niklas Luhmanns Rechtssoziologie

Schriften von Niklas Luhmann: Grundrechte als Institution, (GaI) 1965; Zweckbegriff und Systemrationalität, 1968; Legitimation durch Verfahren, 1969, 3. unveränderte 1993 (LdV); Positives Recht als Voraussetzung einer modernen Gesellschaft, JbRSoz 1, 1970, 175-202; Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974; Rechtssoziologie, 1980, 2. Aufl. 1983 (RS); Soziale Systeme, 1984; Die soziologische Beobachtung des Rechts, 1986; Ökologische Kommunikation, 1986; Die Wirtschaft der Gesellschaft, 1988; Die Wissenschaft der Gesellschaft, 1990; Das Recht der Gesellschaft, 1993 (= RdG); Gibt es in unserer Gesellschaft noch unverzichtbare Normen?, 1993; Die Kunst der Gesellschaft, 1999; Die Gesellschaft der Gesellschaft, 2 Bde., 1997 (=GdG); Recht als soziales System, ZfRSoz 20 (1999) 1-13; Die Politik der Gesellschaft, 2000¸ Die Religion der Gesellschaft, 2000; Aufsatzsammlungen: Die Ausdifferenzierung des Rechts. Beiträge zur Rechtssoziologie und Rechtstheorie, 1981; Soziologische Aufklärung, 5 Bde, 1970-1990; Gesellschaftsstruktur und Semantik, 4 Bde, 1980-1995

Lektüreempfehlung: Soziologische Aufklärung. Band: 1, 1970, 137-153 (Kapitel Gesellschaft); Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, S. 7-29 (Vorwort und Zur Einführung)

Literatur: Knut Amelung, Der frühe Luhmann und das Gesellschaftsbild bundesrepublikanischer Juristen, FS Klaus Lüderssen, 2002, 7; Marc Amstutz, Evolutorisches Wirtschaftsrecht, 2001; Ralf Dreier, Niklas Luhmanns Rechtsbegriff, ARSP 88 (2002) 305; Werner Krawietz/Michael Welker (Hg.), Kritik der Theorie sozialer Systeme, 1992; Paradoxien des Rechts: Eine Debatte zu Niklas Luhmanns Rechtssoziologie, ZfRSoz 21 (2000) Heft 1; Stefan Machura, Niklas Luhmanns »Legitimation durch Verfahren« im Spiegel der Kritik, ZfRSoz 14, 1993, 97-114; Walter Reese-Schäfer, Niklas Luhmann zur Einführung, erg. Nachdruck der 4. Auflage (2001) 2005; Stefan Smid, Niklas Luhmanns systemtheoretische Konzeption des Rechts, JuS 1986, 513-517

I.   Person und Werk

Niklas Luhmann (1927-1998) war Jurist und begann seine erste Karriere in der Verwaltung als Landtagsreferent des niedersächsischen Kultusministers. 1960-1961 ließ er sich zum Studium an der Harvard Universität beurlauben und begegnete dort dem Soziologen Talcott Parsons. Anschließend (1962-1965) ging er als Referent an die Verwaltungshochschule Speyer, ehe Helmut Schelsky den Oberregierungsrat nach Münster holte, wo er innerhalb nur eines Jahres promovierte und habilitierte, um dann 1968 einen Lehrstuhl für Soziologie an der neugegründeten Universität Bielefeld zu übernehmen. Sein Lebenswerk ist nicht nur dem äußeren Umfang nach – über 60 Monografien und wohl 400 Aufsätze – gewaltig. Es beeindruckt bei aller Fülle des verarbeiteten Materials – berühmt ist Luhmanns Zettelkasten, in dem er seine Lesefrüchte sammelte – durch innere Geschlossenheit. Es bietet eine innovative Großtheorie, an der niemand vorbeigehen kann, der sich ernsthaft mit soziologischen Fragen beschäftigt.

Luhmann ist 1998 gestorben.[1] Doch ich habe gezögert, ihn in die Ahnengalerie der Rechtssoziologie einzureihen, denn bis heute diskutieren wir mit ihm, als wäre er unter uns, und so wird es noch lange bleiben. Dennoch gibt es einen guten Grund, Teile seines Werkes schon an dieser Stelle zu referieren und dadurch die spätere Darstellung der Systemtheorie in Kapitel 13 zu entlasten. Luhmanns Name ist beinahe ein Synonym für Systemtheorie. Von Anfang an hatte er eine einheitliche Theorie der Gesellschaft im Sinn, die auch die vielen Bindestrich-Soziologien einschließt. Aber er hat seine Theorie im Laufe von über 30 Jahren zwei Mal erheblich umgestellt. Zuerst hat auf die handelnden Menschen als Elemente sozialer Systeme verzichtet und seine Theorie allein auf Kommunikationen ausgerichtet. Mit der großen Monographie »Soziale Systeme« von 1984 ist er dann endgültig vom Äquivalenzfunktionalismus als einer Theorie offener Systeme zur Theorie geschlossener (autopoietischer) Systeme übergegangen. In der Anfangszeit hat er seine Theorie vielfach an Problemen der Verwaltung erprobt. In der mittleren Periode wurde für ihn das Recht so sehr zum Thema, dass er eine »Rechtssoziologie« verfasste. Seine inhaltlichen Aussagen zu Verwaltung und Recht aus der Zeit vor der »autopoietischen Wende« sind so prägnant, dass sie sich auch ohne (system-)theoretischen Hintergrund verstehen lassen. Deshalb sollen sie hier vorab zusammenfassend wiedergegeben werden.

Warum ist Luhmann so bedeutend? In den 50er und 60er Jahren hatten sich mehr oder weniger alle, die nicht in das marxistische Lager gewechselt waren, auf Empirie gestürzt. Empirische Forschung zeigt aber immer nur kleine Ausschnitte der Gesellschaft. Sie kann nicht das Ganze in den Blick nehmen. Das aber möchte eigentlich jeder, ob Laie oder Wissenschaftler. Luhmann bietet nun ene Großtheorie, die genau das zu leisten verspricht. Durch den Zuschnitt der Systeme kann sie Teile der Welt, die den Betrachter besonders interessieren, in den Blick nehmen und zu anderen in Beziehung setzen. Die marxistische Theorie war in dem Sinne »holistisch«, dass sie für alles eine Erkärung anbot – und damit war sie zum Scheitern verurteilt. Luhmann löst dieses Problem, indem er Systemgrenzen definiert und uns damit erklärt, warum wir nicht alles wissen müssen und können. Denn über die Systemgrenzen hinaus gibt es keine einfachen Ursache-Wirkungsbeziehungen (sondern nur »strukturelle Kopplungen«). Die Definition der Systemgrenzen gelingt Luhmann allerdings nur deshalb so gut, weil er ein großartiger Beobachter ist. Seine Theorie ist ebenso wie diejenige von Marx eine Entwicklungstheorie. Doch anders als bei Marx ist die Evolution bei Luhmann nicht gerichtet, und sie kennt schon gar keinen Fortschritt. Sie lässt sich deshalb mit der aktuellen Großtheorie für die Entwicklung des Lebens, der darwinistischen Evolutionstheorie, mindestens parallelisieren. Und nicht zuletzt: An intellektuellem Format ist Luhmanns Theorie der marxistischen mindestens ebenbürtig. Auf eine solche Theorie hatten viele gewartet.

II.   Ausdifferenzierung des Rechtssystems

Luhmann beschreibt den Vorgang der Ausdifferenzierung der Gesellschaft und ihres Rechts in drei Stufen. Die Entwicklung führt von archaischen Gesellschaften über vorneuzeitliche Hochkulturen zur modernen Gesellschaft. Als grober Hinweis muss hier genügen, dass archaische Gesellschaften in ihrer Primärstruktur segmentär (in abgeschlossene Gruppen) differenziert und Hochkulturen schichtungsmäßig differenziert sind, während die moderne Gesellschaft funktional (arbeitsteilig) gegliedert ist.

In der Neuzeit zeigt sich das Recht neben Wirtschaft und Politik, Wissenschaft und Kunst, Familie und Erziehung, Religion und Sport u. a. als ein Teilsystem der Gesellschaft. Für jedes Teilsystem kann man nach der Beziehung zum Gesamtsystem und nach der Beziehung zu den anderen Teilen fragen. Die Beziehung zum Gesellschaftssystem wird als Funktion angesprochen, die Beziehung zu anderen Teilsystemen als Leistung, die als Input zu beziehen und als Output zu erbringen ist.

Die differenzierten Teilsysteme haben durch Spezialisierung auf ihre besonderen Funktionen in der modernen Gesellschaft hohe Autonomie gewonnen. Die Kunst ist nicht mehr abhängig von Kirche und Staat die einmal ihre wichtigsten Auftraggeber waren. Auch Kirche und Staat haben sich getrennt. Die Wirtschaft investiert allein nach ökonomischen Gesichtspunkten. Das Recht hat sich nicht nur von Sitte und Moral gelöst, sondern ist auch gegenüber Politik und Wirtschaft relativ selbständig geworden. Die so entstandenen Freiheiten sind nicht mehr durch übergreifende Zielvorstellungen aufeinander abgestimmt. Damit entsteht ein Überhang an Möglichkeiten des Erlebens und Handelns. Die Gesellschaft wird überkomplex, da sie mehr Möglichkeiten anbietet als sie verwirklichen kann. Sie braucht deshalb entsprechend wirksamere Selektionsmechanismen.

In dieser Situation besteht die eigentümliche Leistung des politischen Systems in der Herstellung gesamtgesellschaftlich verbindlicher Entscheidungen. Die Herstellung solcher Entscheidungen erfolgt in den Verfahren der politischen Wahl und der Gesetzgebung. Das politische System hat sich darauf spezialisiert, anderen Bereichen Inhalte oder Grenzen der Systembildung vorzuschreiben. Problematisch ist freilich, wie die Politik ihre Entscheidungen durchsetzen kann. In einfachen Gesellschaften kommt politische Herrschaft mit relativ simplen und direkt motivierenden Machtmitteln aus, mit überlegenem physischen Zwang, Kontrolle über den wirtschaftlichen Verteilungsprozess, Loyalität einer ergebenen Gefolgschaft oder Glaube an magische oder religiöse Sanktionen. In der Epoche vor-neuzeitlicher Hochkulturen verbinden sich diese Herrschaftsmittel mit traditionalen oder wertrationalen (naturrechtlichen) Legitimationsvorstellungen. Steigt jedoch die Komplexität der Gesellschaft weiter und wächst damit ihr Bedarf an bindenden Entscheidungen, so muss auch das politische System sich ausdifferenzieren, soll die Entwicklung der Gesellschaft nicht blockiert werden.

Der steigende Bedarf an bindenden Entscheidungen kann nicht länger mit den traditionellen Mitteln der Herrschaft durchgesetzt werden. Aber auch aktueller Konsens ist knapp. Faktischer Konsens wird daher durch unterstellten ersetzt. Für den Normalfall muss ein fragloses, ja fast motivloses Akzeptieren bindender Entscheidungen sichergestellt werden. Diese Leistung erbringt ein darauf spezialisiertes Teilsystem der Politik, nämlich das Rechtssystem, indem es sich durch eine gewisse Neutralisierung von der Politik im engeren Sinne absetzt. So ist das Rechtssystem ein dem politischen nachgeschaltetes System mit der Funktion der Legitimation und Durchsetzung der im politischen System erarbeiteten Entscheidungen und der Absorption von Konflikten.

III.   Voraussetzungen und Probleme der Autonomie des Rechtssystems

Die relative Autonomie, die das Recht in der Folge seiner Ausdifferenzierung gegenüber Politik und Wirtschaft gewonnen hat, hat einerseits bestimmte Voraussetzungen und wirft andererseits Probleme auf.

1)   Normativismus, Schematismus und Universalismus

Luhmann weist darauf hin, dass die Ausdifferenzierung des Rechts zu einem besonderen Sozialsystem, das relativ autonom, also ohne Ansehen der Person und ohne Rücksichtnahme auf die Beziehungen der Beteiligten insbesondere zum politischen und zum Wirtschaftssystem, entscheiden kann, der Kombination von Normativismus, Schematismus und Universalismus zu verdanken ist, einer Kombination, die im historischen und kulturellen Vergleich in der westlichen Welt einzigartig anzutreffen sei (AdR S.7). Unter Normativismus versteht Luhmann die kontrafaktische, enttäuschungsfeste Stabilisierung bestimmter Verhaltenserwartungen (§·28, 4). An deren Stelle könnte man sich vielleicht auch bloße Ordnungsmodelle, sanktionslose Bräuche oder Anreizprogramme vorstellen. Unter Schematisierung ist die Gegenüberstellung von Recht und Unrecht im Sinne einer vollständigen Dichotomie zu verstehen. Alles Handeln lässt sich danach entweder als Recht oder als Unrecht qualifizieren. Dieser Schematismus dient wiederum als Voraussetzung einer universalistischen Entscheidungspraxis, also einer Praxis, die für jeden denkbaren Konfliktfall eine Lösung bereithält, und dabei nicht nach partikularen, auf persönliche Beziehungen zum Entscheidenden beruhenden Rücksichten verfährt, sondern nach universellen Kriterien (vgl. §·23, 1b).

2)  Grundrechte als Institution

Eine neue Deutung erfahren in der Systemtheorie Luhmanns die verfassungsmäßigen Grund- und Menschenrechte. Die Ausdifferenzierung des politischen Systems ist tendenziell unstabil, weil die politische Funktion keine fest umrissene Sachaufgabe darstellt, sondern jedes Thema mehr oder weniger politisierbar ist. Die Aufrechterhaltung der sozialen Differenzierung in relativ autonome Teilsysteme verlangt daher nach Institutionen, die der Gefahr der Ausbreitung der Politik entgegenwirken. Als eine dieser Institutionen würde wohl jeder Jurist ohne Weiteres die Gewaltentrennung nennen. Luhmann macht darauf aufmerksam, dass die Grundrechte dieselbe Funktion erfüllen. Sie markieren und stützen die soziale Differenzierung, die sich in den Gesellschaften der westlichen Welt herausgebildet hat. Er unterscheidet drei durch die Grundrechte stabilisierte kommunikative Untersysteme der Gesellschaft.

(1) Freiheit und Menschenwürde« schaffen Raum für die Selbstdarstellung individueller Persönlichkeit. Individualität ist notwendig, weil die Ausdifferenzierung der Gesellschaft in viele Teilsysteme den Einzelnen zum Schnittpunkt unterschiedlicher Rollen macht, die nur in einer individuellen Verhaltenssynthese kombiniert werden können. Luhmann sieht in den Grundrechten nicht die dem Menschen angeborenen Rechte gegen den Staat oder die Gesellschaft, sondern Bedingungen für sein Überleben in einer differenzierten und damit Freiheit erst ermöglichenden Gesellschaft. Würde und Freiheit schirmen eine gesellschaftliche Sphäre gegen politische Eingriffe ab.

(2) Die Grundrechte der Glaubens-, Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit dienen ähnlich wie Freiheit und Menschenwürde der sozialen Selbstdarstellung, haben darüber hinaus aber die Funktion, den Prozess der sozialen Kommunikatikon und Interaktion selbst zu regulieren, die Bildung von Verbänden aller Art als relativ autonome Teilsysteme zu ermöglichen und sie gegen die Übermacht des zur Gleichschaltung tendierenden politischen Systems abzuschirmen.

(3) Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie halten das Wirtschaftssystem autonom, das sonst vom Staat dirigiert werden könnte. Die Arbeits- und Berufsfreiheit ist nur zu einem Teil Garantie sozialer Selbstverwirklichung. Vor allem ermöglicht sie die Steuerung des Arbeitslebens als eines gesamtwirtschaftlichen Vorgangs mit Hilfe des Marktmechanismus. Die Eigentumsgarantie schützt, wie Luhmann formuliert (GaI S. 122), »den Einzelnen nicht in seiner Persönlichkeit und nicht in seinem spezifischen Sachbedarf …, sondern sie gewährleistet seine Teilnehmerrolle am Kommunikationssystem der Wirtschaft, weil ohne diese Garantie das Kommunikationssystem nicht generalisiert werden kann«. Vertragsfreiheit ist notwendig, weil ein ausdifferenziertes Wirtschaftssystem zu seiner Eigensteuerung instabile Preise fordert und daher die Reziprozität oder Gerechtigkeit im Einzelvertrag nicht gewährleisten kann.

3)   Die Funktion subjektiver Rechte

Auch die Rechtsfigur des subjektiven Rechts wird von Luhmann in ihrer Funktion für die Ausdifferenzierung des Rechts analysiert. Die klassische juristische Deutung als Quelle und Schutz der Privatautonomie, als dem Individuum gewährte Rechtsmacht oder rechtlich geschütztes Interesse, hält er für unzureichend. Maßgeblich sei vielmehr die technische Funktion dieser Rechtsfigur. Sie gestatte es, den im primitiven Recht festgehaltenen Zwang, jede Leistung unmittelbar durch eine Gegenleistung zu erwidern, also die Norm der Reziprozität, aufzulösen: Der Gläubiger kann seine Forderung abtreten an einen Dritten, der dem Schuldner nie etwas gegeben hat oder geben wird. Der Gesetzgeber kann die Steuern erhöhen und einzelne subjektive Rechte kreieren oder abschaffen. Der Ausgleich geschieht auf Umwegen durch abstrakte Medien der Kommunikation wie Geld oder Macht. Damit hat sich das Recht den differenzierten sozialen Verhältnissen angepasst, in denen es nicht länger adäquat wäre, die Probleme dort zu lösen, wo sie ihre Entstehungsursachen haben (näher §·19, 7).

4)   Erwartungssicherheit und Verhaltenssteuerung

In anderer Hinsicht, so meint Luhmann, stehe eine den Umweltanforderungen adäquate interne Differenzierung des Rechtssystems noch aus. Funktion des Rechts kann es sein, Erwartungen, die jemand in Bezug auf das Verhalten anderer hegt, im Falle von Gefährdungen oder Enttäuschungen zu stützen. Das entspricht der Vorstellung von Rechtssicherheit. Das Recht kann aber auch der Verhaltenssteuerung dienen, also dazu, neuartige Verhaltensweisen herbeizuführen oder soziale Zustände zu ändern. Herkömmlich erfüllt das Recht in der Form des Gesetzes beide Aufgaben zugleich. Sozial-, Wirtschafts- und umweltpolitisch gemeinte Gesetze entsprechen schon heute nicht mehr dem herkömmlichen Schema von Norm und Sanktion. Teilweise richten sie sich nicht mehr unmittelbar an das Publikum, sondern an Ausführungsbehörden, die das Recht implementieren (vgl. §·36), teilweise benutzen sie Subventionen oder steuerliche Anreize, um das Verhalten zu steuern. Luhmann meint, dafür müssten erst noch neue rechtstechnische und dogmatische Figuren gefunden werden (AdR S. 73 ff.). Insoweit unterschätzt er aber wohl die längst vorhandene Entfaltung insbesondere des öffentlichen Rechts.

5)   Primat der Wirtschaft

Eine gesellschaftliche Vorbedingung für die volle Ausdifferenzierung des Rechts besteht darin, dass das politische Teilsystem der Gesellschaft seine führende Stellung an die Wirtschaft verloren hat (JbRSoz 1, 1970, 200). Die Politik hätte aus sich heraus gar nicht soviel Bedarf an rechtlichen Regelungen gehabt, dass das Recht sich zu seinem heutigen Umfang hätte entwickeln können. Die Wirtschaft ist der Problemlieferant, der die neuzeitliche Rechtsentwicklung geprägt hat, zunächst mit dem Bedarf nach Vertragsfreiheit und zuverlässiger Rechtsdurchsetzung und heute vor allem durch die Notwendigkeit der Anpassung aller anderen Sozialsysteme an den wirtschaftlichen Fortschritt und mehr und mehr auch die Regulierung und Stabilisierung dieses Fortschritts selbst. Alle Versuche, den Primat der Politik über das Recht wieder herzustellen, hält Luhmann für verfehlt. Eine so zentrale Funktion wie die Rechtsbildung könne nicht einem Teilsystem überlassen werden, das hohe Autonomie und gesellschaftlichen Primat beanspruche. Seit die Bindung der Politik durch das Naturrecht verloren gegangen ist, wird das politisch-administrative Recht dadurch eingeschränkt, dass ihm Probleme aus der Gesellschaft, und hier vor allem aus der Wirtschaft, vorgegeben werden. Der Primat der Wirtschaft erfüllt insofern die gleiche Funktion wie die Menschenrechte. Er hindert das politische System daran, das Recht gleichzuschalten.

6)  Nationales Recht und Weltgesellschaft

Es besteht eine zunehmende Diskrepanz zwischen dem Gesellschaftssystem auf der einen Seite, das in den Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kommunikation längst zur Weltgesellschaft zusammengewachsen ist, und dem positiven Recht auf der anderen Seite, das auch heute noch immer nur innerhalb territorialer Grenzen als nationales Recht in Geltung gesetzt wird.

IV.   Die Positivität des Rechts als Voraussetzung einer modernen Gesellschaft

Die entscheidende evolutionäre Errungenschaft der Neuzeit findet Luhmann in der Positivierung des Rechts, die erstmals im neunzehnten Jahrhundert von einigen politischen Systemen Europas erreicht wird. Das Recht wird als kontingent, als geltend und zugleich als jederzeit änderbar, bewusst. Mit anderen Worten: Das Recht hat keinen Inhalt, aber die Gerichte müssen entscheiden. In verselbständigten Verfahren wird darüber befunden, was Recht ist, und die Ergebnisse dieses Verfahrens, Gesetze, Verwaltungsakte und Urteile, werden faktisch als legitim und bindend akzeptiert. Dass dies so funktioniere, so meint Luhmann, sei soziologisch nahezu ein Wunder. Die Juristen selbst wagten nicht, daran zu glauben. Die Themen einer gegenwartsbezogenen Rechtssoziologie sind durch die Funktionen und Folgeprobleme dieser Entwicklung vorgegeben.

Erwartungen reduzieren die Komplexität der Möglichkeiten des Erlebens und Handelns, so dass Menschen handlungsfähig werden. Besonders hoch ist die Selektionsleistung normativer Erwartungen, weil die damit gegebene Auswahl aus anderen Möglichkeiten selbst im Enttäuschungsfall nicht problematisiert wird. Das bedeutet aber nicht, dass normative Strukturen unter keinen Umständen problematisiert werden können, ohne ihre Funktion einzubüßen. Schon immer hat die Systemtheorie konzediert, dass Strukturen nur vorläufig verfestigt, langfristig aber variabel sind. Luhmann betont dagegen die Möglichkeit, dass Strukturen in einem System simultan als invariant und als variabel behandelt werden können, sofern nur das System hinreichend differenziert ist. Das System kann für dieselben Strukturen Lernen und Nichtlernen zugleich vorsehen.

Diese Stufe wird für das Recht durch Positivierung erreicht. Das Recht ist reflexiv geworden. Es wird gesetzt und gilt kraft Entscheidung. Insofern ist Recht variabel. Gesetztes Recht wird aber bis zu einer jeder Zeit möglichen Änderung normativ durchgehalten und ist damit zugleich invariabel.

Die Folge ist eine immense Steigerung der Komplexität. Es wird möglich, zeitlich verschiedenes Recht zu haben. Weite Bereiche des Rechts befinden sich in kontinuierlicher Revision. Die Reform des Rechts beschleunigt sich selbst, weil immer mehr Änderungen immer mehr Anpassungen erfordern. Sie wird zum Dauerzustand. Zugleich mit der zeitlichen wächst die sachliche Komplexität des Rechts. Immer mehr Themen werden juridifzierbar, da neues Recht nicht mehr an schon vorhandenes anzuknüpfen braucht. Man kann Gesetze erlassen über Schutzhelme bei Motorradfahrern oder über die Gewährung von Prämien für die Vernichtung von Obst. Das Recht, so formuliert Luhmann, wird trivial. Alte und einige neue Themen der Rechtssoziologie werden von Luhmann als Voraussetzungen, Funktionen oder Folgeprobleme der Positivierung des Rechts formuliert.

Recht und Gewalt: Die Absonderung des positiven Rechts von anderen Normen wie Sitte und Moral wird abgesichert durch physische Gewalt. Luhmann verweist auf drei Vorzüge physischer Erzwingbarkeit vor anderen Formen der Macht. Physische Zwangsmittel sind vielseitiger verwendbar als andere Machtquellen, nämlich weitgehend indifferent gegen Zeitpunkt, Situation, Subjekt und Thema der Handlung, zu der motiviert werden soll. Die Grenze, an der der Betroffene sich nicht mehr fügt, sondern sich zur Wehr setzt, liegt sehr hoch und ist gut abschätzbar. Und schließlich fordert physische Macht zwar einen speziellen Erzwingungsapparat aus Militär oder Polizei, ist dafür aber unabhängig von allen anderen Systemstrukturen wie Status, Ordnungen, Wertvorstellungen oder Informationsverteilungen. Die Folge ist, dass mit Hilfe von Macht, die diese Basis hat, die Grenzen rechtlicher Regelungsfähigkeit gesellschaftlicher Tatbestände sehr weit gezogen sind (GaI S. 56). Die Absonderung des Rechts von Sitte und Moral mit Hilfe physischer Gewalt sichert dem Recht seine universelle Verwendbarkeit.

Wegen dieser vielseitigen Verwendbarkeit bezeichnet Luhmann Gewalt als »symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium« und vergleicht sie mit Geld, Wahrheit und Liebe. Wer liebt, tut für den Geliebten Dinge, die er für andere nicht täte. Was ich als wahr darstellen kann, müssen andere anerkennen. Geld ist in allen sozialen Dimensionen – sachlich, räumlich, zeitlich – universeller einsetzbar als alle anderen Mittel. Es vermag fast alles zu kaufen, ohne dass man im Voraus festlegen müsste, was wann wo von wem geleistet werden soll.

Trennung von Rechtssetzung und Rechtsanwendung: Mit der Positivierung von Recht verbindet sich die Trennung von Rechtsetzung und Rechtsanwendung. Die strukturelle Variabilität positiven Rechts ist so groß, dass sie nicht in einem Arbeitsgang vollzogen werden kann. Eine erste sehr drastische Reduktion von Komplexität erfolgt auf der Ebene der Rechtsetzung. Die Rationalität des Entscheidens ist auf dieser Ebene nur indirekt gegeben durch die Möglichkeit einer Änderung für den Fall besseren Wissens. Demgegenüber besteht die Rationalität der Rechtsanwendung in einer feststellbaren und nachprüfbaren Übereinstimmung mit dem vorgegebenen Programm, das als Prämisse übernommen und nicht mehr problematisiert wird.

Soweit das Programm Zweifel oder Lücken lässt, hat die Positivierung des Rechts auch Einfluss auf den Entscheidungsstil des Richters. Die Entscheidungslast, die aus der Positivierung des Rechts folgt, ist auf zwei Stufen verteilt. Auf der Ebene der Rechtsanwendung lassen sich eigene Entscheidungsbeiträge nicht vermeiden, sie werden aber auf viele kleine Schritte verteilt und dabei »hermeneutisch« ausgewiesen und kontrolliert und können in diesem Rahmen von Richtern geleistet werden. Da alles Recht nunmehr auf Entscheidung beruht, braucht der Richter seinen eigenen Entscheidungsbeitrag nicht länger als Auslegung oder gar logische Folgerung aus dem Gesetz darzustellen. Die Renaissance des Richterrechts in unseren Tagen erklärt Luhmann als einen systemadäquaten Vorgang, der nur auf dem Boden des positiven Rechts möglich sei, und daher nicht aus der Tradition des common law gedeutet werden dürfe.

Einbau von Lernmöglichkeiten in das Recht: Die Differenzierung von Rechtssetzung und Rechtsanwendung ermöglicht den Einbau von Lernmöglichkeiten in das Recht. Nur noch im Bereich programmierten Entscheidens, vor allem im Bereich der Justiz, wird die normative Qualität des Rechts gepflegt, die Entschlossenheit, vom Rechtsbrecher nicht zu lernen. Dem Gesetzgeber dagegen erscheint normwidriges Verhalten in einem anderen Licht. Er kann die Nichtbefolgung einer Norm oder deren unerwartete und unerwünschte Folgen ohne Entrüstung zur Kenntnis nehmen und die Bereitschaft zeigen, seine Erwartungen zu korrigieren, indem er die Gesetze ändert.

Positives Recht als Konditionalprogramm: Die Verbindung von programmierendem und programmierten Entscheiden erfolgt durch Konditionalprogramme. Im Allgemeinen stehen für die Programmierung von Handlungen und Entscheidungen zwei Grundtypen zur Verfügung: Zweckprogramme und Konditionalprogramme. Im Verhältnis von Gesetzgebung und Rechtsprechung kann man die Anordnungen des Gesetzgebers ein Programm für die Rechtsprechung nennen und weiter danach unterscheiden, ob der Programmgeber selbst abstrakt die Zweck-Mittel-Überlegungen vollzogen und im Sinne einer allgemeinen Verhaltensregel formuliert hat oder ob er nur Handlungsziele vorgibt und der Ausführungsebene die Auswahl geeigneter Mittel überlässt. Es liegt nahe, im zweiten Fall von Zweckprogrammen zu reden. Im ersten Fall spricht man von Konditionalprogrammen, weil das Programm bestimmte Bedingungen formuliert, die ein näher bestimmtes Handeln des Anwenders auslösen sollen: Wenn die Tatbestandsmerkmale T1 – Tn gegeben sind, dann entscheide R1, andernfalls R2. Es liegt auf der Hand, dass wir hier nur eine Umformulierung der geläufigen Vorstellung von Rechtsgesetzen mit Tatbestand und Rechtsfolgenanordnung vor uns haben. Aber Luhmann gelingt es doch, einige Gesichtspunkte teils neu, teils schärfer als bisher zu formulieren.

Der heutige Jurist, so Luhmann, findet seine Entscheidungsaufgabe typisch konditional programmiert vor und nicht durch Zwecke und Funktionen festgelegt. Das bedeutet für seine Tätigkeit eine wesentliche Vereinfachung. Er braucht nur die im Programm vorgezeichneten Informationen zu prüfen, also nur einen engen Ausschnitt aus der Vergangenheit. Danach hat er lediglich die im Programm vorgezeichnete Entscheidung zu treffen. Er braucht die zu erwartenden Folgen seiner Entscheidung weder zu ermitteln noch sie vergleichend zu bewerten. Er ist von der Verantwortung für die Folgen seiner Entscheidung frei. Wenn auf Grund eines Strafurteils das Geschäft des Verurteilten ruiniert wird oder seine Ehe zerbricht, so kann das nicht mehr dem Richter angelastet werden. Die Folgenorientierung findet allein auf der Ebene der Programmierung statt, d. h. im Bereich der Rechtspolitik und der Gesetzgebung. Für Juristen haben Abwägungen der Folgen nur im Rahmen von Auslegungszweifeln oder zur Erfüllung von Programmlücken eine gewisse Bedeutung. Aber selbst hier hält Luhmann die soziologische Analyse für wenig hilfreich, da sie zwar verschiedene Probleme, Funktionen oder Dysfunktionen, aber keine eindeutigen Zwecke benennen könne. Jede darüber hinausgehende soziologische Problematisierung juristischen Entscheidens widerspricht seiner sozialen Funktionen, die darin besteht, schon reduzierte Komplexität weiter zu reduzieren (AdR S. 273). Eine gewisse Modifizierung seines Standpunktes ist allerdings nicht zu verkennen. Während Luhmann zunächst juristisches Handeln als Handeln nach Konditionalprogrammen beschrieb, räumt er jetzt die zunehmende Folgenorientierung als Faktum immerhin ein, meint aber, mit diesem Problem könnten die Juristen nicht fertig werden. Als neues Leitbild der Juristenprofession konstatiert er die Hinwendung zur Problemlösung im Sinne eines people processing, bei der Rechtsanwendung nur noch Nebenbedingung ist. Indessen sieht Luhmann die Funktion dieses neuen Leitbildes nicht darin, dass er eine neue Handlungsorientierung ermöglicht, sondern als Ideologiebildung, die primär die Kommunikation innerhalb der Profession erleichtert.

Luhmann betont bei allem, dass Systemtheorie und dogmatische Rechtswissenschaft nicht als Gegensatz zu sehen sind, sondern sich gegenseitig ergänzen müssen. Während die Systemtheorie Handlungsalternativen aufzeigt und vergleicht, die für die Lösung von Problemen unter dem Gesichtspunkt der Systemerhaltung in Betracht kommen, soll die Jurisprudenz die Rolle einer rationalen Entscheidungstechnik übernehmen, welche »der Reduktion von Alternativen dient und die bestmögliche Art des Umgangs mit unbekannten Tatsachen, mit sozialen Verhaltenserwartungen und mit Entscheidungsrisiken herausfindet« (GaI. S. 203). Er kritisiert an den Juristen nicht, dass sie sich dogmatisch festlegen, sondern nur, dass diese Festlegung ohne hinreichendes Bewusstsein der vorhandenen Alternativen erfolgt.

Funktionalität der Rechtsunkenntnis: Die Unmöglichkeit vollständiger Rechtskenntnisse der Bevölkerung ist angesichts der Variabilität des positiven Rechts zugleich problematisch und funktional. Der Einzelne kann das Recht, das ihn betrifft, nicht mehr kennen. Dadurch wird ein nahezu unbemerktes Auswechseln der Normen nach Maßgabe der jeweiligen politischen Bedürfnisse möglich. Das Risiko des Rechtsirrtums muss allerdings weiterhin der Einzelne tragen (näher §·49).

Variabilität des Rechts: Die Institutionalisierung positiven Rechts stößt auf Schwierigkeiten, die als Frage nach der Legitimität des Rechts geläufig sind. Seine Vorstellungen über diesen Problemkreis hat Luhmann unter der Überschrift »Legitimation durch Verfahren« ausführlich ausgearbeitet. Sie haben in Deutschland und darüber hinaus eine heftige Kontroverse ausgelöst. Darüber wird in §·32 berichtet. Hier sei zunächst nur auf Luhmanns Vorstellung hingewiesen, dass das Recht seine Legitimation gerade auch aus seiner Änderbarkeit und Vorläufigkeit erhält. Es kann jederzeit für den Fall besserer Einsicht reformiert werden. Tragbar wird diese Änderbarkeit dadurch, dass nicht alles zugleich geändert werden kann, so dass zugleich Stabilität gewährleistet ist.

Grenzen des positiven Rechts: Ein Engpass der Weiterentwicklung des positiven Rechts liegt zur Zeit in der Binnenstruktur des politischen Systems, das in der Parteiendemokratie mit Hilfe von personalen Herrschaftsapparaten regiert wird, also rein tribale Verhaltensmuster weiter verwendet, die der hohen Komplexität möglicher Politik kaum gewachsen sind. Einen anderen Engpass findet Luhmann in einer unzureichend entwickelten juristischen Begrifflichkeit (näher §·93 III, 1).

Konservativismus aus Komplexität: Die Chancen der Positivierung blieben bislang ungenutzt. Es wird nicht alles geregelt, was geregelt werden könnte. Ein neuartiger »Konservativismus aus Komplexität« hat das Recht ergriffen. Man schreckt vor weittragenden Rechtsänderungen zurück und begnügt sich mit einer unsystematisch nur durch Anknüpfung am status quo koordinierten Praxis einer laufenden Änderung am Detail (JbRSoz 1, 1970, 187). Vielmehr sei aber auch nicht möglich, weil die Rechenkapazitäten fehlten, um die Folgen gesamtgesellschaftlicher Strukturveränderungen zu überblicken. Luhmann empfiehlt daher, Veränderungen nur in kleinen Schritten (inkremental) vorzunehmen, und das auch nur dann, wenn der Veränderungswillige den Beweis erbringen kann, dass das zu Verändernde in allen seinen Funktionen ersetzt und dadurch der bisherige status quo optimal verbessert wird.

Recht und Gerechtigkeit: Gerechtigkeit ist die Kontingenzformel, die das Rechtssystem in Bewegung hält. Das Recht gewinnt seine Autonomie zunächst dadurch, dass es sich von anderen Systemen, also insbesondere von Politik, Wirtschaft und Moral, unabhängig macht. Funktionale Voraussetzung solcher Autonomie ist aber gerade die Ausbildung einer spezifischen Rechtskultur, zu der die Unabhängigkeit der Gerichte, die Ausdifferenzierung von Verfahren, Menschen- und Bürgerrechte, die Demokratisierung des politischen Systems und last not least die ständige Selbstbeobachtung unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit gehören.

Positives Recht und Ideologie: Die primär ideologische Orientierung der Rechtssysteme in der sozialistischen Welt kommt unter dem Gesichtspunkt einer funktional äquivalenten Problemlösung in den Blick. Ideologie und positives Recht erbringen für ein soziales System äquivalente Leistungen. Beide Strukturelemente können Komplexität reduzieren, Entscheidungen legitimieren und den Mitgliedern eine sinnvolle Handlungsorientierung ermöglichen. Während Gesellschaften marxistisch-leninistischer Prägung überwiegend und typischerweise durch eine Ideologie politisch integriert werden, orientieren sich die westlichen Mehrparteiendemokratien primär an Verfahren, die positives Recht herstellen. In konkreten Sozialsystemen vermischen sich allerdings beide Legitimationsfaktoren und bilden dann Systemstrukturen aus, die in ihrer konkreten Eigenart unvergleichbar sind (SA III, S. 196). Sie zu erforschen ist Gegenstand der empirischen Soziologie, den Luhmann nicht weiter verfolgt.



[1] Nachruf der Universität Bielefeld mit Lebenslauf; Nachruf von Niels Werber im Schweizer Tages-Anzeiger.

[Stand der Bearbeitung: Dezember 2010]