§ 56 Soziale Netzwerke

I.        Überblick über die Netzwerkforschung
1)       Netze und Netzwerke
2)       Zur Entwicklung der Netzwerkforschung
3)       Netzwerke als Graphen und Matrizen
4)       Dynamik in Netzwerken
5)       Skalenfreie Netzwerke und das Potenzgesetz
II.      Von der Beziehungssoziologie zur Netzwerkanalyse
1)       Methodisches Konzept oder Sozialstruktur
2)       Netzwerke zwischen Markt, Hierarchie und Demokratie
a)       Soziale Netzwerke und ihre Basis
b)       Intra- und interorganisationale Netzwerke
c)       Typenvergleich zwischen Netzwerk, Markt und Organisation
d)       Mischformen und Übergänge
e)       Sichtbegrenzungen der Transaktionskostentheorie
III.     Netzwerke im Rechtssystem
1)       System und Netzwerk
2)       Netzwerkanalysen zu Rechtsthemen
3)       Kooperationsnetzwerke
4)       Politiknetzwerke
IV.          Zu interdisziplinären Verwendung der Netzwerkforschung
1)       Zwischen metaphorischer und exakter Verwendung des Netzwerkbegriffs
2)       Die Ideologielastigkeit des Netzwerkbegriffs
3)       Ostroms Frage
V.       Exkurs: Akteur-Netzwerk-Theorie (Bruno Latour)

 

 

I.  Überblick über die Netzwerkforschung

Literatur: Réka Albert/Albert-László Barabási, Statistical Mechanics of Complex Networks, Revue of Modern Physics 74, 2002, 47-97; Albert-László Barabási/Réka Albert, Emergence of Scaling in Random Networks, Science 286, 1999, 509-512; David Easley/Jon Kleinberg, Networks, Crowds, and Markets. Reasoning about a Highly Connected World, New York 2010; Mark S. Granovetter, The Strength of Weak Ties, American Journal of Sociology 78, 1973, 1360-1380; ders., The Strength of Weak Ties: A Network Theory Revisited, Sociological Theory 1, 1983, 201-233; Dorothea Jansen, Einführung in die Netzwerkanalyse, 3. Aufl. 2006; Dorothea Jansen/Rainer Diaz-Bone, Netzwerke als soziales Kapital, in: Johannes Weyer (Hg.), Soziale Netzwerke, 2. Aufl. 2011, 74-108; Lothar Krempel, Network Visualization, in: John Scott/Peter J. Carrington (Hg.), The Sage Handbook of Social Network Analysis. London: Sage 2011, 558–577; Stanley Milgram, The Small World Problem, Psychology Today 1, 1967, 61-67; M. E. J. Newman/Albert-László Barabási/Duncan J. Watts, The Structure and Dynamics of Networks, Princeton, N.J/Oxford 2006 (Kapitel 1 als PDF); Walter W. Powell, Neither Market nor Hierarchy: Network Forms of Organization, Research in Organizational Behavior 12, 1990, 295-336 (Walter Powell, Weder Markt noch Hierarchie: Netzwerkartige Organisationsformen, in: Patrick Kenis/Volker Schneider (Hg.), Organisation und Netzwerk, 1996, 213-271); Jeffrey Travers/Stanley Milgram, An Experimental Study of the Small World Problem, Sociometry 32, 1969, 425-443; Duncan J. Watts/Steven H. Strogatz, Collective Dynamics of “Small-World” Networks, Nature 1998, 393[6684], 440-442; Duncan J. Watts, Six Degrees. The Science of a Connected Age, New York, Norton, 2003.

Internet: International Network of Social Network Analysis. Populäre Darstellungen der Netzwerkthematik: Complex Systems and Networks, Science, Special Issue vom 24 Juli 2009 (Bd. 325 no. 5939, S. 412-413; darin finden sich zwei für die Rechtssoziologie relevante Aufsätze: John Bohannon, Counterterrorism’s New Tool: ‘Metanetwork’ Analysis (S. 409-411), sowie Elinor Ostrom, A General Framework for Analyzing Sustainability of Social-Ecological Systems, S. 325, 419-422. Networked (Harvard Magazine Mai-Juni 2010). Einführungen: Rainer Diaz-Bone, Eine kurze Einführung in die sozialwissenschaftliche Netzwerkanalyse, 2006; M. E. J. Newman, The Structure and Function of Complex Networks, SIAM Review 45, 2003, 167-256; Michael Schnegg/Hartmut Lang, Netzwerkanalyse. Eine praxisorientierte Einführung, Methoden der Ethnographie, 2002, 1-55; Matthias Scholz, Vorlesung »Komplexe Netzwerke«; Eine anspruchsvolle Einführung, die für Rechtstheorie und Rechtssoziologie gedacht ist, bietet das »Network Analysis and Law Tutorial« von Daniel Martin Katz, Michael Bommarito und Jonathan Zelner, 2011. Viele der inzwischen klassischen Originalarbeiten, z. B. von Granovetter, Powell, Milgram, Barabási/Albert und Watts/Strogatz, stehen frei im Internet.

1)                          Netze und Netzwerke

Überall redet man von Netzwerken. Der Netzwerkbegriff ist so reizvoll, weil ein gutes Alltagsverständnis besteht, weil er sich als vielseitige Metapher eignet und weil Netzwerke leicht zu visualisieren sind. Wissenschaftlich ist der Netzwerkbegriff besonders fruchtbar geworden, weil sich Netzwerke mathematisch als Graphen beschreiben und berechnen lassen. Der Netzwerkbegriff ist damit eine vielfältig einsetzbare Abstraktion für die Anordnung von Elementen in realen Systemen. Reale Systeme sind natürliche, technische oder soziale. Eine spezifische Form der sozialen sind semantische Systeme.

Für die Rechtssoziologie interessieren eigentlich nur soziale Systeme. Aber im Objektbereich des Rechts geht es oft um technische Systeme. Deshalb ist es für die Jurisprudenz üblich und angemessen, zwischen Netzen und Netzwerken zu unterscheiden. Von Netzen ist dann im Hinblick auf logische und technische Netze die Rede, während soziale Netze als Netzwerke bezeichnet werden. Netze in diesem Sinne sind das Telefon- und das Eisenbahnnetz. Beispiele für Netzwerke bilden Unternehmenskooperationen oder Freundeskreise in Facebook. Das Internet als solches ist bloß ein Netz. Es erleichtert aber außerordentlich die Bildung sozialer Netzwerke. Die Gesamtheit der Internetnutzer bildet als solche ebenso wenig ein Netzwerk wie die Gesamtheit der Toilettennutzer, die in ein gemeinsames Abwassernetz entleeren.

Sinnvoll ist die Befassung mit Netzwerken nur, wenn und soweit daraus verallgemeinerungsfähige Aussagen über die Struktur von Netzwerken, ihr Wachstum und ggfs. ihren Zusammenbruch sowie über ihr kollektives Verhalten abgeleitet werden können. Und das ist in der Tat möglich.

2)                          Zur Entwicklung der Netzwerkforschung

Das Netzwerk ist ein Ausdruck der Alltagssprache, der schon, bevor er zum Terminus wurde, auch in der Wissenschaft genutzt wurde.

Als Vorläufer der exakten Netzwerkanalyse kann die Erfindung des Soziogramms durch Moreno[1] gelten. Als Terminus wurde der Netzwerkbegriff in den 1960er Jahren in der Sprachwissenschaft geläufig. Dort wurde die Vorstellung von Sprache als einem semantischen Netz entwickelt. In den 1970er Jahren tauchte der Begriff häufiger in sozialwissenschaftlichen Arbeiten auf, so in einem Buch von Jeremy Boissevain, Friends of Friends: Networks, Manipulators and Coalitions[2]. In den 1980er Jahren diente der Begriff des neur(on)alen Netzwerks zur Modellierung von künstlicher Intelligenz.[3] 1990 veröffentlichte Walter W. Powell seinen bahnbrechenden Aufsatz »Neither Market nor Hierarchy: Network Forms of Organization«, der bis heute die Forschungsagenda von Wirtschafts- und Politikwissenschaft bereichert. Schließlich führte Manuel Castells 1996 den Begriff der Netzwerkgesellschaft ein.[4] Aber erst kurz vor der Jahrtausendwende begann die harte Netzwerkforschung abzuheben, und nach fünf Jahren war sie auf ihrem Gipfel angelangt. Der Fortschritt bestand darin, dass man begann, die Netzwerkanalyse auf große und komplexe Systeme aller Art anzuwenden, indem man deren Elemente als Knoten und die zwischen ihnen ablaufenden Austauschvorgänge als Kanten modellierte.

Das Interesse an der soziologischen Netzwerkforschung wurde durch Stanley Milgram und Mark S. Granovetter angefacht. Von 1967 stammt Stanley Milgrams erstes Briefexperiment, mit dem er das Small-World-Phänomen populär machte[5].

Der Sozialpsychologe Stanley Milgram versuchte 1967 mit einem Experiment den sozialen Abstand zwischen zwei beliebigen Personen zu ermitteln. Zu diesem Zweck verteilte er an zufällig ausgewählte Probanden in Omaha (Nebraska) und Wichita (Kansas) Briefe, die an unbekannte Dritte in Boston (Massachusetts) gerichtet waren. Die Versuchspersonen sollten den Brief persönlich an einen Bekannten weitergeben, der ihrer Ansicht nach der Zielperson näher stand. Dieser Mittelsmann sollte ebenso verfahren, bis der Brief sein Ziel erreichte. Nur 64 von 296 Briefen erreichten ihr Ziel, und zwar mit zwei bis zehn Zwischenstationen. Die durchschnittliche Pfadlänge betrug 5,2. Darauf bezieht sich der Slogan »six degrees of separation«. So entstand die Vorstellung einer kleinen Welt (small world), in der grundsätzlich jeder Mensch auf dieser Welt über sechs Ecken mit jedem anderen bekannt ist. Dabei handelt es aber wohl eher um eine Wunschvorstellung.[6] Auch wenn es zwischen den vielen verschiedenen Netzen Brücken geben mag, so sind diese doch längst nicht von allen Knoten erreichbar. Realistischer ist deshalb das Bild einer Welt, die in viele Teilnetze separiert ist.
Milgram ging davon aus, dass jeder Mensch selbst bis zu 150 Menschen kennt, so dass sich die Zahl der indirekten Bekannten sehr schnell multipliziert. Wenn ich 150 Bekannte habe, die jeder wiederum 150 Menschen kennen, folgt daraus allerdings nicht, dass ich über 150 x 150 = 22.500 indirekte Bekannte verfüge, denn sehr wahrscheinlich sind die meisten Bekannten meiner Bekannten auch mit mir und ebenso untereinander bekannt. Das ist das Phänomen der Transitivität in der Triade: Wenn zwei Personen A und B in einem sozialen Netzwerk mit einer dritten Person C befreundet sind, ist es wahrscheinlich, dass früher oder später auch A und B Freunde werden. Außerdem bilden die Bekannten einer Person kein einheitliches Netzwerk. Aus Familie, Nachbarschaft, gemeinsamer Schulzeit oder berufliche Kontakten usw. wachsen verschiedene, oft durch soziale Schranken separierte Netzwerke. Dennoch erwies sich Milgrams These empirisch als mindestens teilweise zutreffend. Einzelne finden dann doch die Brücke, die aus den separierten Teilnetzen herausführt.

Der amerikanische Soziologe Marc S. Granovetter zeigte 1973 in seinem viel zitierten Aufsatz »The Strength of Weak Ties«[7] die Bedeutung von »schwachen« Beziehungen, die aus der engeren Gruppe herausführen.

Granovetter  war aufgefallen, dass mehr als zwei Drittel derjenigen, die eine neue Arbeitsstelle antreten, diese Stelle nicht über Stellenanzeigen oder die offizielle Arbeitsvermittlung, sondern auf informellem Wege durch persönliche Kontakte (Beziehungen) gefunden hatten. Über Beziehungen wurde auch eine bessere berufliche Platzierung und höhere Zufriedenheit erreicht.[8] Dabei hatten den Probanden in der Regel nicht enge Freunde, sondern entferntere Bekannte geholfen. Hilfreich waren also nicht die starken, sondern schwache soziale Beziehungen. In Deutschland oder in den Niederlanden beträgt der Anteil der informellen Jobvermittlung nur etwa ein Drittel. Aber die Regel von der Stärke schwacher Beziehungen gilt auch hier. Dieser Effekt ist immer wieder für Folgeuntersuchungen und Pressemeldungen gut.[9]
Der Grund für dieses Phänomen liegt darin, dass in starken Beziehungen viel Austausch stattfindet. Daher teilt man ohnehin schon die meisten Informationen und Bekannten. Außerdem ist die Zahl der starken Beziehungen ist begrenzt. Starke Beziehungen sind von hoher Kontakthäufigkeit und starker emotionaler Bindung gekennzeichnet. Eine Person kann kaum mehr als zehn solcher Beziehungen unterhalten. Dagegen sind schwache Beziehungen relativ häufiger. Ihre Stärke liegt daher auch in der Zahl. Sie resultiert dann vor allem daraus, dass sie das persönliche Netzwerk stark vergrößern und daher mehr Informationsmöglichkeiten bieten. Anders formuliert: Bekannte sind als Informationsquelle wichtiger als Freunde.
Schwache Beziehungen spielen vor allem bei qualifizierten Berufsgruppen eine Rolle. Nur am Beginn einer Karriere und beim Ausstieg aus Arbeitslosigkeit, die sich hauptsächlich aus dem »unteren« sozialen Bereich rekrutiert, können starke Beziehungen gelegentlich hilfreicher als schwache. Von der Stärke schwache Beziehungen profitieren damit vor allem die Mittelschichten, weil sie mehr Gelegenheit haben, Netzwerke mit schwachen Beziehungen aufzubauen.
Die Stärke schwacher Beziehungen zeigt sich nicht nur bei der Arbeitssuche, sondern bei allen »Suchen«, etwa bei der Suche nach Geschäftspartnern, Sexualpartnern oder nach spezifischen Informationen. »Suche« ist irreführend. Schwache Beziehungenbewähren sich besonders, wenn man nicht ausdrücklich sucht, aber doch einen latenten Bedarf hat. Viele der von Granovetter befragten Jobwechsler hatten mit ihrer Hilfe einen neuen Arbeitwsplatz gefunden, obwohl sie gar keinen gesucht hatten.

Das Kleine-Welt-Phänomen und die Stärke schwacher Beziehungen hängen miteinander zusammen. Es sind nicht eigentlich die weak ties, die die Stärke schwacher Beziehungen begründen, von der Granovetter gesprochen hatte, sondern die Knoten, die sonst getrennte Cluster oder Netzwerke verbinden (Jansen/Diaz-Bone und Hinweis auf Roland S. Burt[10]). Wenn man sich die Welt als eine Ansammlung von vielen selbständigen Netzen vorstellt, werden die Knoten wichtig, die eine Brücke bilden. Sie gestatten den Sprung von Netzwerk zu Netzwerk, der anscheinend weit entfernte Knoten leicht erreichbar macht. Sie schließen die von Burt so genannten strukturellen Löcher. Sie können sich als Makler betätigen und daraus Gewinn ziehen.

3)                          Netzwerke als Graphen und Matrizen

Grundlage der harten Netzwerkforschung ist die mathematische Graphentheorie. Sie versteht unter einem Netzwerk die Repräsentation beliebiger Objekte und ihrer Beziehungen durch Graphen. Für manche Zwecke eignet sich auch die Darstellung in Matrizen.

Ein Graph ist ein Set von Knoten, die durch Kanten verbunden sind. Die Knoten stehen für Objekte wie Menschen, Institutionen, Begriffe oder Internetadressen. Die Kanten repräsentieren die Beziehungen zwischen ihnen, Verwandtschaft oder Bekanntschaft, Informations-oder Ressourcentausch, logische oder semantische Zusammenhänge. Eine Matrix ist eine Kreuztabelle, die auf beiden Achsen alle Knoten verzeichnet und in deren Zellen eingetragen wird, ob zwischen je zwei Knoten eine Beziehung vorliegt. Auf dieser Grundlage ist ein ganzer Strauß von Begriffen und Methoden zur Analyse der Struktur von Netzen gewachsen. Die wichtigsten Begriffe sollen hier jedenfalls genannt werden.

Die Vernetzung eines jeden Knotens hat mehrere messbare Dimensionen.

  • Erstens kann man die Anzahl seiner (direkten) Kontakte mit anderen Knoten zählen (Grad des Knotens). Aus dem Verhältnis der Gradzahl zu den überhaupt möglichen Verknüpfungen ergibt sich die Zentralität des Knotens. Das Zentralitätsmaß kann dazu dienen, die Bedeutung oder den Einfluss einer Person in einem Netzwerk zu quantifizieren.
  • Zweitens lässt sich die Richtung der Kanten bestimmen. Die Kanten eines Graphs können ungerichtet (symmetrisch) sein wie zum Beispiel die Distanzen zwischen Punkten auf einer Landkarte. Oder sie sind gerichtet, entweder einseitig wie die Beziehung zwischen Kirchenglocken und der Gemeinde oder bidirektional wie das Gespräch am Telefon.
  • Drittens kann man die Gewichtung der Kanten = Qualität der Kontakte untersuchen. Gewichtet sind die Kanten, wenn ihnen unterschiedliche Werte zugewiesen werden, die etwa die Stärke eines Einflusses, Entfernungen, Kosten oder Sympathie ausdrücken sollen
  • Viertens lässt sich die Häufigkeit zählen, mit der diese Kontakte genutzt werden, sozusagen die Nutzungsfrequenz.

Wenn alle Maßzahlen die Vernetzung eines bestimmten Akteurs betreffen, spricht man von persönlichen oder Egonetzwerken. Individuen sind Mitglied vieler Gruppen. Sie haben nicht nur Beziehungen zu anderen Individuen, sondern auch ein Netzwerk von Mitgliedschaften (Sportverein, Kirchengemeinde, Partei, Gewerkschaft usw.) Die Daten, die die sozialen Beziehungen einer bestimmten Person auflisten, ergeben deren Soziogramm.

Maßzahlen für ein Netzwerk als Ganzes betreffen dessen Durchmesser und Dichte sowie die Clusterung und den Grad der Zentralisierung oder der Hierarchisierung.

  • Die Pfadlänge zwischen den Knoten gibt die Zahl der Zwischenschritte an, die notwendig sind, um die Distanz zwischen zwei bestimmten Knoten zu überwinden. Die kürzeste Dinstanz zwischen zwei Knoten wird geodätisch genannt.
  • In jedem Netzwerk gibt es eine maximale und eine durchschnittliche Pfadlänge. Eine durchschnittliche Pfadlänge kann man auch für einzelne Knoten (closeness) berechnen. Sie lässt sich als Maß für den Einfluss eines Knotens im Netzwerk interpretieren.
  • Der Durchmesser eines Netzwerks ist die kürzeste Pfadlänge zwischen den am weitesten voneinander entfernten Knoten. In sozialen Netzwerken ist diese Distanz relativ kurz. Daraus ergibt sich das Kleine-Welt-Phänomen.
  • Die Dichte oder Konnektivität eines Netzes hängt davon ab, wie viele der an sich möglichen Verbindungen zwischen den einzelnen Knoten bestehen. Ist jeder mit jedem Knoten verbunden, ist das Netz also vollständig, so spricht man von einem All-Channel-Netzwerk. Gibt es innerhalb größerer Netzwerke kleinere allseitig verbundene Gruppen, werden sie Cliquen genannt.
  • Führen viele geodätische Pfade durch einen Knoten, gewinnt dieser eine hohe Zwischenzentralität und wird zur Brücke, wenn er sonst getrennte Segmente des Netzwerks verbindet. Oder er wird zum Hub, wenn er für viele Knoten die einzige oder jedenfalls die wichtigste Verbindung zu anderen bildet. Die Knoten, die für ihre Verbindungen auf den Hub angewiesen sind, bilden ein Cluster.

Cliquen und Cluster sind häufige Konnektivitätsmuster. Netzwerke können aber auch kettenförmig, sternförmig oder pyramidal angelegt sein. So lassen sich auch Hierarchien als Netzwerke darstellen. Dazu sind Zentralitätsmaße entwickelt worden, die den Verknüpfungsgrad, Pfadlängen und das Gewicht von Beziehungen kombinieren, um die Zentralisierung von Netzen vergleichbar zu machen.

Modulare Struktur: Netzwerke haben meistens eine modulare Struktur, d. h. sie verfügen über mehrere relativ selbständige Teile, die Subnetz(werk)e in einem größeren Netz bilden.

In der soziologischen und ebenso in der rechtstheoretischen Literatur[11] werden daraus »Netzwerke von Netzwerken«. Vorbild ist das »Network of Networks«, das Noam als neue Organisationsform der Telekommunikation vorstellte, nachdem die zentralen Telefonnetze ihr Monopol verloren hatten.[12] Die die Vernetzung besteht dort in technischen Standards für Schnittstellen. Neidhardt hat soziale Bewegungen als »Netzwerke von Netzwerken« charakterisiert:
»Die Basis sozialer Bewegungen bilden … nicht einzelne Personen, sondern soziale Einheiten, Gruppen, Initiativen, Kollektive oder ähnliches (eben Netzwerke) mit unterschiedlichsten Verdichtungsgraden. Diese sozialen Gruppen werden durch eine komplexe Struktur unmittelbarer Interaktionen zu einer sozialen Bewegung vernetzt. Maßgeblich sind dabei unter anderem Freundschaften, Bekanntschaften und Mehrfachmitgliedschaften sowie Koordinationszentralen, Versammlungen, Arbeitskreise, Zeitschriften.«[13]

Eine scharfe Unterscheidung zwischen selbständigen Netzen, Subnetzen und gelegentlich auch bloßen Clustern und Cliquen lässt sich nur bei der modellhaften Darstellung in Graphen treffen. Für technische Netze, z. B. für das Internet ist von einem Subnetz die Rede, wenn die Knotenmenge eines Netzsegments untereinander so verbunden ist, dass sie auch ein selbständiges Netz bilden kann, wenn die Verbindung zu anderen Netzteilen oder zu einem größeren Netzverbund aber so gestaltet ist, dass die Abkopplung oder der Zusammenbruch des Subnetzes nicht zu einer Beeinträchtigung oder gar zum Zusammenbruch anderer Netzteile oder des ganzen Netzes führt. Bei realen sozialen Netzwerken verschwimmen die Grenzen. In einem Graphen kennt man Komponenten. Eine Komponente besteht aus einem oder mehreren Knoten, die untereinander verbunden sind, zu anderen in demselben Graphen aber keine Verbindung haben. Mit einem realen Netzwerk verbindet sich jedoch die Vorstellung, dass alle Knoten mindestestens indirekt miteinander verbunden sind. Von einem sozialen Netzwerk erwartet man in der Regel sogar eine gewisse Mindestdichte. Man betrachtet daher Gruppierungen, die im Graph modellhaft als Teilnetze erscheinen, als selbständig, auch wenn zwischen ihnen eine Brücke besteht, weil diese Brücke für die Masse der Netzknoten schwer zu finden ist. Deshalb ist die Rede von der Kleinen Welt zweideutig. Bei Milgram bezog sie sich auf die ganze reale Welt. Man kann sich diese Welt allerdings kaum als ein einziges soziales Netz vorstellen. Viel näher liegt der Gedanke an eine Ansammlung von vielen selbständigen Netzwerken, die sich teilweise überschneiden. Als selbständig erscheint ein Netzwerk, wenn die Konnektivität zwischen seinen Knoten eine relative Stärke erreicht. Eine einzelne Brücke in eine andere Knotenmenge reicht dann nicht aus, um beide Mengen als einheitliches Netzwerk erscheinen zu lassen. Trotzdem bleibt es bei der Kleinen Welt. Über die Knoten und Kanten mit Brückenfunktion sind die separaten Netze so miteinander verbunden, dass der Weg von einem beliebigen Punkt auf der Welt zu irgendeinem anderen oft über etwa sechs Netze hergestellt werden kann. Das Kleine-Welt-Phänomen gilt aber auch – und das ist praktisch wichtiger – innerhalb der selbständigen oder Teilnetze. Auch hier ist der längste Pfad zwischen zwei Kanten mit durchschnittlich sechs bis sieben im Hinblick auf die oft große Zahl der Knoten und ihre relativ geringe Vernetzung immer noch überraschend kurz.

4)                          Dynamik in Netzwerken

Bei der Vermessung realer Netzwerke haben sich Regelmäßigkeiten herausgestellt, die bei der Erklärung der Dynamik von Netzwerken helfen können. Eigentlich handelt es sich um regelmäßig auftretende Unregelmäßigkeiten, nämlich um Abweichungen von einer gedachten Zufallsverteilung.

Die Verbindung bestimmter Netzwerkeigenschaften mit dynamischen Systemvorgängen wie der Ausbreitung von Informationen, von Krankheiten oder Netzzusammenbrüchen gelang 1998 dem Soziologen Duncan J. Watts zusammen mit dem Mathematiker Steven H. Strogatz. Eigentlich wollten sie erklären, wie sich Epidemien ausbreiten. Sie ließen sich von dem Slogan »six degrees of separation« inspirieren, der das so genannte Small-World-Phänomen kennzeichnet.

Watts und Strogatz verglichen zunächst in Modellrechnungen Zufallsnetzwerke mit solchen mit starkem Clustering. Dabei fanden sie, dass sich beispielsweise eine Infektion in einem Zufallsnetzwerk schnell in alle Richtungen ausbreitet und alle Knoten erreicht. Dagegen zeigte sich, dass Krankheiten in geclusterten Netzwerken mit kurzen Pfadlängen sich kaum über das Cluster hinaus verbreiten. Das war eigentlich nicht anders zu erwarten. Aber neu war die Erkenntnis, dass es ausreicht, wenn nur wenige Knoten aus dem Cluster heraus mit dem weiter ausgreifenden Netzwerk verbunden sind, um eine Krankheit beinahe genauso schnell zu verbreiten wie in einem Zufallsnetzwerk. Damit hatten sie zunächst das Kleine-Welt-Phänomen bestätigt. Watts und Strogatz zeigten weiter, dass Small-World-Networks in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen vorkommen. Ihre Beispiele waren ein Netzwerk von Filmschauspielern, das Elektrizitätsnetz im Westen der USA und und das Nervengeflecht des Wurms worm Caenorhabditis elegans. Auf dieser Basis entwickelten sie die heute als gesichert geltende These, dass die Kleine-Welt-Architektur in Natur, Technik und Gesellschaft weit verbreitet ist, und dass diese Netzwerkstruktur dramatische Effekte bei der Ausbreitung von Ereignissen haben kann. Wenn wirklich jeder Deutsche im Schnitt über nur sechs Ecken mit einer von der Vogelgrippe in Südostasien erkankten Person bekannt war, dann war die schnelle Reaktion der Behörden voll gerechtfertigt.

Watts und Strogatz wollten aber auch erklären, wie ein Schwarm von Baumheuschrecken es schafft, dass alle gleichzeitig zirpen. Sie konnten zeigen, dass auch das Phänomen der Synchronisation sich netzwerkanalytisch beschreiben lässt. Wenn Netzwerk-Knoten über eine eigene Dynamik verfügen, wie Zellen, Insekten oder Menschen, dann kann eine starke Vernetzung zu gleichen Knotenzuständen und Verhaltensmustern führen. Wenn sich zunächst nur kleine Einheiten synchronisieren, kann bei stärkerer Verkopplung zu einem Phasenübergang kommen, so dass sich nunmehr alle Knoten im Netz einheitlich verhalten. Das Ergebnis eines Phasenübergangs wird oft als Selbstorganisation angesprochen; dazu näher § 71 unten.

5)                          Skalenfreie Netzwerke und das Potenzgesetz

Mathematisch lässt sich ein Zufallsnetzwerk konstruieren, in dem alle Knoten mit gleich vielen anderen in gleicher Distanz verbunden sind und in dem diese Verbindungen gleichmäßig oft für Kontakte genutzt werden.[14] Von realen Netzwerken könnte man eine Normalverteilung nach Art der Gaußschen Glockenkurve erwarten. Tatsächlich bilden sich in realen Netzen typisch so genannte Hubs, die eine überdurchschnittliche Zahl von Kontakten auf sich ziehen. Um solche prominente Knoten entstehen Gruppen von Knoten, die besonders aktiv und untereinander dichter verbunden sind als mit dem Rest des Netzwerks (Cluster, Cliquen, Communities). Aber damit nicht genug.

Als Barabási und Albert 1998 begannen, das Internet als Netzwerk zu analysieren, vermuteten sie, dass jeder Nutzer bei der Verlinkung seiner Seite seinen individuellen Interessen folgen und sich daraus gleichmäßige Verteilung der Links über die riesige Anzahl verfügbarer Knoten ergeben würde.[15] Im Internet stießen Barabási und Albert jedoch auf ein anderes Verteilungsmuster. Über 80 % der Webseiten waren höchstens vier Mal verlinkt. Eine winzige Minderheit dagegen, nämlich weniger als 0,01 % aller Knoten, hatten mehr als 1000 Links auf sich gezogen. Später wurden sogar Webseiten mit mehr als 2 Millionen Links gefunden. Die Auswertung der Zahlen zeigte, dass die Verteilung der Links einem Potenzgesetz (power law) folgt. Sie unterscheidet sich von der Normalverteilung dadurch, dass die Masse der Werte sich nicht in der Nähe des Durchschnitts hält, sondern dass Extremwerte auftreten, die Masse der Werte aber weit unter dem Durchschnitt liegt. Im Internet gibt es wenig Durchschnittsknoten. Die Zahl der eingehenden Links fällt extrem stark ab. Wenige Hubs ziehen die Masse der Verbindungen auf sich und die andern bilden den so genannten long tail.

Ähnliche Verteilungsmuster fanden Barabási und Albert bei anderen realen Netzwerken, etwa für die Zusammenarbeit unter Hollywood-Schauspielern oder bei Zitationsnetzwerken von Wissenschaftlern. Netze mit dieser Eigenschaft werden scale-free (skalenfrei oder skaleninvariant) genannt, weil ihr Wachstum unabhängig von einem inneren Maßstab ist.

Dazu kann man sich vorstellen, dass manche Systeme nicht mehr funktionieren, wenn sie zu groß werden. Menschen wiegen selten mehr als 150 kg. Steigt das Gewicht weiter, werden sie bewegungsunfähig und schließlich versagen die Körperfunktionen. Statistisch gesehen gilt für das Körpergewicht von Erwachsenen eine Art Normalverteilung. Analog liegt es mit Bäumen oder Hochhäusern. Bäume wachsen nicht in den Himmel, und Häuser kann man nicht beliebig hoch bauen. Irgendwann würden sie unter ihrem Eigengewicht zusammenbrechen. Dagegen scheint dem Wachstum von Städten oder Staaten – und auch des Internet – keine natürliche Grenze gesetzt zu sein. Sie sind größenordnungsunabhängig = skalenfrei.

Die Frage ist natürlich, warum sich in realen Netzen die Masse der Verbindungen auf wenige Superknoten konzentriert. Dafür gibt es zwei Erklärungen, deren zweite das Gewicht der ersten verstärkt. Die Modellvorstellung von Zufallsnetzwerken geht davon aus, dass das Netz fertig ist. Reale Netze wachsen meistens aus sehr kleinen Anfängen. Wenn das Netzwerk sich erweitert, werden als Partner häufiger solche Knoten gewählt, die bereits über eine größere Anzahl von Kontakten verfügen. Das hat zur Folge, dass die älteren Knoten größere Chancen haben, Verbindungen von neuen Teilnehmern auf sich zu ziehen. Die zweite Erklärung ergibt sich daraus, dass die Netzknoten unterschiedliche »Tauschwerte« besitzen. Die Beziehung zu einem prominenten Knoten verspricht größeren Gewinn als die Anknüpfung bei einem Nobody und wird deshalb vorgezogen (preferential attachment). Die Prominenz eines Knotens steigt nicht zuletzt mit der Zahl seiner Verbindungen. Es zeigt sich eine Eigendynamik (oder Selbstorganisation), durch die die Großen noch größer werden. Das ist das Prinzip der Vorteilsakkumulation (accumulated advantage), auch als Matthäus-Prinzip[16] bekannt.

Viele, aber nicht alle realen Netze sind in diesem Sinne skalenfrei. Künstlich aufgebaute Netze (Autobahnnetze, Eisenbahnnetze oder Elektrizitätsnetze) zeigen meistens eine Normalverteilung. Für soziale Netzwerke gibt es anscheinend keine allgemeine Regel. Was für das Internet gilt, wenn man es denn als soziales Netzwerk ansieht, gilt kaum für Kleingruppen.

Mit einer zusammenfassenden Arbeit von Réka Albert und Albert-László Barabási von 2002[17] war die Entwicklung der harten Netzwerkforschung zunächst abgeschlossen. Schnell folgten einige Bücher, welche die Ergebnisse popularisierten.[18] Auf der Grundlage der soweit konsolidierten Netzwerktheorie starteten Christakis und Fowler 2002 eine groß angelegte empirische Untersuchung anhand der Daten der Framingham-Studie, die sie 2009 in einem Buch dokumentierten, das dem Interesse an Netzwerken noch einmal neuen Schub gab.[19] Ein wichtiges Ergebnis: Der persönliche Einfluss reicht nur über drei Grade der Bekanntschaft. Die Untersuchung bietet damit eine gewisse Bestätigung für die so genannte Dunbar-Zahl, die besagt, dass die Evolution den Menschen so ausgestattet hat, dass er nur zu etwa 150 anderen persönliche Beziehungen unterhalten kann.[20]

Vor dem Hintergrund der neuen Netzwerkforschung entdeckte man auch die Bedeutung der Arbeiten von Oliver Williamson und vor allem von Elinor Ostrom, die eigentlich schon aus den 1980er und den 1990er Jahren stammen. Der Nobelpreis für Williamson und Ostrom und die Veröffentlichung des Buches von Christakis und Fowler löste 2009 noch einmal eine Popularisierungswelle aus.

II.  Von der Beziehungssoziologie zur Netzwerkanalyse

Literatur: Manuel Castells, Das Informationszeitalter. Teil I: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, 2001 [The Rise of the Network Society, 1996, 2. Aufl. 2011]; Mark S. Granovetter, Economic Action and Social Structure. The Problem of Embeddedness, American Journal of Sociology 91, 1985, 481-510; Boris Holzer/Johannes F. K. Schmidt, Theorie der Netzwerke oder Netzwerk-Theorie?, Soziale Systeme 15, 2009, 227-2; Dorothea Jansen/Rainer Diaz-Bone, Netzwerke als soziales Kapital. Konzepte und Methoden zur Analyse struktureller Einbettung, in: Johannes Weyer (Hg.), Soziale Netzwerke, Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung, 2. Aufl. 2011, 74-108; Renate Mayntz, Policy-Netzwerke und die Logik von Verhandlungssystemen, in: Adrienne Heritier (Hg.), Policy-Analyse. Kritik und Neuorientierung, Politische Vierteljahresschrift 34 Sonderheft 24, 1993, 39-56; Elinor Ostrom, A General Framework for Analyzing Sustainability of Social-Ecological Systems, Science 2009, 325, 419-422; Walter W. Powell, Neither Market nor Hierarchy: Network Forms of Organization, Research in Organizational Behavior 12, 1990, 295-336 (Walter Powell, Weder Markt noch Hierarchie: Netzwerkartige Organisationsformen, in: Patrick Kenis/Volker Schneider (Hg.), Organisation und Netzwerk, 1996, 213-271); Volker von Prittwitz, Die dunkle Seite der Netzwerke. Strategien gegen Vermachtung und Korruption: Grundlagen kritischer Netzwerktheorie, 2001; Andreas Wald/Dorothea Jansen, Netzwerke, in: Arthur Benz u. a. (Hg.): Handbuch Governance, 2007, 93-105; Veronika Tacke, Systeme und Netzwerke – oder: Was man an sozialen Netzwerken zu sehen bekommt, wenn man sie systemtheoretisch beschreibt, Netzwerke, Systemtheorie und Soziale Arbeit. Journal der dgssa 2, 2011, 6-24; Gunther Teubner, Die vielköpfige Hydra: Netzwerke als kollektive Akteure höherer Ordnung, in: Wolfgang Krohn/Günter Küppers (Hg.), Emergenz, 1992, 535-561; Oliver E. Williamson, Markets and Hierarchies, Analysis and Antitrust Implications: A Study in the Economics of Internal Organization, New York 1975.

1)                          Methodisches Konzept oder Sozialstruktur

Jede Relation zwischen zwei und mehr Objekten lässt sich mit dem Netzwerkvokabular von Knoten und Kanten beschreiben. Die Netzwerkanalyse ist daher in erster Linie ein methodischer Ansatz, mit dem sich soziale Beziehungen aller Art untersuchen lassen. Sie dient der Operationalisierung beliebiger sozialer Beziehungen zum Zwecke der Messbarmachung und hat keinen selbständigen Erklärungswert.

Leopold von Wiese schwebte eine Beziehungssoziologie vor, die die Gesellschaft als die Menge der Relationen zwischen ihren Akteuren betrachten sollte. Dafür hätte die Netzwerkanalyse eine universelle Methode geboten. Doch seine Beziehungslehre hat sich nicht durchgesetzt, weil die Beziehungen zwischen sozialen Akteuren weitgehend in Strukturen verfestigt sind. Die Beziehungslehre müsste diese Strukturen ständig neu aus einer Beziehungsanalyse rekonstruieren. Das wäre, als wenn man eine Straße jedes Mal neu baute, bevor man sie befährt. So ganz haben die Soziologen das Verständnis von Netzwerken als allgemeine Beziehungslehre aber noch nicht aufgegeben; vgl. Holzer/Schmidt.

Die Gesellschaft als Ganzes ist kein Netzwerk. Genauer: man kann sie vielleicht als Netzwerk begreifen. Aber eine Totalanalyse würde alle Forschungskapazitäten hoffnungslos überfordern. Es ist auch kein Netzwerk erkennbar, das als Superstruktur für alle anderen Formationen der Gesellschaft in Betracht käme. Der Versuch des spanischen Soziologen Manuel Castells, die Gesellschaft als primär in Netzwerken organisiert zu beschreiben, hat sich aus gutem Grund nicht durchgesetzt. Die verbreitete Rede von der Netzwerkgesellschaft erweckt den Eindruck einer soziologischen Theorie. Als solche ist sie jedoch nicht ausgearbeitet, und angesichts des Theorieangebots der Soziologie besteht dafür kein Bedarf.

Heute geht es eigentlich nur noch um die umgekehrte Frage, ob »das Netzwerk« eine Sozialstruktur sui generis ist. Aber auch diese Frage ist im Grunde genommen müßig. Es sind schon so viele Netzwerke benannt und beschrieben worden, dass man sagen kann: Es gibt Netzwerke. Deshalb kommt es darauf an, die Besonderheit von sozialen Netzwerken im Vergleich zu anderen sozialen Strukturen herauszustellen.

Die Funktion sozialer Netzwerke für die Koordination von unverbundenen Handlungen zeigt sich, wenn man Netzwerke und Organisationen mit alternativen Formen der Handlungskoordination vergleicht. Diese Betrachtungsweise geht auf die Transaktionskostentheorie zurück, wie sie durch Coase begründet und durch Williamson ausgebaut wurde (§ 29 I 6). Usprünglich ging es dabei nur um den Vergleich zwischen Markt und Firma. Die Theorie der Firma fragt, ob es günstiger ist, eine Leistung am Markt zu erwerben oder sie innerhalb einer Unternehmenshierarchie zu erstellen. Der Markt koordiniert Wissen, Fähigkeiten und Ressourcen über den Preis. Aber Preise, die duch Angebot und Nachfrage gebildet werden, sind nicht immer verfügbar. Und manches, was man einkaufen könnte, lässt sich nur schwer kontrollieren. Das gilt besonders für Informationen und höhere Dienste. Innerhalb einer Firma erfolgt die Koordination durch Weisung. Aber an der Spitze der Firmenhierarchie fehlen oft die Kenntnisse, die notwendig wären, um eine optimale Weisung zu geben. 1990 stellte Powell Netzwerke als spezifischen Typus der Koordination ökonomischer Prozesse heraus, der die Defizite von Markt und Hierarchie bis zu einem gewissen Grade vermeiden könne. Er charakterisierte Netzwerke dazu als auf Dauer gestellte, eher informale Verhandlungs- und Tauschverhältnisse. In Ökonomie und Soziologie hat sich seither ein gewisser Konsens herausgebildet, dass es sinnvoll ist, Markt und Hierarchie (in der Gestalt der Firma) nicht als die Enden eines Kontinuums zur Koordination von interdependenten Handlungen anzusehen, sondern Netzwerke als dritten Typus der Handlungskoordination – und damit als Sozialstruktur eigener Art – zu begreifen.

Der von der Transaktionskostentheorie angeleitete Vergleich von Netzwerken mit dem Markt einerseits und der »Hierarchie« andererseits ist für die Rechtssoziologie zu schmal, denn er konzentriert sich auf Markt und Firma, also auf ökonomische Institutionen. Die Rechtssoziologie muss die sozialen Strukturen der öffentlichen Sphäre außerhalb der Ökonomie einbeziehen. Der Netzwerkbegriff ist insoweit unspezifisch. Er passt auf wirtschaftlich relevante Beziehungsgeflechte ebenso wie auf solche im öffentlichen Bereich. Das hierarchische Gegenstück zur »Firma« bilden in der öffentlichen Sphäre alle bürokratisch strukturierten öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, von der kleinen Fachbehörde bis zum großen Staat. Der Einfachheit halber kann man insoweit von Behörden sprechen.

Für die hierarchische Spitze einer Behörde, insbesondere natürlich für die Spitze des Staates, stellen sich ähnliche Probleme ein wie für eine Unternehmensleitung. Es fehlen Informationen, die man bräuchte, um die richtige Weisung zu geben. Die staatliche Spitze ist weniger hierarchisch als eine Unternehmensleitung. Viele wollen und sollen mitreden, bis eine Weisung ergeht. Ein Unterschied zwischen Unternehmen und Behörden besteht deshalb darin, dass Unternehmen die Reaktion der Abnehmer des Endprodukts intern antizipieren müssen, während in der öffentlichen Sphäre auch die Abnehmer aktiver an der Herstellung der Weisungen beteiligt sind, die den Entscheidungen vorausgehen. Dennoch besteht, wenn es um hierarchische Steuerung geht, zwischen Wirtschaftsunternehmen und Behörden so viel Ähnlichkeit, dass beide unter der Sammelbezeichnung Organisation dem Netzwerk gegenübergestellt werden können. Die Erweiterung des Typenvergleichs auf Behörden wird in der so genannten Governance-Diskussion geleistet, die sich mit der Koordination von interdependenten Handlungen auch jenseits ökonomischer Transaktionen befasst (Wald/Jansen).

Es fehlt im öffentlichen Bereich an einer Entsprechung zum Preismechanismus des Marktes. Einen gewissen Ersatz bietet die kollektive Willensbildung durch Abstimmungen. Deshalb ist es angezeigt, die Demokratie als vierten Typus der Handlungskoordination zu berücksichtigen. Wenn man das Netzwerk als Strukturbegriff versteht, dann bildet es also einen Kontrast nicht nur zu Markt und und Hierarchie, sondern auch zur Demokratie.

2)                          Netzwerke zwischen Markt, Hierarchie und Demokratie

a)                                Soziale Netzwerke und ihre Basis

Die Besonderheit von sozialen Netzwerken wird deutlich, wenn man zwischen den Netzwerken als solchen und ihrer Einbettung in andere soziale Strukturen oder Organisationen unterscheidet. Netzwerke brauchen eine Basis oder Plattform. Zwar gibt es für Netzwerke, anders als für Organisationen, keine förmlichen Zugangsregelungen für die Mitgliedschaft. Aber nicht jeder kann beliebige Beziehungen aufnehmen, sei es, um sich einem bestehenden Netzwerk anzuschließen, sei es, um ein neues aufzubauen. Richter des Bundesverfassungsgerichts können sich ohne weiteres an Richterkollegen der Verfassungsgerichte anderer Staaten wenden, um sich mit ihnen über ihre Praxis auszutauschen. Wenn dagegen ein Jurastudent an einen Richter des US Supreme Court mailte, etwa um nach Problemen im Verhältnis von Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik zu fragen, bliebe er ohne Antwort. Kommunikationschancen ergeben sich erst aus einer vorgefundenen Sozialstruktur, insbesondere aus der Zugehörigkeit zu Gruppen oder Organisationen und den damit verbundenen Rollenerwartungen. Insofern sind soziale Netzwerke sekundäre Strukturbildungen (Tacke, S. 13).

Man ist leicht geneigt, insofern von struktureller Einbettung zu sprechen. Das kann zu einem Missverständnis führen, denn der Begriff der Einbettung (embeddedness) ist durch Granovetter gerade auch im Zusammenhang mit der Netzwerkanalyse in etwas anderer Bedeutung geläufig geworden. Granovetter meinte nicht die Einbettung von Netzwerken in andere soziale Beziehungen, sondern die soziale Einbettung von Marktteilnehmern. Sein Ziel war letztlich eine Kritik der scharfen Gegenüberstellung von Markt und (Firmen-)Hierarchie bei Williamson. Granovetter setzte ein mit der abstrakten Frage, ob und wie ökonomische Transaktionen sich verändern, je nach dem ob die Akteure, sei es am Markt, sei es in einer Firma, in besondere soziale Beziehungen eingebettet sind. Dazu kontrastierte er zwei grundsätzliche Positionen. Die eine ist untersoziologisiert (undersocialised). Sie wird insbesondere für Marktteilnehmer vertreten, die im Extremfall nach dem Modell des homo oeconomicus als völlig beziehungslos gedacht werden. Die Gegenposition ist übersoziologisiert (oversocialised). Sie geht davon aus, dass Menschen grundsätzlich nicht utilitaristisch handeln, sondern den Erwartungen folgen, die sich aus ihren sozialen Beziehungen ergeben. Man könnte vom Modell des homo sociologicus sprechen, des sozialen Depps, der tut, was seine Rolle von ihm verlangt. Die Wahrheit liegt natürlich, wie so oft, in der Mitte. Gegen Williamson gerichtet meinte Granovetter aber, der Markt werde von diesem viel zu beziehungslos gedacht.
Nicht zuletzt unter Berufung auf die in der Rechtssoziologie geläufigen Untersuchungen von Macaulay stellte er dar, wie auch Marktteilnehmer vielfältig in sozialen Beziehungen miteinander verbunden sind. Viele dieser Beziehungen lassen sich ohne weiteres als Netzwerke einordnen. Das alles läuft darauf hinaus, die Gegenüberstellung von Markt, Hierarchie und nunmehr auch Netzwerk zu relativieren, weil grundsätzlich alle Transaktionen, ganz gleich ob am Markt oder in der Firma, mehr oder weniger in Netzwerke oder interpersonale Beziehungen eingebunden sind.

Der soziale Hintergrund wirkt als Kommunikationsplattform, die es ermöglicht, sich anzubieten und andere anzusprechen. Ein sozialer Akteur kann zum Netzwerkknoten werden, indem er eine bereitstehende Kommunikationschance ergreift. Damit kann er sich einem bestehenden Netzwerk anschließen oder den Anfang für ein neues Netz legen. Prinzipiell kann jede soziale Formation, die Kommunikationen ermöglicht, zur Basis eines Netzwerks werden. Enge Plattformen dieser Art waren und sind Familie und Nachbarschaft. Kommunikationschancen ergeben sich aus der gleichen Lebenslage von Minderheiten, seien sie Eliten oder Diskriminierte. Viele Zusammenschlüsse haben von vornherein den Haupt- oder Nebenzweck, Netzwerkplattform zu sein. Das gilt für viele Vereine, Industrie-, Lions- und Rotary-Clubs oder studentische Verbindungen.

Zur Netzwerkplattform schlechthin ist das Internet geworden. Wer über die Kompetenz verfügt, mit dem Internet umzugehen, darf Kommunikationsangebote machen und sich als »Knoten« präsentieren, wie es Blogger tun. Im Internet haben sich speziellere Plattformen entwickelt, die sich zur Netzwerkbildung empfehlen, insbesondere natürlich die »sozialen Netzwerke« wie Facebook und Twitter. Aber Facebook und Twitter sind als solche keine sozialen Netzwerke, sondern bloß Kommunikationsplattformen, die zum Netzwerken einladen, weil sie qua Mitgliedschaft Rollen schaffen, aus denen heraus man die Kommunikation mit unbestimmten und unbekannten Anderen aufnehmen kann.

Netzwerken heißt, Tauschfähigkeit und Tauschbereitschaft zu kommunizieren. Was am Ende dabei herauskommt, ist »ein Tauschmodus, der mit einer eigenen Logik ausgestattet ist« (Powell 1996, 217 f., 220). Bei der Tauschoperation im Netzwerk können Leistung und Gegenleistung ex ante unbestimmt bleiben; sie sind nicht unmittelbar und direkt miteinander verknüpft. Geld spielt als Tauschmittel eine ganz untergeordnete Rolle. Das Minimum, das ein jeder anzubieten hat, ist seine Stimme. Er kann den Gefällt-mir-Button drücken. Damit kann er anderen zu Anerkennung = Reputation verhelfen. Viele versuchen, darüber hinaus Informationen zu offerieren, und seien es auch nur solche über die eigenen Interessen und Bedürfnisse. Manchmal wird nichts angeboten, sondern nur Hilfe erfragt. Aber helfen macht glücklich, und so kann auch mit einem Hilferuf der Sprung in ein Netzwerk gelingen.

Starke Tauschpartner netzwerken bevorzugt mit ihresgleichen. Stark sind besonders solche Akteure, die Ressourcen, die sie ins Netzwerk einbringen, aus ihren primären Sozialstrukturen schöpfen können. Das gilt insbesondere, wenn diese primäre Sozialstruktur eine Organisation ist. Dann bilden Netzwerke sozusagen Parasiten der etablierten Strukturen (Tacke S. 16f.).

b)                                Intra- und interorganisationale Netzwerke

Organisationen sind keine hermetisch geschlossenen Einheiten. Innerhalb einer Organisation gibt es Querverbindungen zwischen Organisationsteilen, die im Plan der Organisation nicht vorgesehen sind. Nach außen stehen Organisationen in Kontakt mit anderen Organisationen, die gleichfalls nicht auf dem Programm stehen. Diese Querverbindungen lassen sich als Netzwerk darstellen. Als Knoten erscheinen dann Organisationen als ganze (Unternehmen, Behörden) oder deren Teile (Abteilungen, Niederlassungen, Ausschüsse usw.). Das Netzwerk kann innerhalb ein und derselben Organisation bestehen, zwischen verschiedenen Organisationen oder zwischen Organisationsteilen und Organisationen. Die Beziehungen können sich auf den Austausch von Informationen beschränken. Sie können den Austausch von Gütern oder Diensten oder die gemeinsame Nutzung von Ressourcen zum Gegenstand haben. Oder sie können in unterschiedlichen Formen der Beteiligung (Eigentum, Aufsichtsgremium) oder in Kooperation (Wettbewerbsvereinbarungen, gemeinsames Lobbying usw.) bestehen.

Die Entdeckung der informalen Organisation durch Roethlisberger und Dickson in den 1930er Jahren (§ 79 III 2) war der Sache nach die Entdeckung intraorganisationaler Netzwerke, ohne dass der Begriff schon eine Rolle gespielt hätte. Der Netzwerkbegriff kam erst bei den interorganisationalen Netzwerken ins Spiel. Zunächst begannen Ökonomen, informelle Querverbindungen zwischen Unternehmen als Netzwerke wahrzunehmen. Auf Netzwerke wurde man dann auch bei der Entdeckung kooperativen Verwaltungshandelns und vor allem bei der Beobachtung der Globalisierung aufmerksam.

Die Netzwerkbeziehungen können zwischen den Organisationen als solchen bestehen oder als persönliche Netzwerke unter Mitgliedern verschiedener Organisationen. Transnationale Netzwerke mit Organisationen als Knoten hat man etwa in der Verwaltung beobachtet. Persönliche Netzwerke gibt es zwischen Parlamentariern, Richtern, Wissenschaftlern Gewerkschaftsmitgliedern oder Musikern (über transnationale persönliche Netzwerke § 96 I 2). In Großstädten treffen sich mit einiger Regelmäßigkeit die Behördenchefs (Oberbürgermeisterin, Landgerichtspräsident, Polizeipräsident, Universitätsrektor und einige mehr) zu einem Austausch. Solche persönlichen Netzwerke sind exklusiv und oft elitär. Das heißt, der Zugang ist eng begrenzt, und die beteiligten Personen verfügen über Einfluss und Ressourcen aus ihrer Organisationszugehörigkeit. Das kann die Versuchung begründen, dass die Beteiligten die Ressourcen der Organisation nicht in deren, sondern im eigenen Interesse nutzen. Dann handelt es sich je nachdem um Korruption oder Veruntreuung. Vor allem aber gibt ihnen das Netzwerk die Möglichkeit, informell im Interesse ihrer Organisation zu handeln. Das kann zwar durchaus funktional sein, ist aber mit Rechtsstaat und Demokratie nicht immer leicht vereinbar.

Gezielt aufgebaute Intraorganisationsnetzwerke werden oft als strategische Netzwerke bezeichnet.

c)  Typenvergleich zwischen Netzwerk, Markt und Organisation

Sozialer Tausch: Überall wird getauscht, am Markt Güter aller Art, in der Organisation Pflichterfüllung gegen Bezahlung und Status. Im Netzwerk wird schon das Tauschpotenzial selbst zur Ressource. Das Netzwerk erweitert die Handlungsmöglichkeiten seiner Mitglieder, indem es ihnen eine gewisse Sicherheit bietet, bei Bedarf auf das Tauschpotenzial der anderen zurückzugreifen. Auf diese Weise schaffen Netzwerke soziales Kapital (Jansen 2006, 26 ff; Jansen/Diaz-Bone 2011). Netzwerke können aber auch soziale Kontrolle ausüben. Dieser Gesichtspunkt findet wenig Aufmerksamkeit.

Zugang: Netzwerke gelten hinsichtlich der Zugangsmöglichkeit für neue Mitglieder als offen. Der (freie) Markt fordert keine Mitgliedschaft und hat auch sonst, Leistungsfähigkeit vorausgesetzt, keine Zugangsbarrieren. Mitglied – oder besser, Funktionär – einer Organisation wird man durch Beitritt oder Aufnahme, jedenfalls durch eine Entscheidung (Luhmann GdG S. 829). Die Zugehörigkeit zu einem sozialen Netzwerk erwirbt man, indem man sich daran beteiligt. Zwar gibt es für Netzwerke, anders als für Organisationen, keine förmlichen Zugangsregelungen. Anders als bei Organisationen die Mitgliedschaft ist die Zugehörigkeit zu Netzwerken nicht deutlich abgegrenzt. Aber nicht jeder kann beliebige Beziehungen aufnehmen. Um Mitglied in einem Netzwerk zu werden, braucht man eine vorstrukturierte Kommunikationschance. Offen bleiben die Netze nur, solange die Tauschgüter relativ belanglos sind. Steigt der Einsatz, so verfestigt sich das Netz. Mit zunehmendem Gewicht der Tauschangebote und mit der gesellschaftlichen Relevanz des Netzwerks wachsen die Zugangsbarrieren.

Interne Offenheit: Die Offenheit betrifft auch den Erfolg innerhalb des Netzwerks. Die Informalität des Netzwerks gestattet es den Beteiligten, sich einzubringen, die Konnektivität zu verbessern, die Beziehungen zu pflegen und sie dadurch zu stärken. In Netzwerken herrscht daher große Betriebsamkeit aufstiegsorientierter Mitglieder.

Attraktivität: Die Attraktivität von Netzwerken für Mitglieder und Beitrittskandidaten hängt davon ab, ob sie den Beteiligten einen Mehrwert bieten. Ein Mehrwert ergibt sich regelmäßig aus der Komplementarität der Ressourcen. Das ist nicht anders als auf dem Markt. Die möglichen Tauschgüter bestimmen das Thema oder den Zweck des Netzwerks. Als netzwerktypisch lässt sich wohl nur angeben, dass immaterielle oder nicht marktgängige Güter im Vordergrund stehen. Für Netzwerke gilt aber die Grundregel, dass Mitglieder beim Tausch bevorzugt werden. Darin unterscheiden sie sich vom Markt. Die Zugehörigkeit zum Netz wird dadurch selbst zum Wert. Anders als auf dem Markt wird nicht nach jeder Transaktion abgerechnet. Es werden Kreditbeziehungen aufgebaut. Dabei hat schon die bloße Leistungsbereitschaft ihren Tauschwert.

Dynamik I: Netzwerke gelten insofern als dynamisch, als laufend alte Knoten und Kanten aufgelöst und neue gebildet werden. Darin sind sie dem Markt ähnlicher als der Organisation. Es gibt aber auch sehr stabile Netzwerke.

Dynamik II: In Netzwerken wird laufend alles Mögliche prozessiert. Sie leben von Kontakten, also vom Austausch von Informationen, Sachen oder Diensten. Das ist der normale Netzfluss. Wenn Knoten jedoch über eine eigene Dynamik verfügen wie lebende Zellen oder Menschen, dann können sich die Inhalte mit der Weitergabe von Station zu Station verändern. Viren können sich vermehren. Informationen können sich verändern.

Dynamik III: Eine dritte Art der Dynamik von und in Netzwerken zeigt sich darin, wie weit und wie schnell sich innerhalb des Netzwerks bestimmte Phänomene (Nachrichten, Krankheiten usw.) ausbreiten. Sie zeigt sich ferner in ihrer Reaktion auf den Ausfall einzelner Knoten oder ganzer Cluster. Die Dynamik hat Folgen für die Außenwirkungen des Netzwerks (Externalitäten). Netze (Internet, Stromversorgung) schaffen positive Externalitäten und provozieren damit oft exponentielles Wachstum. Ihr Zusammenbruch führt umgekehrt zu großen Schäden. Entsprechendes gilt für komplexe soziale Netzwerke wie den globalen Handel oder die Finanzwirtschaft.

Expansivität: Netzwerke sind nicht typisch expansiv. Sie sind zwar insofern auf Expansion angelegt, als sie keinen numerus clausus kennen und der Wert der Netzwerkmitgliedschaft mit der Größe des Netzwerks steigen kann. Ob sie aber expandieren oder schrumpfen, steht auf einem anderen Blatt. Für technische Netze (Telefon, Twitter) gilt, dass sie ein sich selbst verstärkendes Wachstum zeigen können, wenn sie eine kritische Menge von Teilnehmern auf sich vereinigt haben, denn mit der Größe des Netzes steigt ihr Wert für die Teilnehmer. Netzwerke dagegen, die auf sozialen Beziehungen aufbauen, können nur begrenzt wachsen, denn mit der Zahl der Teilnehmer steigt die Anzahl der Kontaktmöglichkeiten exponentiell, so dass sich die Beziehungen ausdünnen.

Dauerhaftigkeit: Auch Dauerhaftigkeit ist keine typische Netzwerkeigenschaft. Netzwerke können einfach erlöschen. In der Politikwissenschaft hat man themenspezifische Netzwerke beobachtet, die mit der Erledigung des Themas zusammenfallen.

Hohe Konnektivität gehört zur typischen Vorstellung von sozialen Netzwerken. Der Markt hat keine spezifischen Kommunikationswege. Die Demokratie wendet sich an die Öffentlichkeit. Öffentlichkeit bedeutet, dass es an einer individuellen Ansprache fehlt. In Organisationen verläuft die Kommunikation entlang der Hierarchie über einen »Verteiler«von oben nach unten und auf dem Dienstweg von unten nach oben. In einem Netzwerk sind die Akteure kreuz und quer miteinander verbunden. Diese Konnektivität schafft Kommunikationsvoraussetzungen, die der Massenkommunikation und ebenso der organisierten Kommunikation überlegen sind. Während Massenkommunikation zur Passivität verurteilt, bleibt bei der Netzwerkkommunikation die Souveränität der Akteure weitgehend gewahrt. Die Folge ist prinzipiell eine größere Pluralität der Informationsbeiträge. Gegenüber der Individualkommunikation bietet das Netzwerk eine größere Chance der Multiplikation und Innovation.

Heterarchie: Marktteilnehmer und Wähler bilden ihre Präferenzen und treffen ihre Entscheidungen je für sich (dezentral und unabhängig). In Hierarchien folgen Funktionäre mit ihren Aktionen den Weisungen der Spitze. Netzwerkangehörige entscheiden sich mit dem Blick auf mögliche Reaktionen anderer, insofern interdependent, aber doch dezentral= heterarchisch.

Anbahnung und Abwicklung von Transaktionen: Ökonomische Transaktionen lassen sich in drei Phasen zerlegen: Informationsphase, Abschluss und Abwicklung.[21] Zur Information der Akteure bietet der Markt Preise an. Vielleicht wird verhandelt. Organisationen informieren ihre Funktionäre durch Weisung. Zu verhandeln gibt es nichts. In Netzwerken dagegen spielt die Informationsphase eine größere Rolle. Angebot oder Nachfrage von Leistungen bleiben eher unspezifiziert, werden aber von »vertraulichen« Informationen begleitet. Die Informationen innerhalb von Netzwerken gelten als qualitativ besser als die Preissignale des Marktes und die Weisungen der Organisation (Powell 1996, 225). Verhandlungen sind stets auch um die Erhaltung der Netzwerkbeziehung bemüht. Ein Abschluss ist nicht immer das Ziel. Abschlussformen der Aktionen sind am Markt der Vertrag, in der Demokratie die Stimmabgabe und in der Organisation die Weisung. Im Netzwerk läuft der Abschluss eher diffus und formlos ab. Die Abwicklung vollzieht sich am Markt meistens Zug um Zug. Sie ist schnell geschehen, es sei denn, dass dabei Konflikte entstehen. Wenn es im Netzwerk zu einem Austausch kommt, sind Leistung und Gegenleistung nicht direkt miteinander verknüpft. Eine mögliche Gegenleistung bleibt unbestimmt. Die dadurch entstehende Lücke wird durch Vertrauen überbrückt. Das Vertrauen stammt aus den Beziehungen, in die das Netzwerk eingebettet ist, und wird durch positive Erfahrungen innerhalb des Netzes verstärkt.

Konfliktbehandlung: Am Markt wird gefeilscht, und dann hat man die Wahl, aufzugeben oder vor Gericht zu ziehen. In der Organisation werden Konflikte von oben entschieden. In der Demokratie kann man abstimmen. Innerhalb von Netzwerken werden strittige Punkte zwischen den Beteiligten ausgehandelt. Kommt es zu keiner Lösung, besteht die Möglichkeit der Abwanderung. Einer gerichtlichen Entscheidung wäre die Materie oft gar nicht zugänglich. Damit hängen die Chancen der Durchsetzung vom Tauschpotenzial ab. Die Verwicklung in Konflikte führt leicht zu einem Reputationsverlust.

Handlungsfähigkeit: Netzwerke haben, anders als Organisationen, grundsätzlich nicht den Charakter eines sozialen Akteurs. Sie bestehen zwar unabhängig von individuellen Mitgliedern, können sich aber im Normalfall doch nicht als Ganzes artikulieren. Die Mitglieder bleiben in der Lage, eigenständig zu handeln, solange sie dabei auf andere Mitglieder Rücksicht nehmen.

Zweck: Anders als Organisationen haben Netzwerke auch keinen nach außen gerichteten Zweck. Sie sind sozusagen Selbstzweck.

Informalität: Das Interesse der Rechtstheorie an sozialen Netzwerken hat viel mit deren Informalität zu tun. Das moderne Recht ist jedenfalls grundsätzlich formal. Formalität entsteht aus verordneten Kommunikationshindernissen oder -verboten. Was nicht rechtlich relevant ist, soll nicht zur Sprache kommen. An einem Rechtsverfahren darf nicht jeder teilnehmen. Die Teilnehmer dürfen nicht jedes Thema aufgreifen, und sie müssen ihre Kommunikationsbeiträge an Formen und Fristen ausrichten. Sich informell zu vernetzen, ermöglicht die Umgehung solcher Kommunikationshindernisse. Die Informalität des Netzes gestattet schnelles situationsadäquates Kommunizieren und Handeln. Netzwerke unterlaufen das Recht. Deshalb stehen sie, besonders im Publikum, im Geruch der Illegitimität. Tatsächlich arbeiten Netzwerke nicht unbedingt gegen das Recht. Viele Policy-Netzwerke werden von der Absicht der Beteiligten getragen, dem Recht auf die Sprünge zu helfen. Sie bilden partikulare Querverbindungen zwischen den primären Sozialstrukturen (Tacke).

Innovationskraft: Netzwerke gelten als innovationsfähig. Das haben vor allem Untersuchungen zu prosperierenden Regionalwirtschaften bestätigt. Die Innovationskraft ist jedoch keine Eigenschaft des Netzwerks an sich, sondern hängt von seiner Struktur ab. Voraussetzung ist anscheinend, dass das Netzwerk nicht zu stark verclustert ist und über Brückenbeziehungen in andere Cluster oder Netzwerke verfügt. Hier zeigt sich die Stärke schwacher Beziehungen (Granovetter). Auch in einem Netzwerk können sich die Beziehungen aber soweit verfestigen, dass die Selbständigkeit der Beteiligten, die ihnen interaktives Lernen und Innovation ermöglicht, verloren geht. Das wäre dann umgekehrt die schwache Seite starker Beziehungen.

Die Geschichte des Ruhrgebiets bietet ein Beispiel dafür, wie ein verclustertes Netzwerk die Entwicklung blockieren kann. Etwa ab 1960 begann der Niedergang der Montanindustrie. Eine Modernisierung wurde durch regionale Netzwerke in dreifacher Hinsicht blockiert:

  • Erstens hatten die großen Montanunternehmen das Netzwerk der regionalen Zulieferer stark zentralisiert und auf sich ausgerichtet. Das Netzwerk war damit in hohem Maße transaktionskosteneffizient. Aber gerade damit führte es zu einer Entwicklungsblockade. Die Zulieferer konnten weitgehend auf die so genannten dispositiven Unternehmensfunktionen wie Forschung und Entwicklung, Marketing und Verkauf verzichten. »Damit fehlten diesen Betrieben genau jene Funktionen, die für eine Anpassung an veränderte Nachfragebedingungen entscheidend sind.«
  • Zweitens wurden diese funktionalen Blockierungen »durch kognitive Blockierungen noch verschärft. Die langfristig stabilen persönlichen Beziehungen begünstigten die Herausbildung von gemeinsamen Orientierungen, eines gemeinsamen technischen Jargons, gemeinsamer Verhandlungsprozeduren, ja, schließlich einer gemeinsamen Weltsicht. Diese homogene Weltsicht blockierte Reorganisationsmaßnahmen zu einem Zeitpunkt, als die Region noch über ausreichend Anpassungsspielräume verfügte. Die soziale Kohäsion und die gefestigten persönlichen Beziehungen innerhalb des Montankomplexes ließen auch kaum Raum für sogenannte ›Brückenbeziehungen‹, die über die engen Grenzen der eigenen sozialen Gruppe hinauswiesen und damit neue Informationen und Informationspotentiale erschlossen.
  • Drittens schließlich hielt das politisch-administrative System die Region auf Kurs, auch als dieser Kurs schon längst in eine Sackgasse geführt hatte, da die symbiotischen Beziehungen zwischen der Industrie und dem politisch-administrativen System versteinert waren. Innerhalb der Region war diese Konsens-Kultur, geprägt durch konservative Sozialdemokraten, konservative Gewerkschaften und patriarchalische Unternehmer, über Jahrzehnte hinweg keinen ernsthaften politischen und kulturellen Herausforderungen ausgesetzt. Nach außen hin wurde diese Konsens-Kultur durch emphatische Appelle an die spezifische ›Produktions-Mission‹ des Ruhrgebiets gefestigt – alles in allem also nicht unbedingt ein Nährboden für politische und kulturelle Innovationen.«[22]

Selbstorganisationsfähigkeit: Als typische Eigenschaft von Netzwerken gilt deren Selbstorganisationsfähigkeit. Dem Markt fehlt diese Qualität. Der Markt kann nur eine selbstzerstörerische Eigendynamik entwickeln. Verträge hätten ohne außervertragliche Grundlage keinen Bestand. Monopolbildung zerstört den Preismechanismus. Ähnlich liegt es mit der Demokratie, wenn sie zur Diktatur der Mehrheit wird. Deshalb brauchen Markt und Demokratie zu ihrer Funktion eine externe Verfassung. Eine hierarchische Organisation ist für ihren Fortbestand auf die Zufuhr von Ressourcen von außen angewiesen. Auch hier gibt es, wenn auch schwächer, eine selbstzerstörerische Eigendynamik, wenn die Organisation erstarrt und den Kontakt zu ihrer Umwelt verliert, in der sie funktionieren soll. Einzig Netzwerke scheinen ohne Korsett auszukommen und allein aus gelebter Reziprozität, aufgewertet durch die Vorzugsbehandlung der Netzangehörigen, zu funktionieren. Bemerkenswert ist dabei, dass die in Netzwerken zu beobachtende Bildung von typischen Konnektivitätsmustern und die damit verbundene Ungleichheit der Knoten die Funktionsfähigkeit des Netzes eher zu fördern als zu stören scheint. Ganz ohne Stütze kommen aber auch Netzwerke nicht aus. Ihre Währung ist das Vertrauen, und das scheint zu schwinden, wenn ein Netzwerk größer wird und wenn es sich von den sozialen Strukturen, in die es ursprünglich eingebettet war, zu lösen beginnt. Jedenfalls behaupten Powell (1996, 213) und Ostrom (2009), dass Netzwerke nur unter bestimmten, spezifizierbaren Bedingungen lebensfähig sind.

d)                                Mischformen und Übergänge

Die Realität ist natürlich viel komplizierter als solche schematische Gegenüberstellung. Sie wird von Mischformen und Übergängen bestimmt. Der Zugang zu einem Markt wird oft erst über ein Netzwerk vermittelt. Aus wiederholtem Vertragsschluss entstehen vertragsübergreifende Beziehungen[23], und schon der einzelne Vertrag kann relationalen Charakter annehmen, oder er kann hierarchische Elemente (Weisungsrechte) enthalten[24]. Der Typus der hierarchischen Organisation ist am besten in mittleren Unternehmen und auf der öffentlichen Seite in Fachbehörden anzutreffen. Größere Unternehmen sind weitgehend in Profitcenter aufgegliedert, und sogar öffentliche Organisationen haben im Zuge des New Public Management interne Märkte geschaffen und Verrechnungspreise eingeführt.

Systemtheoretiker stilisieren diese Vermischung zu einem reentry hoch: Die Unterscheidung Markt/Hierarchie tritt in diese selbst wieder ein mit dem Ergebnis, dass Systeme entstehen, die eigenständige Qualitäten besitzen. Z. B.: »Vertragsnetze unterscheiden sich von Konzernen in der Form des Wiedereintritts der Differenz Markt / Organisation. …Vertragsnetze sind Formen der Marktkoordination, in die Elemente von Kooperation/Hierarchie sekundär eingebaut wurden. Konzerne sind gesellschaftsrechtliche Gebilde, in die sekundär Marktelemente eingebaut wurden. Damit unterscheiden sie sich im Primat ihrer Handlungslogik. In Vertragsnetzen besteht eine primäre Marktorientierung.«[25] Die Notwendigkeit, zwischen primärem und sekundärem Einbau zu unterscheiden, zeigt, wie überflüssig die Volte mit dem reentry ist.

Hierarchisch durchorganisierte Staaten gab es zeitweise eigentlich nur in Europa, Nordamerika und Japan. Moderne Staaten sind als Ganze nicht durchgehend hierarchisch geordnet, sondern bilden ein gegliedertes Gefüge aus Regierungen, Parlamenten, Verwaltungen, Gebietskörperschaften mit beweglichen Grenzen und Durchlässen zu korporatistischen Elementen. Was schließlich die Netzwerke betrifft, so kann man die netzwerktypische Konzentration von Aktivitäten um bestimmte Hubs durchaus als Hierarchien interpretieren. In der Realität trifft man auf sternförmig oder hierarchisch zentralisierte Netzwerke. Auch explizite Regeln für die Netzwerkkontakte kommen vor. Besonders interorganisationale Netzwerke, in denen die Organisationen selbst als Netzknoten fungieren, sind oft formalisiert. Das gilt besonders für die Beziehungen zwischen Organisationen, die als transnationale Netzwerke unter Beobachtung stehen. Durch Verdichtung und Formalisierung der Beziehungen verbunden mit einer gewissen Zentralisierung kann ein Netzwerk schließlich auch zum kollektiven Akteur werden, so dass sich die Frage aufdrängt, ob damit nicht aus dem Netzwerk eine Organisation geworden ist. Spätestens mit seiner Verrechtlichung ist das Netzwerk kein Netzwerk mehr.

In diesem Sinne ist das Netzwerk der europäischen Wettbewerbshörden (ECN) durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 verrechtlicht. Dagegen fehlt dem International Competition Network (ICN) eine Rechtsgrundlage. Es ist aber weitgehend durchorganisiert, so dass es früher oder später zur Organisation werden wird. [26]
e)                                 Sichtbegrenzungen der Transaktionskostentheorie

Der von der Ökonomie inspirierte Vergleich von Markt, Netzwerk und Hierarchie beschränkt sich auf das Innenleben der betrachteten Institutionen und vernachlässigt die Externalitäten. Auch diese Fragestellung hat an sich ein Vorbild in der Transaktionskostentheorie, und zwar in dem nobelpreisgekrönten Aufsatz von Ronald H. Coase, The Problem of the Social Cost (dazu § 29 I 7) oben). Sie kommt jedoch bei dem Typenvergleich nicht in den Blick. Entscheidungen im Unternehmen interessieren dabei in erster Linie wegen der Folgen für das Unternehmen selbst. Durch ihre Entscheidungen bestimmt die Unternehmensleitung, wie die Ressourcen bereitgestellt werden, die als Produktionsfaktoren für ein Endprodukt notwendig sind, das letztlich am Markt angeboten werden soll. Behördenentscheidungen sind sozusagen selbst das Endprodukt. Den internen Entscheidungen im Unternehmen entsprechen bei der Behörde Weisungen (Normen oder Einzelweisungen), mit denen die die Produktion außenwirksamer Entscheidungen gesteuert wird.

Für die Jurisprudenz ist es unbefriedigend zu wissen, dass unter bestimmten Bedingungen ein Netzwerk besser funktioniert als ein Unternehmen oder eine Behörde, wenn nicht gleichzeitig diese Außenwirkung geklärt wird. Eine Firma erzielt ihre Außenwirkung in erster Linie durch die Abgabe von Produkten und Dienstleistungen, eine Behörde vor allem durch die Herstellung von außenwirksamen Entscheidungen. Dafür beziehen Firma und Behörde umgekehrt Ressourcen aus ihrer Umgebung. Die Austauschbeziehungen eines Netzwerks mit seiner Umgebung bestehen nicht mit dem Netzwerk als solchem, sondern mit einzelnen Knoten. Bei der Frage nach den Externalitäten geht es aber nicht um solchen Austausch, sondern positiv um den zusätzlich bewirkten allgemeinen Wohlfahrtsgewinn oder negativ um die unerwidert bleibende Inanspruchnahme von Umweltressourcen.

Ähnlich wie technische Netze können soziale Netze externen Nutzen und Schaden generieren. Bei sozialen Netzwerken sind die Externalitäten nicht so leicht abzugrenzen wie bei technischen Netzen oder bei konsolidierten Wirtschaftssubjekten. Aber daran darf die Frage nach den unerwiderten Leistungen der Netzwerke für ihre Umgebung nicht scheitern. Das von Netzwerken durch Transaktionen zwischen den Knoten produzierte Sozialkapital steht nur netzwerkintern zur Verfügung. Unternehmen, die ihre Informationen und Produktionsfaktoren aus Netzwerken beziehen, können erfolgreicher sein als um Autarkie bemühte Selbstversorger. Ähnlich können Behörden, die bei der Entscheidungsvorbereitung Netzwerke nutzen, eventuell günstiger und vielleicht auch inhaltlich bessere Entscheidungen produzieren als andere, die sich auf bürokratisches Funktionieren beschränken. So können erfolgreiche Netzwerke auf ihre Umgebung abstrahlen. Wenn ein Kooperationsnetzwerk seinen Mitgliedern zum Erfolg verhilft, so partizipieren daran auch andere, die nicht zum Netzwerk gehören, Mitarbeiter etwa oder die Organisation, der das Mitglied angehört. Handelt es sich um eine Firma, so kann sie mehr Aufträge auch nach außen vergeben; sie zahlt mehr Steuern usw. Eine Behörde kann durch schnellere und bessere Entscheidungen dem Gemeinwohl besser dienen.

Die Frage nach der Beziehung von Netzwerken zu ihrer Umgebung fördert aber auch »die dunkle Seite der Netzwerke« (von Prittwitz) zu Tage. Sie zeigt sich etwa in exklusiver Elitarität, in parasitärer Ausnutzung netzwerkexterner Ressourcen, in der Blockade von Innovationen, in der Vorbereitung undemokratischer Entscheidungen oder in der Umgehung formell-rechtlicher Anforderungen.

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. liefert ein Beispiel für ein gut funktionierendes Netzwerk zur Abwehr des Atommüll-Lagers in Gorleben. Die Tatsache, dass hier die Selbstorganisation in einem Netzwerk erfolgreich war, kann kaum bedeuten, dass deshalb auch Ziele und Außenwirkung des Netzwerks akzeptabel sind. Immerhin entsteht aus der Distanz der Eindruck, dass in Gorleben Nimby (not in my backyard) gespielt wird. Die Mitglieder haben aus sozialen Netzen wohl in der Regel mehr Nutzen als Nachteile. Wird die Bilanz negativ, können sie sich relativ leicht aus dem Netz lösen.

III.                           Netzwerke im Rechtssystem

1)                          System und Netzwerk

Literatur: Jan A. Fuhse, Der Netzwerkbegriff in der Systemtheorie, in: Johannes Weyer (Hg.), Soziale Netzwerke, 2. Aufl. 2011, 301-324; Veronika Tacke, Systeme und Netzwerke – oder: Was man an sozialen Netzwerken zu sehen bekommt, wenn man sie systemtheoretisch beschreibt, Netzwerke, Systemtheorie und Soziale Arbeit. Journal der dgssa 2, 2011, 6-24.

Ebensowenig wie die Gesellschaft ist das Recht als Ganzes ein soziales Netzwerk. Wenn es um den Gesamtkomplex des Rechts geht, verdient der Systembegriff den Vorzug. Der Netzwerkbegriff ist für die Detailanalyse hilfreich. Man kann nach Netzen suchen, in denen die Knoten durch Personen oder Institutionen gebildet werden. Als Kanten zwischen diesen Knoten kommen etwa Kooperationen oder informelle Kontakte in Betracht. Oder der Blick fällt auf Netze, deren Knoten aus unpersönlichen Objekten besteht, aus Texten, in denen Wissen gespeichert ist, oder aus Wissenselementen (Begriffen, Theorien). Die Verbindung zwischen solchen Elementen könnte etwa außerlich in Zitationen oder inhaltlich in Übereinstimmunden, Widersprüchen, Bezugnahmen usw. bestehen.

2)                          Netzwerkanalysen zu Rechtsthemen

Literatur: John P. Heinz/Edward O. Laumann, Chicago Lawyers: The Social Structure of the Bar, American Bar Foundation, 1982; John P. Heinz/Edward O. Laumann/Robert L. Nelson/Paul S. Schnorr, The Constituencies of Elite Urban Lawyers, Chicago, Ill 1996; Daniel Martin Katz/Joshua R. Gubler/Jon Zelner/Michael James Provins Eric A. Bommarito/Eitan M. Ingall, Reproduction of Hierarchy? A Social Network Analysis of the American Law Professoriate, Journal of Legal Education 61, 2011, 1-28; Anne-Marie Slaughter, A New World Order, Princeton, NJ 2004; dies., A Global Community of Courts, Harvard International Law Journal 44, 2003, 191-219; dies./David T. Zaring, Networking Goes International: An Update, 2007; Smart Library on Globalization, Creating a Global Community of Courts;  Daniel Terris/Cesare P.R. Romano/Leigh Swigart, Toward a Community of International Judges, Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review 30, 2008, 419-471.

Für die Rechtswissenschaft ist oft schon die schlichte Identifizierung und Beschreibung von Netzwerken zwischen Akteuren des Rechtssystems von Interesse. Anne Marie Slaughter hat durch ihre Beschreibung von transnationalen Behörden-und Gerichtsnetzwerken viel Aufsehen erregt. »Wer zitiert wen?« fragt Angelika Nußberger.[27] Dabei hat sie eher das semantische Netz der Argumente als das Akteursnetzwerk der Zitierenden im Blick. Auch empirische Untersuchungen zur Begründungspraxis des BGH von Simon[28] sowie Kudlich und Christensen[29] befassen sich mit der Zitierpraxis. Die Untersuchungen zeigen übereinstimmend, dass Präjudizien das wichtigste Begründungselement in obergerichtlichen Urteilen bilden. Sie zeigen, wie eng tatsächlich Entscheidungen miteinander vernetzt sind, lassen aber auch erkennen, dass juristische Entscheidungen nicht unbedingt aus der Kraft der Argumente entstehen. Die Prognose Ladeurs[30], »wegen des Zerfalls der Kontinuität und Ordnung stiftenden Erfahrung« werde die Orientierungsfunktion der Präzedenzfälle für die Rechtsprechung an Bedeutung verlieren, ist bisher nicht eingetroffen.

Meistens reichen die Daten für eine mathematisch-statistische Auswertung nicht. Es bleibt aber stets sinnvoll, die Fragestellungen der (harten) Netzwerkforschung im Auge zu behalten und ihren Operationalisierungsvorschlägen zu folgen. Die Orientierung an der Netzwerkforschung hat mindestens heuristischen Wert, weil sie zeigt,  dass und wie sich soziales Kapital operationalisieren lässt oder wie sich Beziehungen, Kooperationen, Einflüsse, Autoritäten oder Machtzentren netzwerkartig darstellen lassen. Solche Orientierung diszipliniert die Beobachtung. Andernfalls besteht die Gefahr eines bloßen Netzwerkgeredes.

Inzwischen gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die Phänomene aus dem Rechtsbereich mit den harten Methoden der Netzwerkforschung in Angriff nehmen. Vorläufer waren Untersuchungen über das Abstimmungsverhalten am US Supreme Court, die danach fragten, wer mit wem gestimmt hat. Neuere Arbeiten befassen sich mit Netzwerken unter Richtern[31] oder unter Rechtsprofessoren[32]. Sie behandeln Zitationsnetzwerke in der juristischen Literatur[33] oder Begriffsnetzwerke in Gesetzestexten[34]. Einen Schwerpunkt bildet die Vernetzung von Gerichten bzw. Gerichtsurteilen durch Präjudizien.>[35]

Thomas A. Smith hat die Zitate in 726 amerikanischen Law Reviews ausgewertet. Die Auszählung erstreckte sich auf 385.000 Veröffentlichungen. 43% davon wurden niemals zitiert. Auf 0.898% entfielen mehr als 100 Zitationen. Damit erweist sich die juristische Literatur als skalenfreies Medium, in dem das Potenzgesetz Geltung hat. Smith hat ferner vier Millionen Urteile amerikanischer Bundes- und Staatsgerichte untersucht. Die Ergebnisse waren hier ganz ähnlich.

Persönliche Netzwerke unter Juristen sind für Unbeteiligte kaum sichtbar, und es fehlt auch an Untersuchungen, die sie offen legen. Aber man kann davon ausgehen, dass innerhalb der Teilsysteme wie Justiz, Verwaltung, Anwaltschaft, Politik, Verbandswesen usw. informelle Netzwerke vorhanden sind, und zwar auch solche, die die Systemgrenzen überspringen. Am ehesten sichtbar sind persönliche Netzwerke in dem System, dem man selbst angehört, im Falle des Autors also im Wissenschaftssystem. Da weiß und hört man, wen man anrufen kann und von wem man angerufen wird. Da kennt man die Einladungslisten für Fachtagungen, auf denen neue Forschungsinformationen (und nicht nur die) schon vor ihrer Veröffentlichung ausgetauscht werden. Und da beobachtet man, wer wen zitiert.

Zitierkartelle gehen nur zum kleinen Teil auf persönliche Netzwerke zurück. Zitationsnetze entstehen nach dem Potenzgesetz, wenn bestimmte Begriffe oder Theorien, Autoren und Texte, die aus irgendwelchen Gründen prominent geworden sind, die Runde machen, weil andere sie schon zitiert habenier wirkt das Potenzgesetz.. Man könnte auch sagen: Zitate werden oft plagiiert. Das Phänomen dürfte sich verstärkt haben, nachdem die Verwendung von Literaturverwaltungsprogrammen die Einfügung von Fussnoten zum Kinderspiel macht.

Juristeneliten: Jeder weiß, es gibt Macht und Einfluss. Aber sie sind nur schwer greifbar. Eine Methode, um sich der Macht im sozialen Raum zu nähern, ist die Analyse von Beziehungsnetzwerken. Wer Kontakte zu Entscheidungsträgern hat, verfügt vermutlich über Einfluss.

In den USA hat man mit einigem Aufwand versucht, das Netzwerk in der Elite der Rechtsanwälte Chicagos nachzuzeichnen (Heinz u. a.). Dazu wurden 1975 und 1995 einer Auswahl von Anwälten in Chicago eine Liste mit prominenten Juristen aus der Stadt vorgelegt mit der Frage, welchen sie kennen und zu wem sie gute Beziehungen unterhalten. Das Ergebnis war allerdings, jedenfalls aus europäischer Sicht, nicht besonders aufregend. Über ein Drittel der Befragten kannte keinen der Prominenten. Die anderen verteilten sich auf drei Cluster, eines mit eher (links-)liberalen Anwälten, die sich vor allem für Bürgerrechtsfragen und Rechtshilfe interessierten, ein anderes von Trial Lawyers, die den politischen Parteien nahestanden und viel für städtische Ämter tätig waren und ein drittes von Corporate Lawyers.
Wer hat Einfluss auf die Entwicklung des amerikanischen Rechts?, so fragen Katz u. a. (2011). Die Ausgangsüberlegung ging dahin, dass man ein aus Personen bestehendes Netzwerk modellieren muss, um dann zu sehen, wie sich darin Ideen oder Normen verbreiten, ganz analog wie etwa Krankheiten in einer als Netzwerk gedachten Bevölkerung. Dazu wurden aufwendig die Basisdaten von über 7200 Rechtsprofessoren erhoben, und zwar nach ihrer Herkunftsinstitution und ihrer späteren Anstellung. Dabei zeigte sich eine extrem hierarchische Verteilung. Einige Fakultäten, allen voran Harvard, konnten besonders viele Absolventen platzieren, und diese wiederum in besonders prominenten Fakultäten, wobei sich die Prominenz eben aus dieser Fähigkeit ergibt, besonders viele Absolventen unterzubringen.Wenn man annimmt, dass sich mit den Personen auch Ideen verbreiten, so kann man den Einfluss der Fakultäten einschätzen.

3)                          Kooperationsnetzwerke

Literatur: Leonie Breunung, Analysen der Wissenschaftemigration nach 1933. Soziologische und methodologische Überlegungen zum Fall der deutschen Rechtswissenschaft, Zeitschrift für Soziologie 25, 1996, 395-411; Dan Clawson (Hg.), Required Reading: Sociology’s Most Influential Books, Amherst, MA, University of Massachusetts Press, 1998; darin insbes. Jeff Goodwin, How to Become a Dominant American Social Scientist: The Case of Theda Skocpol, S. 31-37; Fritz Dolder/Mauro Buser, Zitieren geht über Studieren – Empirische Wanderungen im Grenzgebiet zwischen Rechtslehre und Rechtsprechung, in: Josef Estermann, Josef (Hg.), Interdisziplinäre Rechtsforschung zwischen Rechtswirklichkeit, Rechtsanalyse und Rechtsgestaltung, Bern 2010, 193-210; Bruno S. Frey/Katja Rost, Do Rankings Reflect Research Quality?, 2009; Thomas A. Smith, The Web of Law, San Diego Legal Studies Research Paper No. 06-11 = Thomas A. Smith, The Web of Law, San Diego Law Review 44, 2007, 309-353.

Wissenschaftssoziologie beobachtet die Wissenschaft wie die Rechtssoziologie das Recht. Bei der Beobachtung der Rechtswissenschaft überschneiden sich beide. Als Forschungsmethode hat sich die Netzwerkamalyse bewährt, denn für den Fachfremden sind die Beziehungen zwischen den Wissenschaftlern viel leichter zu beobachten als die Entwicklung und Rezeption der Inhalte. Als Beziehungen kommen in Betracht etwa der Versand von Sonderdrucken oder die Einladung zu Tagungen, vor allem aber gemeinsame Veröffentlichungen und Zitationen.

Im Detail gibt es dabei eine Reihe von Fragen und Problemen zu bedenken. Sie beginnen mit der Bestimmung der Wissenschaftler, Autoren oder Texte, die als Netzwerkknoten die Grundgesamtheit bilden sollen. Man kann etwa von einzelnen Autoren ausgehen und versuchen, deren Egonetzwerk zu beschreiben.

Paul Erdös war ein ungarischer Mathematiker, der zur Netzwerkforschung Überlegungen zur Wahrscheinlichkeitsverteilung von Verknüpfungen in einem Zufallsnetzwerk beigetragen hat.[36] Erdös war mit etwa 1.500 Veröffentlichungen ungewöhnlich produktiv. Da er die meisten Arbeiten zusammen mit anderen Forschern veröffentlicht hatte, kamen Kollegen auf die Idee[37], ihre Wertschätzung des Autors mit einem Spaß zu verbinden, indem sie um Erdös entstandene Kooperationen als Netzwerk beschrieben. Wer mit Erdös zusammen veröffentlicht hatte, erhielt die Erdös-Zahl 1. Wer nicht selbst mit Erdös, aber doch mit einem seiner Koautoren publiziert hatte, erhielt die Erdös-Zahl 2, usw. Als Hommage an den Namensgeber wird die Bestimmung der Erdös-Zahl für Mathematiker auf einer besonderen Internetseite bis in die Gegenwart fortgeführt.

Wenn man über geeignete Daten verfügt, lassen sich drei Werte ermitteln, die als Indizien für die Vernetzung einzelner Autoren und die Vernetzung eines Faches insgesamt dienen können:

  • Koautorenanalyse: Mit welchen Koautoren hat ein Autor wie häufig zusammen publiziert, und wer sind die Koautoren dieser Koautoren?
  • Shortest-Path-Analyse: Wie sind zwei beliebige Autoren über gemeinsame Publikationen miteinander verbunden, das heißt, welche Artikel ergeben die kürzeste Koautorschaftskette zwischen diesen Autoren.
  • Avarage-Path-Analyse: Wieweit sind die Autoren des Faches durchschnittlich voneinander entfernt? Die durchschnittliche Pfadlänge zwischen Erdös und anderen zeitgenössischen Mathematikern betrug nur 4,65; die maximale Entfernung 13.
Populär geworden ist die Netzwerkanalyse von Kooperationsbeziehungen mit der Kevin-Bacon-Zahl. 1994 erfanden vier College-Studenten das Bacon-Spiel. Kevin Bacon (* 8. Juli 1958) ist ein prominenter amerikanischer Filmschauspieler. Die Studenten behaupteten, Bacon sei der wahre Mittelpunkt Hollywoods, und erboten sich, in einer Fernsehshow für jeden Schauspieler X einen Film zu nennen, in dem dieser zusammen mit Bacon gespielt hatte. Immerhin war Bacon in über 50 Filmen rund 1800 Schauspielerkollegen begegnet. Sollte es aber keinen gemeinsamen Film geben, wollten sie einen Film nennen, in dem Bacon mit einem anderen Schauspieler C zusammen aufgetreten war, der wiederum zusammen mit X gefilmt hatte. Sollte es selbst daran fehlen, würden sie auf die Filme verweisen, in denen B mit C, C mit D und schließlich D zusammen mit X ausgetreten waren, usw. Als Ausgangsknoten des Netzwerks hat Bacon selbst die Kevin-Bacon-Zahl (KBZ) 0. Als Kanten dienen die Filme, in denen zwei Schauspieler zusammen gespielt haben. Schauspieler, die mit Bacon zusammen in einem Film aufgetreten sind, erhalten die KBZ 1. Wer nicht selbst mit Bacon zusammen gefilmt hat, sondern nur mit einem Schauspieler, der zusammen mit Bacon aufgetreten ist, hat die KBZ 2 usw. Auf der Internetplattform The Oracle of Bacon kann man das für beliebige Namen ausprobieren. So hat z. B. Gwyneth Paltrow die KBZ 2, denn sie war 1998 zusammen mit William Bogert in »A Perfect Murder« aufgetreten, der wiederum 1980 in »Hero at Large« mit Bacon zusammengespielt hatte.
Das bedeutet also, dass 2.511 Schauspieler mit Bacon zusammen aufgetreten sind, 26.2544 zusammen mit einem, der mit Bacon in demselben Film war usw. Ein Durchschnittswert für die KBZ beträgt 2,980.[38]
Natürlich war oder ist Bacon nicht das Zentrum Hollywoods. Die Pfadlänge von durchschnittlich 2,980 ist nur das Ergebnis des Kleine-Welt-Phänomens. Dennis Hopper liegt mit einer durchschnittlichen Pfadlänge von 2,802166 an erster Stelle. Bacon folgt erst auf Platz 444. Der relativ kurze Pfad zwischen je zwei Filmschauspielern deutet auf einen hohen Clusterkoeffizienten hin. Im Übrigen ist ihr Aussagewert begrenzt. Die Netzwerkanalyse stellt jedoch Methoden bereit, die gehaltvollere Angaben über Cliquenbildung, Einflüsse, Prestige oder gar Autorität, Zentralität oder Hierarchien gestatten. Dazu wären allerdings weitere Daten notwendig, insbesondere zu der Frage, wie oft kooperiert worden ist.
Analog kann man für alle Personen – Politiker, Wissenschaftler, Facebookmitglieder usw. ihre Nähe zu anderen bestimmen, soweit man über die notwendigen Daten verfügt. So haben die Düsseldorfer Psychologen Jochen Musch und Dennis Winter mit Hilfe einer Literatur-Datenbank eine Koautorenanalyse für 51.808 Psychologen errechnet und so die »Die kleine Welt der Psychologie« abgebildet. Dort misst der kürzeste durchschnittliche Pfad 4,33, der längste 15,02, und der Durchschnittwert beträgt 6,71.

Juristen publizieren verhältnismäßig selten gemeinsam. Der Pfad zwischen zwei Autoren wäre daher vermutlich länger. Um realistischere Zahlen zu erhalten, könnte man außer gemeinsamen Veröffentlichungen auch zählen, ob sie gemeinsam an Sammelbänden und Festschriften beteiligt waren. Aber die Datensammlung ist nicht einfach, da sie sich mit dem vorhandenen bibliographischen Material schwerlich automatisieren lässt. Ob sie lohnend ist, müsste ein Versuch zeigen. Interessant sind allerdings letztlich nicht die Kooperationsbeziehungn als solche, sondern ihre Abhängigkeit etwa von wirtschaftlichen oder politischen Einflüssen oder ihre inhaltliche Auswirkung auf das Rechtsgeschehen.

4)                          Politiknetzwerke

Literatur: Christoph Knill/Ansgar Schäfer, Policy-Netzwerke, in: Johannes Weyer (Hg.), Soziale Netzwerke, 2. Aufl., 2011, S. 189-218; Alexander K. Nagel, Politiknetzwerke und politische Steuerung, Institutioneller Wandel am Beispiel des Bologna-Prozesses, 2009; Volker von Prittwitz, Die dunkle Seite der Netzwerke. Strategien gegen Vermachtung und Korruption: Grundlagen kritischer Netzwerktheorie, 2001; Allison E. Woodward, Policy Networks in Europe: Challenges for Democratic Organization and Citizen Voice in the Eropean Process, in: Max Haller (Hg.), The Making of the European Union, Contributions of the Social Sciences, Berlin, New York 2001, 199-219.

Die Politikwissenschaft befasst sich vielfach mit Netzwerken, in denen die Akteure rechtlich geordnete Institutionen mit Leben füllen oder konterkarieren. Man findet politische Netzwerke überall, und sie werden als überlegenes Governance-Muster gepriesen. Tatsächlich sind sie wohl ebenso unvermeidlich wie problematisch.

»Sie sind zwar für die unmittelbar Beteiligten mit Vorteilen verbunden, tendieren aber zur Ausbeutung der Allgemeinheit, verkehren regelgebundene Leistungslogik in machtorientierte Tauschlogik und konterkarieren vitale Demokratie eher als diese zu fördern.« (von Prittwitz)

Die wichtigste Qualität, die soziale Netzwerke für den Bereich der Politik attraktiv macht, ist ihre Informalität. Nach dem Modell der Verfassung wird Politik von Regierung und Parlament entwickelt und beschlossen. Die Regierung steht dabei unter der Kontrolle des Parlaments, und das Parlament ist autonom, seine Mitglieder nur ihrem Gewissen verantwortlich. Die Implementation einer Politik wird von Regierung, Verwaltung und Gerichten kontrolliert. In der Realität stockt oft schon der rechtlich geordnete Verfahrensgang. Vor allem aber wollen viele mitmischen, Parteien und Verbände, Akteure der Zivilgesellschaft oder Lobbyisten der Wirtschaft. Soweit ihnen keine förmlichen Mitwirkungsrechte eingeräumt sind und soweit sie sich nicht mit der Meinungsmache im öffentlichen, mediengestützten Diskurs begnügen wollen, werden informelle Kommunikationschancen genutzt, gepflegt und zu Netzwerken ausgebaut. Die Akteure des formellen Politiksystems müssen sich darauf einlassen, denn ihre Kapazität zur Formulierung von Programmen, zur Durchsetzung von Entscheidungen und zur Implementation der Politik ist angesichts der Erwartungen an die Politik nicht ausreichend, so dass die Politik über Austauschprozesse mit gesellschaftlichen Akteuren Ressourcen mobilisieren muss.

»Im Vergleich zum traditionellen hierarchischen Modell der Politikentwicklung, in dem Politikformulierung und Implementation ein ausschließliches Prärogativ der Legislative und Exekutive war, kann die Herausbildung von Politiknetzwerken als eine Reaktion auf die wachsende Zuständigkeit staatlicher Politik, zunehmende Interdependenzen und der fortschreitenden Akkumulation und Konzentration gesellschaftlicher Ressourcen in Großorganisationen (korporativen Akteuren) gesehen werden. Weil staatliche Ressourcen und Organisationskapazitäten mit diesen Auswirkungen sozialer Differenzierung nicht Schritt halten und staatliche Akteure zunehmend unfähig werden, die notwendigen Ressourcen für die Produktion von Politiken (Formulierung und Durchsetzung) selbständig zu garantieren, wird der traditionelle Parlaments- und Regierungskomplex in zunehmendem Maße abhängig von der Kooperation und der kollektiven Ressourcenmobilisierung nichtstaatlicher, privater Akteure. Kooperation ist jedoch nicht zu erzwingen, was staatliche Akteure zu Verhandlungen mit solchen gesellschaftlichen Machtgruppen zwingt (Scharpf 1992).«[39]

Dazu die Kritik von von Prittwitz:

»In Feldern, in denen Aspekte der kollektiven Willensbildung eine Rolle spielen, stellt sich allerdings ein bestimmter Netzwerktypus immer wieder als fundamental heraus. Dies sind weitgehend geschlossene, dauerhafte, informell strukturierte und informell operierende Netzwerke, die in hohem Maße kollektive Handlungsfähigkeit und Macht vermitteln. Informelle Akteursnetzwerke dieser Art haben im Hinblick auf Vermachtung und Korruption, den hier zu behandelnden Gegenstand, überragende Bedeutung.

Netzwerke in diesem Sinn funktionieren zunächst nach der Grundregel, dass Netzmitglieder im Entscheidungsfall gegenüber Netzaußenseitern strikt präferiert werden. Diese strikte Präferenz reduziert die wahrgenommene Komplexität in Auswahlfragen auf die einfache Beziehungsrelation Netzmitglied oder Netzaußenseiter. Netzwerke erleichtern damit Auswahlprozesse und geben den Beteiligten Verhaltenssicherheit. Sachprobleme können nach diesem Muster allerdings nur angemessen bewältigt werden, wenn sich innerhalb des Netzwerks entsprechender Sachverstand befindet. Fehlt dieser, geraten netzwerkdominierte Systeme in Managementprobleme, die sie häufig durch Nichthandeln (Aussitzen) oder Scheinhandeln, beispielsweise die demonstrative Gründung eines netzwerkdominierten Ausschusses, zu bewältigen suchen.

Ihrer sozialen Einbettung zum Trotz sind dauerhafte Akteursnetzwerke primär durch die Eigeninteressen der Beteiligten bestimmt: … Beispielsweise agieren Partei- und Verbandspolitiker nicht zuletzt mit dem Interesse, ihre Wahlchancen und ihre Machtposition auszubauen. Informelle Akteursnetzwerke, die ja öffentlich nicht kontrolliert oder auch nur eingesehen werden können, erlauben den Beteiligten besonders gut, ihre Akteursinteressen zu verfolgen, Machtpositionen zu errichten und zu verstärken.«

Solchen Gesichtspunkten geht die kritische Elitenforschung nach.

IV.    Zu interdisziplinären Verwendung der Netzwerkforschung

Literatur: Ino Augsberg, The Relevance of Network Models within the Juridic Discourse. Empirical, Sociological, and Epistemological Perspectives; German Law Journal 10, 2009, 383-394; Ino Augsberg/Tobias Gostomzyk/ Lars Viellechner, Denken in Netzwerken, Zur Rechts- und Gesellschaftstheorie Karl-Heinz Ladeurs, 2009; Volker Boehme-Neßler, Unscharfes Recht, 2008, S. 500-632; Richard M. Buxbaum, Is »Network« a Legal Concept, Journal for Institutional and Theoretical Economics (JITE) 149, 1993, 698-705; Poul F. Kjaer, Embeddedness through Networks: A Critical Appraisal of the Network Concept on the Oeuvre of Karl-Heinz Ladeur, German Law Journal 10, 2009, 483-499; Karl-Heinz Ladeur, Das Umweltrecht der Wissensgesellschaft, Von der Gefahrenabwehr zum Risikomanagement, 1995; Gunther Teubner, Coincidentia oppositorum: Das Recht der Netzwerke jenseits von Vertrag und Organisation, in: Marc Amstutz (Hg.), Die vernetzte Wirtschaft, Netzwerke als Rechtsproblem, 2004, 11-42.

1)   Zwischen metaphorischer und exakter Verwendung des Netzwerkbegriffs

Die Netzwerkforschung nimmt für sich in Anspruch, mehr oder weniger allen Disziplinen, ganz gleich ob Naturwissenschaften, Technik oder Sozialwissenschaften, Hilfe anbieten zu können. Daher ist es völlig legitim, dass auch die Rechtswissenschaft auf dieses Angebot zurückgreift. Es wäre aber auch nichts dagegen einzuwenden, wenn sie den Netzwerkbegriff nur metaphorisch verwendete. Die Rede von Netzwerken ist so verbreitet, dass sich das kaum vermeiden lässt. Problematisch ist nur, wenn sich Juristen mit dem Anspruch auf Interdisziplinarität auf den Netzwerkbegriff berufen, dann aber schreiben, was sie schon im Kopf haben, ohne die harte Netzwerkforschung zu rezipieren. Ino Augsberg (S. 385) meint, wollte man Netzwerke bloß als empirisches Phänomen verstehen, so sei der Netzwerkbegriff nur ein Ersatz für anderweit längst bekannte und substantiierte Probleme. Der Begriff sei dann vielleicht nicht völlig sinnlos, aber er sei doch weitgehend überflüssig. Doch wenn man Netzwerke nicht als empirisches Phänomen versteht, wird der Anspruch auf Interdisziplinarität bloß vorgetäuscht.

Als empirisches Konzept ist dasNetzwerk zuallererst eine Beschreibungskategorie. Wer von Netzwerken redet, sollte daher die Grenzen des Beziehungsgeflechts bezeichnen, von dem er spricht. Soweit sie sich nicht ohne Weiteres aus dem Kontext ergeben, sind die Entitäten zu benennen, die als Netzknoten in Betracht gezogen werden, und die Relationen zu spezifizieren, die als Kanten bedacht werden sollen.

Als Knoten oder Elemente eines sozialen Netzwerks kommen in erster Linie Akteure in Betracht, also Individuen und korporative Akteure aller Art (Staaten und Gebietskörperschaften, Behörden und Gerichte, Unternehmen und deren Filialen). Auch Ereignisnetzwerke können indirekt als soziale relevant sein, in juristischem Zusammenhang etwa Zitationsnetzwerke. Bei der Anwendung des Netzwerksbegriffs in rechtlichem Zusammenhang bleibt oft unklar, ob ein Akteursnetzwerk gemeint ist, also die Vernetzung von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, von Wirtschaftsteilnehmern oder Wissenschaftlern, oder ob es um die inhaltliche Verknüpfung von Informationen und Argumenten geht, also um ein semantisches Netzwerk. Der Umgang mit semantischen Netzwerken wird problematisch, wenn man sich nicht auf die Beobachtung äußerlicher Beziehungen zwischen Bedeutungsträgern – Worte, Phrasen, Texte – beschränkt, sondern Bedeutung selbst beobachten will. Das ist nicht prinzipiell ausgeschlossen, führt aber doch in all die Schwierigkeiten hinein, die mit der Erfassung von Bedeutung verbunden sind. Es bleibt verführerisch, juristische Kohärenzvorstellungen mit dem Netzwerkbegriff in Verbindung zu bringen (»Law as a Seamless Web«[40]).

Nicht alle Elemente passen als Knoten in ein- und dasselbe Netzwerk. Die Stadt z. B. hat im Netzwerk der Nachbarschaft keinen Platz, denn hier geht es nur um persönliche Beziehungen. Andererseits kann eine bestimmte Menge von Knoten in verschiedenen Netzwerken verbunden sein. Dieselbe Gruppe von Richtern kann einerseits dem Kantinennetzwerk angehören, das regelmäßig in der Kaffeepause zusammentrifft. Sie kann zugleich einen standespolitisch aktiven Zirkel bilden. Das Netzwerk ist also immer erst durch eine abgrenzbare Menge von Knoten und die Art der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen definiert.[41]

Was dabei herauskommt, wenn man diese Gesichtspunkte nicht beachtet, zeigen zwei Beispiele: Bei Poul F. Kjaer ist zu lesen: »Another central feature of networks is their ›fluid‹ character. This fluidity makes the outcome of network operations radically open-ended, as the number of possible re-combinations among the elements of a given network is almost infinite.« (S. 487) Man fragt sich, wer oder was die Elemente des Netzwerks sein könnten. Handelt es sich hier um ein semantisches Netzwerk (von Begriffen, Zielvorstellungen, Normen usw.)? Ein semantisches Netzwerk hat kein »outcome«. Eine Rekombination wäre nur von außen durch den Netzwerkanalytiker möglich. Der könnte ausprobieren, was herauskommt, wenn man beliebige Knoten miteinander verbindet. Aber die Entscheidung würde ihm nicht abgenommen. Oder ist ein Netzwerk aus sozialen Akteuren gemeint? Dann entsprächen die Kombinationsmöglichkeiten den Kontaktmöglichkeiten, und zwar nach der Formel k = n2 – n. Aber in einem sozialen Netzwerk geschieht längst nicht alles, was theoretisch möglich wäre. Es werden längst nicht alle Kontaktmöglichkeiten wahrgenommen. In skalenfreien Netzwerken konzentrieren sich die Kontakte auf wenige Hubs. Vor allem aber: Aus Kontaktmöglichkeiten folgt kein »outcome«. Was ist damit überhaupt gemeint? Eine einzelne Transaktion innerhalb des Netzwerks? Die Summe vieler oder aller Transaktionen im Netzwerk? Oder ist ein Effekt des Netzwerks für seine Umwelt gemeint?
Ein abschreckendes Beispiel liefert auch die Proliferation des Netzwerkkonzepts bei Boehme-Neßler. Mehr oder weniger alle Rechtsphänomene werden mit Begriffen aus der Netzwerktheorie überzogen. Natürliche und juristische Personen, Verwaltungen und Gerichte werden zu Knoten. Sie sind durch »Fäden« verbunden, über die Interaktionen stattfinden. Auch Rechtsbegriffe, Normen und dogmatische Konstruktionen werden verknotet. Einzelne Knoten, etwa die Europäische Union oder die internationale Handelsschiedsgerichtbarkeit (S. 546 ff), werden als Superknoten identifiziert. Art. 25 GG wird zum Superknoten, der Völkerrecht und innerstaatliches Rechts miteinander verbindet, ebenso Art. 24 I GG für die Verbindung zu supranationalen Institutionen (S. 550f.). Normen und die europäische Union gehören kaum demselben Netz an. Überhaupt, Superknoten gibt es reichlich unter den europarechtlichen Normen, unter den so genannten Querschnittsbegriffen, unter den dogmatischen Konstruktionen wie dem Konzept der Drittwirkung von Grundrechten (S. 556) und weiter unter Rechtsinstituten (transnationale Verwaltungsakte, internationale Handelsbräuche, S. 558).
Nach den Knoten kommen die Fäden (S. 560ff). Die Fäden bestehen aus Kommunikation. Auf 30 Seiten ist daher von verschiedenen Aspekten der Rechtskommunikation die Rede. Darüber geht die Beziehung zum Netzwerk des Rechts verloren. Sie wird auf S. 592 mühsam wiederhergestellt mit der Aussage, die unterschiedlichen Fäden im Netzwerk des Rechts hätten einen strukturellen und einen prozesshaft dynamischen Aspekt. Als Zwischenfazit wird festgehalten: »Die Bestandteile eines Netzes lassen sich im Recht tatsächlich identifizieren. Das Recht hat Knoten, Superknoten und Fäden. Das deutet darauf hin, dass das Recht tatsächlich ein Netz ist.« Damit aus diesen Bauteilen ein Netz werde, müssten nur noch die typischen Netzeigenschaften festgestellt werden, nämlich Interaktivität, Reziprozität und Nonlinearität. Unter Nonlinearität versteht Boehme-Neßler die in Netzen gegebene Erreichbarkeit von Knoten nicht bloß auf direktem Wege von A zu B, sondern auf Umwegen und über Querverbindungen (S. 533 f.). Die genannten drei Eigenschaften werden auf den nächsten 30 Seiten (bis S. 624) natürlich auch gefunden. Und so hat die Untersuchung gezeigt: »Das Recht insgesamt lässt sich als ausdifferenziertes Netzwerk begreifen. Damit ist keine bloße Analogie, sondern eine Homologie gemeint. Das Recht ist nicht wie ein Netz. Das Recht ist ein Netz«. (S. 625) Es folgt die normative Konsequenz: Das Recht soll sich benehmen wie ein Netzwerk, also interaktiv, reziprok und nichtlinear, kurz, wie im Buchtitel versprochen, unscharf.
Die inhaltlichen Konsequenzen Boehme-Neßlers aus dem Netzwerkkonzept (S. 626-632) entsprechen mehr oder weniger dem, was man heute in Rechtssoziologie und Rechtstheorie über das Recht zu sagen pflegt: Das Recht muss sich von seinem Selbstverständnis als hierarchisch, linear und konditional strukturiert verabschieden. Recht ist ein Produkt der Evolution und deshalb nicht systematisch durchgeplant. Als Instrument zweckrationaler Steuerung ist das Recht ungeeignet. Die Einheit des Rechts ist Illusion, denn Rechtspluralismus ist Realität. Widerspruchsfreiheit ist nicht erreichbar. Mit diesen Thesen steht Boehme-Neßler nicht allein, und sie sollen als solche hier nicht kritisiert werden. Die Kritik gilt allein ihrer Ableitung aus dem »Netzwerkparadigma«. Wenn mehr dahinter stecken soll als eine überbeanspruchte Metapher, dann möchte man genauer wissen, an welche Netze der Verfasser gedacht hat. Geht es um ein Netz? Geht es um viele Netze? Geht es um Akteursnetzwerke oder um Ereignisnetzwerke oder um semantische Netze? Wenn es um semantische Netze geht, sind dann deskriptive, normative oder logische Beziehungen zwischen den Knoten gemeint? Dass Widerspruchsfreiheit »kein relevanter Topos für Netze« ist (S. 630), mag für Ereignisnetze und semantische Netze gelten, wenn die Beziehungen deskriptiv analysiert werden. Aber es gilt sicher nicht für semantische Netze von normativen oder logischen Beziehungen. Und wenn es schließlich heißt, »Widersprüche« seien nicht zuletzt die Treiber der Kommunikation in Netzen und der Weiterentwicklung von Netzen« (S. 633), sind dann logische Widersprüche gemeint oder Konflikte vom Format »ich widerspreche dir«? Die »Interventions- und Steuerungsgesetzgebung« mag ein »Auslaufmodell« sein« (S. 627). Doch wem gilt die Steuerung, dem »Netzwerk Recht« (so S. 626) oder der Gesellschaft? Unter »netzgeprägtem Denken« (S. 631) kann ich mir gut ein Nachdenken über Netzwerke vorstellen. Aber dass Kausalität und Linearität als Denkkategorien obsolet werden (S. 630), wenn man die »Nonlinearität« von Netzwerken, das heißt also die vielfach indirekte und vermittelte Kommunikation zwischen seinen Knoten, zur Kenntnis nimmt, will nicht einleuchten.

Ist das »Netzwerk« ein Rechtsbegriff? »Nein« sagte 1993 Buxbaum, und Teubner stimmte ihm noch 2004 (S. 11) zu. Aber Buxbaum begründete seine Antwort gar nicht, sondern bot eine schöne Zusammenfassung von Powells »Neither Market nor Hierarchy«. Vielleicht war die Antwort 1993 noch richtig. Heute jedenfalls ist sie nicht mehr haltbar. Inzwischen ist das Netzwerk auch zu einem Rechtsbegriff geworden, der von der Dogmatik zur Kennzeichnung von Formen kooperativer Verwaltung und komplexen Mehrparteien- und Langzeitverträgen benutzt wird und der auch in Normtexten auftaucht.[42] In diesem Sinne ist der Europäische Verwaltungsverbund ein Netzwerk, auch wenn es dem Begriff vielleicht noch »an einem exakten rechtsdogmatischen Gehalt« fehlt.[43] Auch Teubner verwendet de facto das Netzwerk als Rechtsbegriff, um seine Fälle »Unternehmensnetzwerke, Franchisingnetze, Just-in-Time-Systeme, virtuelle Netzunternehmen« auf einen Nenner zu bringen. Ähnlich Ladeur (S. 151 ff), wenn er für das Zivilrecht netzwerkartige Vertragsgestaltungen im Rechtssystem der »Gesellschaft der Netzwerke« ausmacht. Es ist ja keine Besonderheit, dass dasselbe Wort für unterschiedliche Begriffe herhalten muss. Umso wichtiger ist es, dass aus dem Text oder Kontext klar wird, ob der Rechtsbegriff oder der soziologische Begriff des Netzwerks gemeint ist.

2)                          Die Ideologielastigkeit des Netzwerkbegriffs

Die interdisziplinäre Verwendung des Netzwerkskonzepts läuft Gefahr, mehr oder weniger selektiv auf typische Netzwerkeigenschaften zurückzugreifen und sie normativ aufzuladen. In der rechtstheoretischen Diskussion geht es in erster Linie um inter- und intraorganisationale Netzwerke. Die Faszination, die vom Netzwerkbegriff ausgeht, nährt sich vom Bild persönlicher Netzwerke. Deren typische Eigenschaften werden auf Netzwerke mit Organisationsbeteiligung projiziert. Die Variabilität real existierender Netzwerke ist aber so groß, dass die abstrakte Bezugnahme auf das Netzwerkkonzept leicht zur Ideologie gerät. Die Netze, um die es in der Rechtstheorie geht, sind immer heterarchisch. Sie sind locker und in Bewegung. Sie sind flexibel und produktiv. Sie sind in dem Sinne »more social«[44], dass sie »stärker auf Beziehungen, Ansehen und gegenseitige Interessen angewiesen und weniger durch formale Regeln bestimmt« sind als Organisationen. Diese und andere Eigenschaften von Netzwerken lassen sich nicht schon aus dem Netzwerkbegriff ableiten, sondern müssen in jedem Einzelfall erst empirisch nachgewiesen werden. Deshalb ist es gefährlich, von Netzwerken an sich zu sprechen.

Ein Beispiel für die unkritische Verwendung positiver Prädikate bietet Boehme-Neßler: Netzwerke sind »dynamisch«, sie befinden sich im »Fließgleichgewicht«. Sie lassen sich als »grundlegendes Muster des Lebens« verstehen (S. 518). Auch politische und wirtschaftliche Netze dienen eigentlich dem Informationsfluss (S. 518). Netze sind »interaktiv«, und das heißt im Kern, sie sind »responsiv« und »reziprok« (S. 518f.). Die in Netzen realisierte Rückkopplung stellt eine Art von »checks and balances« dar (S. 520). Netzwerke befördern über Grenzen hinweg »Konvergenz und Konnektivität« (S. 520f.). Netzwerke sorgen für »inneres Gleichgewicht«. Zwar können komplexe Systeme instabile Zustände entwickeln. Aber das Chaos bleibt aus. Aus der Instabilität folgt vielmehr lawinenartig großer Erfolg, sei es im Bereich der Wirtschaft, sei es bei kulturellen Ideen und Trends. Aus instabilen Gleichgewichten entwickelt sich neue Ordnung (S. 522). Netzwerke sind »innovativ« und »robust«, und sie tragen das Qualitätssiegel des Evolutionären (S. 534). Reziprozität und Kooperation (wie sie in Netzwerken realisiert werden) sind »ein übergreifendes Muster des Lebens« (S. 523).

3)                          Ostroms Frage

Die wichtigste Eigenschaft, die Rechtstheoretiker den Netzwerken beilegen, ist Selbstorganisationsfähigkeit. Die Fragestellung ist nicht klar. Ist gemeint, dass Netzwerke sich intern selbst organisieren? Oder liefern sie auch einen Ordnungsüberschuss über die eigenen Grenzen hinaus? Solche Unklarheiten verbinden sich mit einem dicken Defizit. Nirgends findet sich in der postmodernen Rechtstheorie eine Auseinandersetzung mit Ostroms Frage: Warum ist Selbstorganisation in einigen Fällen erfolgreich und in anderen nicht?[45]

V.   Exkurs: Akteur-Netzwerk-Theorie (Bruno Latour)

Texte von Bruno Latour: Laboratory Life. The Social Construction of Scientific Facts. Beverly Hills 1979 (zusammen mit Steve Woolgar; On Actor Network Theory. A Few Clarifications, Soziale Welt 47, 1996, 369-381; Das Parlament der Dinge: für eine politische Ökologie, 2001; La fabrique du droit, Une ethnologie du Conseil d’Etat, Paris 2002; Von der Realpolitik zur Dingpolitik oder Wie man Dinge öffentlich macht, 2005; Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, 2007 [Reassembling the Social: An Introduction to Actor-Network-Theory, Oxford 2005]. Webseite von Bruno Latour mit Texten zum Download: http://www.bruno-latour.fr/.

Literatur: Andrea Belliger/David Krieger (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie, 2006; Markus Holzinger, Natur als sozialer Akteur. Realismus und Konstruktivismus in der Wissenschafts- und Gesellschaftstheorie, 2004; ders., Welcher Realismus? Welcher Sozialkonstruktivismus? Ein Kommentar zu Georg Kneers Verteidigung des Sozialkonstruktivismus und zu Bruno Latours Akteur-Netzwerk-Theorie, Zeitschrift für Soziologie 38, 2009, 521–534; Henning Laux, Bruno Latour meets Harrison White. Über das soziologische Potential der Netzwerkforschung, Soziale Systeme 15, 2009, 367-397; Ron Levi/Mariana Valverde, Studying Law by Association: Bruno Latour Goes to the Conseil d’État, Law & Social Inquiry 33, 2008, 805-825; Reiner Ruffing, Bruno Latour, 2009; Gunther Teubner, Elektronische Agenten und große Menschenaffen: Zur Ausweitung des Akteursstatus in Recht und Politik, ZfRSoz 27, 2006, 5-30; Ingo Schulz-Schaeffer, Akteur-Netzwerk-Theorie. Zur Koevolution von Gesellschaft, Natur und Technik, in: Christian Stegbauer (Hg.), Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften, 2008, 187-211; Johannes Weyer, Die Kooperation menschlicher Akteure und nicht-menschlicher Agenten. Ansatzpunkte einer Soziologie hybrider Systeme, in: Wilhelm Berger/Günter Getzinger (Hg.), Das Tätigsein der Dinge, Beiträge zur Handlungsträgerschaft von Technik, 2009, 61-92 [zuerst erschienen als Arbeitspapier des Fachgebiets Techniksoziologie der Universität Dortmund, Nr. 16/2006].

Verdienen Büroklammern und Treppenhäuser die Aufmerksamkeit der Rechtssoziologie? In seiner Studie über den Conseil d’État (2002) behauptet Latour in der Tat, dass sich die Arbeit des Gerichts nicht allein durch menschliches Handeln und auch nicht aus der Kombination von Menschen und Rechtstexten, sondern erst aus einem größeren Zusammenhang erklären lasse, der eine Vielfalt gegenständlicher »Akteure« einschließe. Menschliches Handeln reagiert auf natürliche Gegebenheiten und technische Artefakte. Das ist mehr oder weniger selbstverständlich und wird wohl deshalb von der Soziologie kaum bedacht. Viel Beachtung hat deshalb Bruno Latours Akteur-Netzwerk-Theorie gefunden, die Menschen und Gegenstände zu einer hybriden Einheit zusammenfasst.

Die Netzwerkanalyse hat mit dieser Idee keine Probleme. Sie kann die Beziehungen zwischen sozialen Akteuren und Objekten aller Art als bipartite Netzwerke darstellen.

Ein Netzwerk heißt bipartit, wenn es zwei verschiedene Arten von Knoten aufweist und die Kanten von der einen zur anderen Art verlaufen. Beispiele geben Kunden und die von ihnen gekauften Waren oder Wissenschaftler und ihre Werke.

Aber der Netzwerkbegriff ist in diesem Zusammenhang eher irreführend. Es geht um Situationsbeschreibungen, in denen Menschen und Objekte interagieren, indem sie sich wechselseitig Eigenschaften und Handlungsmöglichkeiten zuschreiben.

Für Latour und viele, die ihm folgen, zeigt sich in solchen »Netzwerken«, dass Natur und Technik auf der einen und Kultur, Gesellschaft und Politik auf der anderen Seite sich zu einer hybriden Entität verbinden. Eine juristische Konsequenz könnte etwa sein, dass man Automaten als handlungsfähig akzeptiert und ihnen eine begrenzte Rechtsfähigkeit zuerkennt. Damit hat Latour auf ein Defizit der gängigen Soziologie reagiert. Die natürliche und die technische Umwelt findet in ihren Theorien keine große Beachtung. In der Rechtssoziologie spielt sie etwa unter den Stichworten »Realien der Gesetzgebung« oder »Recht und technischer Wandel« nur eine Nebenrolle. Doch letztlich bleibt es dabei: Die Objektwelt ist für die Gesellschaft nur soweit relevant, wie sie sich im Wissen und im Handeln der Menschen spiegelt. Nur im übertragenen Sinne kann man von Interaktionen zwischen Menschen und Dingen reden. Menschen handeln nicht gegenüber Dingen, sondern mit Rücksicht auf Dinge. Daher kann die Soziologie mit ihren herkömmlichen Theorien durchaus auch die Dingwelt indirekt einschließen. Dazu eignet sich besonders der Situationsbegriff. Eine ontologische Überhöhung von Netzwerken aus Menschen und Dingen zu hybriden Entitäten gehört in das Reich der Philosophie.

Immerhin lenken die Arbeiten Latours die Aufmerksamkeit auf ein Defizit der Soziologie im Umgang mit der intelligenten Technik. Diese beginnt schon beim Backofen, der sich selbst abschaltet und endet noch noch lange nicht mit Autopilotsystemen oder Computerprogrammen, die selbstätig an der Börse handeln. Aber Latour selbst hat dazu nichts beigetragen. Johannes Weyer (2006) resumiert:

»Die von Latour gelieferte Empirie fokussiert auf simple, konventionelle Technik wie Türschlüssel und Bodenschwellen. ›Intelligente‹ Technik und Agentensysteme wird man bei ihm vergeblich suchen. … Als Fazit lässt sich also festhalten, dass Latour durch seine Provokationen die Debatte zwar angestoßen und den Blick der (Technik-) Soziologie für die nicht-menschlichen Mitspieler geöffnet hat. Für die Analyse der Interaktionen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Entscheidern in hybriden Systemen hat Latour jedoch keinen konkreten Beitrag geleistet.«

 


[1] Jakob L. Moreno, Who Shall Survive?, Washington, DC 1934 (Die Grundlagen der Soziometrie. Wege zur Neuordnung der Gesellschaft, Köln 1954).

[2] Blackwell, Oxford, 1974.

[3] Einen gute Einführung gibt David Kriesel, Ein kleiner Überblick über Neuronale Netze, 2007.

[4] The Rise of the Network Society, 1996.

[5] In einer Nachfolgeuntersuchung haben Peter Sheridan Dodds, Roby Muhamad und Duncan J. Watts 60.000 Email-User veranlasst, 18 Zielpersonen in 13 Ländern zu erreichen, indem sie eine Nachricht jeweils an einen Bekannten weitersandten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass es grundsätzlich wohl möglich sei, auch im globalen Maßstab beliebig Zielpersonen über persönliche Netzwerke zu erreichen, und schätzten, dass dazu durchschnittlich fünf Vermittlungsschritte notwendig seien. Die Probanden waren dabei sehr verschieden erfolgreich. Der Erfolg war von sozialen Merkmalen (von denen indirekt die verfügbaren Netzwerke abhängen) und von der Suchstrategie abhängig. Bei den ersten Schritten wurde vor allem nach Personen gesucht, die der Zielperson geographisch nahe waren. Bei den letzten Schritten wurde vor allem nach Vermittlern gesucht, die aus einem ähnlichen Berufsfeld kamen wie die Zielpersonen. Am erfolgreichsten waren Probanden, die professionelle Beziehungen nutzen konnten: An Experimental Study of Search in Global Social Networks, Science 301, 29003, 827-829.

[6] Zur Kritik Judith S. Kleinfeld, The Small World Problem, Society 2002, 61-66.

[7] Zu Granovetters Thesen ausführlich unter netzanalytischem Aspekt Easly/Kleinberg S. 43 ff.

[8] Dass die über soziale Netzwerke gefundenen Arbeitsplätze, was die Jobzufriedenheit und das Einkommen betrifft, auch die besseren sind, wird bezweifelt: Gerhard Krug/Martina Rehbien, Network-Based Job Search. An Analysis of Monetary and Non-Monetary Labor Market Outcomes for the Low-Status Unemployed, Zeitschrift für Soziologie 41, 2012, 316-333.

[9] Martina Brandt, Soziale Kontakte als Weg aus der Erwerbslosigkeit, KZfSS 58, 2006, 468-488; (darüber Jürgen Kaube, Wer Freunde hat, findet leichter Arbeit, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17. 12. 2006, S. 76); Johan Ugander/Lars Backstrom/Cameron Marlow/Jon Kleinberg, Structural Diversity in Social Contagion, PNAS vom 17. April 2012 (Bd. 109 Nr. 16, 5962-5966).

[10] Von den vielen einschlägigen Publikationen Burts sei hier nur ein im Internet zugänglicher Artikel aus dem American Journal of Sociology, 2004, angeführt: Structural Holes and Good Ideas.

[11] Z. B. bei Lars Viellechner, The Networks of Networks: Karl-Heinz Ladeur’s Theory of Law and Globalization, German Law Journal 2009, 515-536.

[12] Eli M. Noam, Inter-connecting the Network of Networks, 2001)

[13] Friedhelm Neidhardt, Einige Ideen zu einer allgemeinen Theorie sozialer Bewegungen, in: Stefan Hradil (Hg.), Sozialstruktur im Umbruch, 1985, 193-204, S. 197. Dazu als empirische Untersuchung Thomas Ohlemacher, Bridging People and Protest: Social Relays of Protest Groups against Low-Flying Military Jets in West Germany, Social Problems 43, 1996, 187-218 (Vorbericht »Soziale Relais und Protest« in WZB-Mitteilungen 58, 1992, 9-11).

[14] Paul Erdös/Alfred Rényi, On the Evolution of Random Graphs, Publications of the Mathematical Institute of the Hungarian Academy of Sciences 5, 1959, 17–61.

[15] Albert-László Barabási/Réka Albert, Emergence of Scaling in Random Networks, Science 286, 1999, 509-512. Ferner Statistical Mechanics of Complex Networks, Revue of Modern Physics 74, 2002, 47-97, sowie Albert-László Barabási/Eric Bonabeau, Scale-Free Networks, Scientific American, Mai 2003; deutsche Fassung: Skalenfreie Netzwerke, Spektrum der Wissenschaft Juli 2004, S. 62-69.

[16] Robert K. Merton, The Matthew Effect in Science, Science, 1968, 56-63; vgl. auch den Blog-Eintrag Nachlese: Wie wirkt Recht? vom 29. 6. 2010.

[17] Statistical Mechanics of Complex Networks, Revue of Modern Physics 74, 2002, 47-97.

[18] Duncan J. Watts, Six Degrees: The Science of a Connected Age, W. W. Norton and Company. 2003; Albert-László Barabási, Linked: The New Science of Networks, Perseus, Cambridge, MA, 2002; Mark Buchanan, Nexus: Small Worlds and the Groundbreaking Theory of Networks, W. W. Norton and Company, 2002. Watts und Strogatz geben eine kompakte Darstellung ihrer Arbeit in einem Interview für Sciencewatch Dezember 2008.

[19] Nicholas A. Christakis/ James H. Fowler, Connected. The Surprising Power of Our Social Networks and How They Shape Our Lives, Little, Brown & Company. Die Autoren stellen ihr Buch ausführlich in einem Vortrag vor, der auf der Webseite von Microsoft zu finden ist. Eine ausführliche Besprechung in The New York Times Sunday Book Review vom 1. 1. 2009.

[20] Robin I. M. Dunbar, Coevolution of Neocortical Size, Group Size and Language in Humans, Behavioral and Brain Sciences 16, 1993, 681-735.

[21] Nicola Jentsch, Euphorien, Turbulenzen, Paniken: Die Ökonomie des Risikos, Vortragsmanuskript, o. J.

[22] Gernot Grabher, The Weakness of Strong Ties: The Lock-In of Regional Developments in the Ruhr Area, in: ders. (Hg.), The Embedded Firm. On the Socioeconomics of Industrial Networks, 1993, 255-277. Zitate aus der Zusammenfassung in WZB-Mitteilungen 58, Dezember 1992, 3-7)

[23] Powell verweist dazu auf Clifford Geertz, The Bazaar Economy: Information and Search in Peasant Marketing, The American Economic Review 68, 1978, 28-32. Für die Rechtssoziologie wird man sich eher auf (ältere) Arbeiten von Stewart Macaulay und Ian Macneil beziehen (die in § 64 unten angeführt werden).

[24] Arthur L. Stinchcombe, Contracts as Hierarchical Documents, in: Arthur L. Stinchcombe/Carol Anne Heimer (Hg.), Organization Theory and Project Management, Oslo/Oxford 1985, 121-171.

[25] Gunther Teubner, Netzwerk als Vertragsverbund, 2004, 89ff, 93; vgl. auch ders., Die vielköpfige Hydra: Netzwerke als kollektive Akteure höherer Ordnung, in: Wolfgang Krohn/Günter Küppers (Hg.), Emergenz. Die Entstehung von Ordnung, Organisation und Bedeutung, 1992, 535-561.

[27] Angelika Nußberger, Wer zitiert wen? Zur Funktion von Zitaten bei der Herausbildung gemeineuropäischen Verfassungsrechts, Juristenzeitung, 2006, 763-770.

[28] Eric Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, Eine Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 2005.

[29] Hans Kudlich/Ralph Christensen, Die Methodik des BGH in Strafsachen, Eine medienwissenschaftliche Inhaltsanalyse von Entscheidungsgründen in Strafsachen samt rechtstheoretischen Anschlussfragen, 2009.

[30] Computerkultur und Evolution der Methodendiskussion in der Rechtswissenschaft, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 74, 1988, 218-238, S. 237 Fn. 114.

[31] Daniel Martin Katz/Derek K. Stafford, Hustle and Flow: A Social Network Analysis of the American Federal Judiciary, Ohio State Law Journal 71, 2010, 457-507.

[32] Daniel Martin Katz u. a., Reproduction of Hierarchy? A Social Network Analysis of the American Law Professoriate, Journal of Legal Education 61, 2011, 1-28.

[33] Fritz Dolder/Mauro Buser, Zitieren geht über Studieren – Empirische Wanderungen im Grenzgebiet zwischen Rechtslehre und Rechtsprechung, in: Josef Estermann (Hg.), Interdisziplinäre Rechtsforschung zwischen Rechtswirklichkeit, Rechtsanalyse und Rechtsgestaltung, Bern 2010, 193-210; Matthias M. Siems, Citation Patterns of the German Federal Supreme Court and the Court of Appeal of England and Wales, 2009.

[34] Michael James Bommarito/Daniel Martin Katz, Mathematical Approach to the Study of the United States Code, Physica A 389, 2010, 4195–4200, verfügbar in SSRN.

[35] Michael James Bommarito/Daniel Martin Katz/Jon Zelner, Law as a Seamless Web? Comparison of Various Network Representations of the United States Supreme Court Corpus (1791-2005), SSRN 2009; James H. Fowler u. a., Network Analysis and the Law: Measuring the Legal Importance of Precedents at the U.S. Supreme Court, Political Analysis 15, 2007, 324-346; Thomas A. Smith, The Web of Law, SSRN 2005.

[36] Paul Erdös/Alfred Rényi, On the Evolution of Random Graphs, Publications of the Mathematical Institute of the Hungarian Academy of Sciences 5, 1959, 17–61.

[37] Die Idee stammt von von Casper Goffman: And What Is Your Erdos Number?, The American Mathematical Monthly, 76, 1969, 791.

[38] Tabelle und Berechnung nach dem Stand vom 24. Juni 2011 auf der Seite http://oracleofbacon.org/center.php, die ihre Daten aus der Movie Data Base entnommen hat.

[39] Volker Schneider, Politiknetzwerke und die Steuerung komplexer Gesellschaften, 2004 (später gedruckt in: Alexander Ebner u. a., Hg., Innovation zwischen Markt und Staat, 2007.)

[40] Die Metapher stammt wohl von Frederic Maitland; dazu der Artikel » The Law Is A Seamless Web« aus dem Legal Theory-Lexicon von Lawrence B. Solum. Die Empirie dazu steuert bei: Thomas A. Smith, The Web of Law, SSRN 2005.

[41] Dorothea Jansen, Einführung in die Netzwerkanalyse, 3. Aufl., 2006, 58.

[42] Z. B. in den Rechtsgrundlagen des Netzwerks der europäischen Wettbewerbsbehörden (Europeam Competition Network – ECN), insbesondere in der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.

[43] Eberhardt Schmidt-Aßmann, Verfassungsprinzipien für den Europäischen Verwaltungsverbund, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts Band I, 241-305; S. 256ff (Rn. 26ff); Hans-Christian Röhl, Verfahren im Europäischen Verwaltungsverbund, ebd. Bd. II, S. 689-750, S. 727ff Rn. 54 ff); Jörg Philipp Terhechte, Das Internationale Kartell- und Fusionskontrollverfahrensrecht zwischen Kooperation und Konvergenz, ZaöRV 68, 2008, 689-762, S. 703.

[44] Walter Powell, Weder Markt noch Hierarchie, in: Patrick Kenis/Volker Schneider (Hg.), Organisation und Netzwerk, 1996, 213-271, 219.

[45] Elinor Ostrom, Was mehr wird, wenn wir teilen, 2011, S. 28.