§ 100 Globalisierung von Demokratie und Menschenrechten

I. Globalisierung der Demokratie

Literatur: Volker Bornschier, Weltgesellschaft, Grundlegende soziale Wandlungen, 2008; Christopher Chase-Dunn/Terry Boswell, Global Democracy: A World-Systems Perspective, in: Protosociology 20 (2004), 15–29; Samuel P. Huntington, The Third Wave, Democratization in the Late Twentieth Century, Norman 1993; Hans-Joachim Lauth, Regimediffusion, in: Raj Kollmorgen u. a. (Hg.), Handbuch Transformationsforschung, Wiesbaden 2015, S. 662-673; Wolfgang Merkel, Gegen alle Theorie? Die Konsolidierung der Demokratie in Ostmitteleuropa, Politische Vierteljahresschrift 48, 2007, 413-433; ders., Das Ende der Euphorie. Der Systemwettlauf zwischen Demokratie und Diktatur ist eingefroren, Internationale Politik Mai/Juni 2010, S. 18-23; Ruth Zimmerling, Samuel Huntingtons demokratische Wellen – viel Lärm um Gischt? Politische Vierteljahresschrift 44, 2003, 196-216 (kritisiert Huntingtons Buch als unwissenschaftlich)

1. Ausbreitung der Demokratie

Über Demokratie ist auf Weltebene noch nicht entschieden.

Der amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington unterschied drei Demokratisierungswellen. Die erste (von 1828 bis 1926) brachte die Demokratisierung der USA, Mexikos und anderer Länder. Die zweite Welle beobachtete Huntington zwischen 1943 bis 1962, als nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen und faschistischen Regime die Bundesrepublik Deutschland, Italien und Japan demokratisch wurden und auch einige nunmehr selbständig gewordene Kolonien wie Indien die Demokratie einführten. Die dritte Welle der Demokratisierung begann 1974 mit der »Nelkenrevolution« in Portugal und breitete sich nach 1989 über Mittel- und Osteuropa, Lateinamerika und Ostasien aus.[1] Hier verdoppelte sich in wenigen Jahren die Anzahl der Demokratien. Zur Erklärung verwies Huntington auf die Abnutzung autoritärer Regierungen, internationalen Druck, den Wunsch der Menschen nach Menschenrechten und Sicherheit vor Willkür und den Wunsch nach wirtschaftlicher Entwicklung. Fukuyama sah 1989 sogar das Ende der Geschichte gekommen, denn die Evolution der politischen Ideologien habe mit weltweiter Ausbreitung der liberalen Demokratie westlichen Musters ihr Endstadium erreicht. Zeitweise schien dieser Optimismus verflogen. Keiner der arabischen Staaten – den Libanon vielleicht ausgenommen – hatte demokratische Strukturen hervorgebracht, die diesen Namen verdienten. Dann setzte sich 2009, ausgehend von Tunesien, eine neue Demokratisierungswelle in Gang, die sich über Ägypten nach Libyen ausbreitete und in Syrien bürgerkriegsähnliche Zustände auslöste. Wieweit aus dieser so genannten Arabellion Demokratien nach westlichem Mustr entstehen, ist noch offen. In nicht wenigen Ländern ist eine Rückentwicklung zu autoritären Regimes zu beobachten. Dennoch ist die Demokratie zum normativen Standard der internationalen Politik geworden. Selbst Diktaturen halten sich Parlamente und veranstalten Wahlen. Auch wenn das nur Fassade ist, hat die Demokratie damit einen Fuß in der Tür.

2. Soziale Voraussetzungen der Demokratie

Literatur: Kenneth A. Bollen/Robert Jackman, The Economic and Noneconomic Determinants of Political Democracy in the 1960s, Research in Political Sociology 1, 1985, 27-48; Florian Jung/Uwe Sunde, Inequality, Development, and the Stability of Democracy -Lipset and Three Critical Junctures in German History (June 2011). CEPR Discussion Paper No. DP8406; John Keane, The Life and Death of Democracy, New York, NY 2009; Karl-Heinz Ladeur, Globalization and the Conversion of Democracy to Polycentric Networks: Can Democracy Survive the End of the Nation- State?, in: ders. (Hg.), Public Governance in the Age of Globalization, Aldershot, 2004, 89-118; Seymour Martin Lipset, Some Social Requisites of Democracy: Economic Development and Political Legitimacy, The American Political Science Review 53, 1959, 69-105; Julian Wucherpfennig/Franziska Deutsch, Modernization and Democracy: Theories and Evidence Revisited, Living Reviews in Democracy, 1, 2009, 9 Seiten (gute Übersicht).

Wenn man überlegt, was ganz sozialtechnisch betrachtet, notwendig ist damit Demokratie funktioniert, kann man die Voraussetzungen nach vier Gesichtspunkten sortieren:

  1. Welche ideologischen (kulturellen) Voraussetzungen sind der Demokratie förderlich oder abträglich?
  2. Unter welchen ökonomischen Verhältnissen funktioniert Demokratie am besten?
  3. Verlangt Demokratie ethnische oder kulturelle Homogenität der Bevölkerung?
  4. Hat Demokratie etwas mit Größe, sei des der Bevölkerung, sei es des Territoriums zu tun?

Unter Demokratie soll hier nach dem Vorschlag von Lipset (S. 71) ein politisches System verstanden werden, das dem größtmöglichen Teil der Bürger eine Beteiligung an der Entscheidung von gesellschaftlichen Interessenkonflikten bietet, indem es ihnen die Möglichkeit einräumt, zwischen verschiedenen Bewerben um die politischen Ämter auszuwählen, das also die Möglichkeit institutionalisiert hat, seine Regierung auszutauschen. Dieses System verlangt zunächst nach einem Konzept, dass solche Demokratie für eine legitime Regierungsform hält, und verschiedene Institutionen spezifiziert, die freie Wahlen erst möglich machen (politische Parteien, eine freie Presse, und wohl auch ein Parlament). Notwendig sind schließlich Regierung und Opposition, also ein Personenkreis, der aktuell die Regierung führt, und ein anderer, der die Regierung ablösen will.

Zu (1): Es ist schwer vorstellbar, dass Demokratie funktioniert, solange nicht eine Vorstellung von der Gleichheit aller Menschen vorhanden ist. Wie das alte Griechenland zeigt, muss die Gleichheitsvorstellung nicht die moderne sein. Technisch kann Demokratie auch funktionieren, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Sklaven ausgeschlossen sind. Aber der richtige Schub für die Demokratie kam doch erst, als mit der Aufklärung des ausgehenden 18. Jahrhunderts der Gedanke der Gleichheit wirklich aller Menschen Fuß fasste. Seither kann man sagen, dass Bildung die wichtigste Variable bildet, die mit mit einer Demokratiefreundlichkeit positiv korreliert (Lipset S. 79).

Religionen sind grundsätzlich demokratiefeindlich. Das zeigt sich heute im Widerstand des Islam gegen die Demokratisierung der arabischen Länder. Die christlichen Religionsgemeinschaften brauchten über 100 Jahre, um den Toleranzgedanken der Aufklärung zu übernehmen und Staat und Demokratie ihre eigene Sphäre einzuräumen. Aber damit haben sie letztlich den Weg zur Säkularisierung freigegeben.

Zu (2): Eine alte These besagt, dass nur in einer wohlhabenden Gesellschaft, in der wenige Bürger in großer Armut leben, die große Mehrzahl der Bürger sich sinnvoll politisch artkulieren kann und dazu jene Selbstbeschränkung entwickelt, die notwendig ist, um nicht den Versprechungen von Demagogen zu erliegen (Lipset S. 75). Sie wurde von Lipset 1959 neu formuliert, und es gelang ihm in einer vergleichenden Untersuchung verschiedener Länder, die These auch mit Daten zu belegen. Als Variable diente ihm dabei nicht einfach das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung, sondern er versuchte ein umfassenderes Bild der Modernisierung zu zeichnen, das Industrialisierung, Urbanisierung, Erziehung und natürlich Wohlstand berücksichtigte. Um zu bestehen, müsse die Demokratie für ihre eigene Legitimität sorgen, und das geschehe in der Regel durch eine kontinuierliche Entwicklung der Wirtschaft.

Zu (3): Die Antwort ist unklar.

Zu (4): Die traditionelle Vorstellung geht dahin, dass Demokratie nur in relativ kleinen, überschaubaren Staaten funktioniert.[2] Als positives Beispiel werden die skandinavischen Staaten und die Schweiz angeführt. Dabei ist aber wohl in erster Linie an eine direkte Demokratie gedacht. Das Gegenbeispiel war lange Zeit Indien.

3. Das demokratische Paradox

Ein Problem folgt daraus, dass gegenwärtig die Demokratie selbst in eine gewisse Krise geraten ist, die unter anderem auch mit der Globalisierung zu tun hat. Die moderne Demokratie ist, anders als im alten Griechenland, eine Massendemokratie, die nur als repräsentative funktioniert. Demokratische Repräsentation war wohl eine Erfindung der Gründerväter der amerikanischen Verfassung, vor allem Alexander Hamiltons, und sie funktionierte zwei Jahrhunderte hindurch recht gut. Aber die Gesellschaft hat sich gewandelt, während das System der politischen Parteien, auf dem die repräsentative Demokratie aufbaut, weitgehend unverändert geblieben ist. Das System bestand darin, dass die Parteien sich als Vertreter bestimmter Interessen anboten. Die Versäulung der Gesellschaft in Interessengruppen ist in Auflösung begriffen. Vor allem die Arbeitnehmerschaft, die in der Industriegesellschaft Parteien können nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, Kollektive mit gemeinsamen Interessen zu vertreten. Solche Kollektive mit hinreichend abgrenzbaren Interessen, die in erster Linie durch die Stellung der Beteiligten im Produktionsprozess definiert waren, verlieren ihre Konturen. An ihre Stelle treten mehr und mehr Minderheiten, die gegen srukturelle Diskriminierung kämpfen. Dadurch wird unklar, wen oder was die Parteien heute repräsentierten. Man beobachtet einen Wandel von einer interssenbasierten zu einer wertbasierten Politik. Die Parteien empfehlen sich ihren Wählern zunehmend nicht länger als Kämpfer für ihre Interessen, sondern sprechen sie über Symbole und Werte an. Die traditionelle Form der Kollektivierung der Politik über Massenparteien ist durch neuartige soziale Bewegungen abgelöst worden. Diese Entwicklung geht einher mit einer Verlagerung von Kompetenzen in den Bereichen soziale Sicherung, Schulen, Gesundheitswesen öffentliche Sicherheit oder Planung vom Zentralstaat auf kleinere Einheiten. In den USA spricht man seit Mitte der 1990er Jahre von einer devolution revolution. Gleichzeitig wird der Ruf nach Bürgerbeteiligung lauter.

Das demokratische Paradox ist aber noch spezifischer. Demokratie als Grundprinzip der Staatsorganisation ist fast weltweit akzeptiert. Doch wo dieses Organisationsprinzip realisiert ist, zeigt sich unter den Menschen eine wachsende Unzufriedenheit mit den Kerninstitutionen der Demokratie, das heißt, mit Parteien, Parlamenten und gewählten Regierungen. Während die demokratischen Institutionen an Vertrauen verlieren, wächst das Ansehen von so genannten nichtmajoritären Institutionen wie die Polizei, Verfassungsgerichte und Zentralbanken, und auch konstitutionelle Monarchen stehen weiterhin hoch im Kurs. Auch dafür muss die Globalisierung als Erklärung herhalten. Man sagt, der Nationalstaat sei immer weniger in der Lage, eine effektive Politik umzusetzen, sei es, weil Umweltprobleme nicht lokal zu lösen sind, sei es, weil der globale Wirtschaftswettbewerb die Leistungsfähigkeit des immer noch national agierenden Wohlfahrtsstaats einschränkt. Aber diese Erklärung ist wenig überzeugend, denn transnationale Institutionen wie die Europäische Kommisssion, der EUGH oder die UNO erreichen nicht annähernd die Vertrauenswerte ihrer nationalen Pendents. Einer Demokratisierung, die diesem Zustand abhelfen könnte, scheinen sie unzugänglich zu sein. So stellt sich die Frage nach den sozialen Voraussetzungen der Demokratie.

4. Zum Verhältnis von Menschenrechten und Demokratie

Demokratie garantiert nicht per se die Menschenrechte. Das Mutterland der Demokratie, das klassische Griechenland, war eine Sklavenhaltergesellschaft. Demokratien haben vielfach Menschen von der Teilhabe ausgeschlossen, nicht nur Sklaven, sondern auch Frauen oder Arme. Heute gehören aber die Menschenrechte und damit insbesondere die Gleichheit aller Menschen als die Mutter aller Menschenrechte zum Standard der Demokratie. Es fällt leichter, sich Menschenrechte ohne Demokratie als Demokratie ohne Menschenrechte vorzustellen.

Die UN-Deklaration der Menschenrechte legt allerdings auch eine Verpflichtung zu freien und fairen Wahlen fest. Wahlbeobachtungen durch NGOs scheinen einen wichtigen Beitrag zur Durchsetzung dieser Verpflichtung zu leisten.

5. Scheitert Demokratie an traditioneller Kultur?

Gegen diese kulturrelativistische Sicht macht Andrew Nathan geltend, den Vorstellungen von einer unwandelbaren chinesischen Autokratie liege ein statischer Kulturbegriff zugrunde, der angesichts des atemberaubenden Wandels der Nachkriegszeit wenig erklärungskräftig sei.[3] Kultur sei, das zeige gerade das chinesische Beispiel, kein stehendes Gewässer. Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel und die oft leidvollen Erfahrungen mit der kommunistischen Diktatur hätten zu tiefgreifenden Veränderungen der chinesischen politischen Kultur geführt. Der Respekt vor staatlicher Autorität habe abgenommen, das Mißtrauen in den guten Willen der Herrschenden sei selbst unter der ländlichen Bevölkerung stark gewachsen. Die Notwendigkeit von unabhängigen Kontrollinstitutionen stehe angesichts der allgegenwärtigen Korruption außer Frage. Das Interesse an einer verantwortlichen und berechenbaren Form der Verwaltung wachse mit der privaten Wirtschaftstätigkeit. Deshalb könne die Geschichte Chinas keinen sicheren Aufschluss darüber geben, ob die Demokratie in diesem Lande funktionieren werde. Das Scheitern demokratischer Experimente in der vorkommunistischen Periode, die nicht einmal die Minimalbedingungen eines demokratischen Systems (Konkurrenzwahlen, Organisations- und Meinungsfreiheit) erfüllt hätten, sei kein Beweis dafür, dass die Demokratie für China ungeeignet sei. In einem Vergleich mit der westlichen Demokratisierungsgeschichte haben Edward Friedman u. a. die These in Frage gestellt, dass die Begegnung von ostasiatischer Kultur und liberaler Demokratie auf ein unversöhnliches Spannungsverhältnis hinauslaufen müsste (E. Friedman 1994). Vom konfuzianischen Korea bis zum buddhistischen Thailand habe sich Demokratie als ein viel anpassungsfähigeres und flexibleres Konzept erwiesen, als dies die traditionelle westliche Auffassung von Demokratie zugeben möchte. Deren Ansatz, durch partikulare Vorurteile getrübt, versuche die Bedingungen der Möglichkeit von Demokratisierung auf einige, eng begriffene kulturelle Vorbedingungen festzulegen, die zwar für die Entstehung der westlichen Demokratien in Europa wichtig gewesen seien, nämlich eine auf die attische Demokratie zurückgehende Kultur demokratischer Werte und eine ökonomisch starke Mittelklasse. Beides dürfe aber mit Demokratie als einer universellen Errungenschaft nicht verwechselt werden. Abgesehen davon, dass die kulturelle Ausgangslage bei der weiteren Demokratisierung Ostasiens nur eine geringe Rolle spiele, sei das Bild konsens- und gemeinschaftsorientierter Gesellschaften im fernen Osten ebenso ein Mythos wie die Vorstellung eines kulturbedingt »liberalen« Westens mit konfliktfreudigen und zugleich toleranten Individuen und Parteien mit einer durchgängigen demokratischen Überlieferung von der Athener Polis bis zum englischen Parlamentarismus. Auch dem Westen sei die Demokratie nicht als Folge einer liberalen Kultur in den Schoß gefallen, sondern sie habe sich erst in langwierigen politischen Kämpfen gegen eine starke autoritäre Tradition durchsetzen müssen. Der Kampf um die Demokratie stehe den meisten Ländern des Fernen Ostens erst noch bevor. Vorerst, so möchte man hinzufügen, sind sie gerade erst dabei, eine moderne Nationalstaatlichkeit zu etablieren. Dabei zeigt insbesondere China aggressive hegemoniale Ambitionen, die an die europäischen Nationalstaaten des 19. Jahrhundert erinnert und die idealisierende Vorstellung unglaubwürdig macht, das Reich der Mitte werde zu jenen sanften, primär symbolischen Formen der Hegemonie zurückkehren, die seine Vorherrschaft in Ostasien einst für die Nachbarn erträglich und sogar bereichernd erscheinen ließ.

Ähnlich wie in der wissenschaftlichen Diskussion stehen sich auch unter den Politikern in Ostasien Anhänger einer politischen Sonderentwicklung und eines universellen Demokratieideals gegenüber. Auf der einen Seite steht die von dem Präsidenten des Stadtstaats repräsentierte neoautoritäre »Singapur-Schule«, die konfuzianische Werte wie Ordnung, Konsens und Harmonie als Heilmittel gegen die in den westlichen Demokratien zu beobachtenden sozialen Missstände und libertären Auswüchse beschwört. Dem südkoreanischen Präsidentschaftskandidaten Kim Dae Jung erscheint dies als »Mythos der anti-demokratischen Werte Asiens« (Kim Dae Jung 1994). Tatsächlich seien die in den westlichen Gesellschaften auftretenden Auflösungserscheinungen nicht auf die demokratische westliche Kultur zurückzuführen, sondern seien Folgen der Industrialisierung und der mit der Modernisierung der Gesellschaft einherschreitenden Auflösung überkommener Lebenszusammenhänge, und stünden als solche auch den asiatischen Kulturen bevor. Bezeichnenderweise berufen sich Kim Dae Jung und Lee Kuan Yew gleichermaßen auf die konfuzianische Tradition, jeweils unter Betonung ihres demokratischen respektive autoritativen Potentials – was als Tatsache für sich genommen eher darauf hindeutet, dass kulturelle Traditionen doch in vielfacher Weise fortgesetzt werden können, oder mit Heilmann: »Der Konfuzianismus schillert«.

6.       Demokratie und Rechtsstaat

Literatur: Thomas Carothers, Rule of Law Temptations, The Fletcher Forum of World Affairs 33, 2009, 49-61; Guillermo O’Donnell, Why the Rule of Law Matters, in: Larry Diamond/Leonardo Morlino (Hg.), Assessing the Quality of Democracy, Baltimore, 2005, 3-17; José María Maravall/Adam Przeworski (Hg.), Democracy and the Rule of Law, Cambridge 2003.

Internetquellen: Matthew C. Stephenson, A Trojan Horse Behind Chinese Walls?, Problems and Prospects of US-Sponsored “Rule of Law” Reform Projects in the People’s Republic of China, 2000; Brian Z. Tamanaha, A Concise Guide to the Rule of Law, 2007; ders., The Dark Side of the Relationship between the Rule of Law and Liberalism, 2008; ders., The Primacy of Society and the Failures of Law and Development: Decades of Stubborn Refusal to Learn, 2010.

Demokratie und Rechtsstaat (rule of law) gelten als unzertrennlich. Sowohl in der UN-Menschenrechtsdeklaration als auch in der Europäischen Menschenrechtserklärung werden sie nebeneinander angeführt und in der Kopenhagener Erklärung vom 29. Juni 1990 heißt es in Art. 3, Demokratie sei ein integraler Bestandteil der rule of law. Schließlich besagt die Präambel der Menschenrechtserklärung der Europäischen Union, dass die Union auf die Prinzipien von Demkratie und die rule of law gegründet sei.

Demokratie und die rule of law werden aber manchmal in einem gewissen Gegensatz gesehen. Demokratie als der Wille des Volkes und seiner Repräsentanten tendiert in Richtung auf eine Ausweitung der Staatsmacht. Es besteht deshalb die Befürchtung, sie könne die rule of law gefährden. Das Konzept der Macht des Volkswillens tendiert dazu, sich über die Rechtsform hinwegzusetzen, um die Demokratie vor Einschränkungen zu bewahren. Das gilt besonders für Einschränkungen durch gerichtliche Entscheidungen. Die rule of law gilt deshalb manchen als konservative Ideologie, die soziale und ökonomische Reformen bremst.

Das Konzept der rule of law hat sich jedoch von dem Imperativ zur absoluten Beachtung allen Rechts verändert in Richtung auf die Achtung gerechten, demokratisch erlassenen Rechts. Sie ist darüber hinaus auf institutionelle Arrangements wie Gewaltenteilung und Stimmrecht erweitert worden. Umgekehrt hat sich auch das Demokratiekonzept von einer bloß prozeduralen Auffassung zu einer materiellen Idee entwickelt, die die Rechte der Bürger und Rechte von Minoritäten garantiert. Besonders die Menschenrechte sind zu einer Art Brücke zwischen rule of law und Demokratie geworden.

Demokratie und Recht waren im Nationalstaat des 20. Jahrhunderts eine in vielen Fällen glückliche Verbindung eingegangen. Auf der globalen Ebene scheinen diese beiden Elemente wieder auseinanderzutreten. Im Rahmen der amerikanischen Rechtsberatungsprogramme wurde 1997 zwischen US-Präsident Bill Clinton und Chinas Staatspräsident Jiang Zemin eine »Rule of Law Initiative« vereinbart. Konkret sollte die Zusammenarbeit sich auf die Ausbildung von Richtern und Rechtsanwälten, den Schutz der Menschenrechte, Zusammenarbeit im Bereich des Verwaltungsrechts, des Handelsrechts, der Schlichtung sowie der Verbesserung der Rechtsdurchsetzung und der Rechtshilfe im Sinne von legal aid erstrecken. Diese Rechtsberatungsmaßnahmen – auch von Seiten der EU gab es ähnliche Programme – waren als »Trojanisches Pferd« konzipiert, um von innen her den Geist der Demokratie und Menschenrechte zu fördern. Der Erfolg blieb aber doch begrenzt. Carothers und Tamanaha haben darauf aufmerksam gemacht, dass China, Russland und andere Staaten sich gerne auf die rule of law berufen, aber Demokratie und Freiheitsrechte unter strikter Kontrolle halten.

»In all these countries strong-hand rulers have found that the rule of law works well as an alternative objective to democratization, not one that complements it but rather one that will help preserve authoritarian or semi-authoritarian rule.« (Carothers 2009:54)

>Anscheinend gelingt es immer wieder, die rule of law in eine rule by law umzufunktionieren. Für Lateinamerika hat O’Donnell (S. 16) die »traurige Beobachtung« beigesteuert, »that at times the rule of law (or at any rate the rhetoric of the rule of law) has been employed in the service of authoritarian regimes«.

II. Vergleichende Messung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Literatur: Marc Bühlmann/Wolfgang Merkel/Bernhard Wessels, The Quality of Democracy. Democracy Barometer for Established Democracies, 2008; Hans-Joachim Lauth, Demokratie und Demokratiemessung, Eine konzeptionelle Grundlegung für den interkulturellen Vergleich, Wiesbaden 2004; ders., Möglichkeiten und Grenzen der Demokratiemessung, Zeitschrift für Staatsund Europawissenschaften 8, 2010, 498-529; Jørgen Møller/ Svend-Erik Skaaning, Varieties of Measurement: A Comparative Assessment of Relatively New Democracy Ratings based on Original Data, V-Dem Working Paper 2021; Thomas Müller/Susanne Pickel, Wie lässt sich Demokratie am besten messen? Zur Konzeptqualität von Demokratieindizes, Politische Vierteljahresschrift 48, 2007, 511-539; Peter Thiery/Jenniver Sehring/Wolfgang Muno, Wie misst man Recht? Möglichkeiten und Grenzen der Messung von Rechtsstaatlichkeit, in: Estermann, Josef (Hg.), Interdisziplinäre Rechtsforschung zwischen Rechtswirklichkeit, Bern 2010, 211–230; Svend-Erik Skaaning u. a., A Lexical Index of Electoral Democracy, Comparative Political Studies 48,2015, 1491–1525; Siegmar Schmidt, »Demokratien mit Adjektiven«. Die Entwicklungschancen defekter Demokratien, Entwicklung und Zusammenarbeit, 2001, 219-223; Theresa Paola Stawski/Hans-Joachim Lauth, Handbook: Introducing the Stateness Index StIx 2023 (mit umfangreichem Literaturverzeichnis).

1. Wie misst man Demokratie und Rechtsstaatlichkeit?

Im Zuge der Globalisierung wächst der Wunsch, die weltweite Ausbreitung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu messen. Es ist erstaunlich, wie viele Institutionen sich der Aufgabe angenommen haben, mindestens Elemente von Demokratie und Rechtsstaat quantifizierend zu vergleichen. Meistens geschieht das kontinuierlich über viele Jahre, und die Ergebnisse werden laufend nach der Art von Rennlisten veröffentlicht. In aller Regel werden die Arbeit (und ihre Finanzierung) durch ein starkes Interesse an der Verbreitung von Rechtsstaat und Demokratie westlichen Musters motiviert.[4]

Für die Durchführung solcher Messungen muss vorab eine Reihe von Methodenfragen beantwortet werden:

  1. Wie sollen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für Vergleichszwecke definiert werden?
  2. Soll dichotomisch oder kontinuierlich gemessen werden?
  3. Welche Indikatoren können zur Messung verwendet werden?
  4. Wie lassen sich die Indikatoren operationalisieren?
  5. Welche Daten stehen zur Verfügung?
  6. Wie können die Daten am Ende aggregiert werden?

Zu 1: Wie so oft bei Definitionsfragen, gibt es oberflächlich betrachtet eine große Übereinstimmung, was mit den Begriffen gemeint ist. Ertst wenn man genauer hinsieht, wird die Sache schwierig. Das liegt im konkreten Fall nicht zuletzt daran, dass im Englischen verwendete Begriff rule of law nicht deckungsgleich mit dem deutschen Rechtsstaat ist, und ferner an der Blitzkarriere des Governance-Begriffs, der Elemente von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in sich vereinigt.

Zu 2: Mit einer dichotomen Messung, die einen Staat als entweder demokratisch oder als autoritär einordnet und ihm Rechtsstaatlichkeit zuspricht oder verneint, erspart man sich zwar das Problem, wie man die Daten am Ende aggregiert. Aber die Messung wäre fraglos zu grob. Daher arbeitet so nur der historisch orientierte Boix-Miller-Rosato dichotomous coding of democracy, 1800-2020, version 4.0.[6]

Zu 3: Die Kriterien werden kaum aus theoretischen Konzepten von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abgeleitet, sondern folgen mehr oder weniger einem Common-Sense-Verständnis.

Zu 4: Im Grunde handelt es sich eher um eine technische Frage, wie sie bei allen Projekten empirischer Sozialforschung zu lösen ist. Mit Rücksicht auf das Forschungsfeld – die annähernd 200 Staaten dieser Welt – und die Fülle des in Betracht kommenden Materials – muss die Operationalisierung mit Rücksicht auf die verfügbaren Daten und die Möglichkeiten ihrer Erfassung erfolgen.

Zu 5: Es ist praktisch ausgeschlossen, mit den üblichen Methoden der Sozialforschung überall auf der Welt neue Daten zu erheben. Man muss daher auf verfügbare Daten, etwa auf amtliche Statistiken oder Medienberichte, zurückgreifen. Wichtigste Datenquelle sind Einschätzungen durch Experten. Daraus ergeben sich Probleme bei der Genauigkeit und Zuverlässigkeit (Validität und Reliabilität) der Messung.

Zu 6: Um die Vergleichbarkeit herzustellen, müssen die Daten zusammengefasst und daraus in Index oder ein Ranking gebildet werden.

6. Einzelne Indices

Worldwide Good Governance Indicators: Mit der Weltbank verbundene Wissenschaftler haben einen Index aufgelegt, der den Zustand von Good Governance überall auf der Welt messen soll. Die Daten wurden für 212 Länder und Territorien erhoben, und zwar für 1996, 1998, 2000 und seit 2002 jährlich. Das Governance-Indikatoren-Projekt findet zwar unter dem Dach der Weltbank statt, wird aber von den Wissenschaftlern (Daniel Kaufmann, Aart Kraay und Massimo Mastruzzi) betrieben. Zu jeder neuen Erhebung schreiben sie unter dem Titel »Governance Matters« eine Erläuterung.[5] Es werden sechs Dimensionen von Governance gemessen:

    1. Voice and Accountability
    2. Political Stability and Absence of Violence/Terrorism
    3. Government Effectiveness
    4. Regulatory Quality
    5. Rule of Law
    6. Control of Corruption.

Für diesen Index wird die Rule of Law wie folgt definiert:

»Rule of Law (RL) – capturing perceptions of the extent to which agents have confidence in and abide by the rules of society, and in particular the quality of contract enforcement, property rights, the police, and the courts, as well as the likelihood of crime and violence.«

Die Rule of Law wird also auf effiziente Institutionen und Verfahren zum Eigentums- und Vertragsschutz und zur Bekämpfung der Kriminalität verkürzt. Demokratie und Menschenrechte spielen keine Rolle.

Bertelsmann Transformationsindex (BTI): Hier die Selbstbeschreibung:

»Der Transformationsindex (BTI) ist ein weltweites Messinstrument, das politischen Akteuren und der internationalen Öffentlichkeit Orientierung über den Entwicklungsstand und die Qualität des Managements bietet. Der BTI analysiert und bewertet Entwicklungs- und Transformationsprozesse in 128 Staaten.

Ranking: Der Transformationsindex (BTI) richtet sich in seiner Bewertung nach der Zielvorstellung einer konsolidierten marktwirtschaftlichen Demokratie. Er beurteilt einerseits den Stand der rechtsstaatlichen Demokratie und sozial verantwortlichen Marktwirtschaft eines Landes. Andererseits bewertet der BTI – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Rahmenbedingungen – wie konsequent und zielsicher die politischen Akteure in den einzelnen Staaten Reformvorhaben umsetzen konnten. Die erhobenen quantitativen Daten des BTI werden im Status-Index sowie im Management-Index zusammengefasst.«

Der Index wird alle zwei Jahre neu erstellt. Dazu gibt es Länderberichte und einen Transformationsatlas, der die Ergebnisse visualisiert. Der Transformationsindex erfasst nur die sog. Transformationsländer. Mit den OECD Staaten beschäftigen sich nach dem gleichen Muster die Sustainable Governance Indicators (SGI). In der Selbstbeschreibung heißt es:

»Mithilfe qualitativer und quantitativer Daten messen die SGI in allen 30 OECD-Staaten deren aktuellen Reformbedarf in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und untersuchen zugleich die Fähigkeit ihrer Regierungen, drängende Probleme anzupacken und Lösungsstrategien erfolgreich umzusetzen.«

Dieser Index wurde erstmals 2009 erstellt und soll gleichfalls alle zwei Jahre erneuert werden.

Polity IV Project. Political Regime Characteristics and Transitions, 1800-2013: Das Center for Systemic Peace (CSP) ist in Severn, Maryland, USA, ansässig, und gibt auf seiner Webseite über sich selbst wenig Auskunft. Bei genauerem Hinsehen findet man jedoch eine Notiz, nach der das Polity IV Projekt von einer Political Instability Task Force (PITF) gesponsert wird, die ihrerseits ihr Geld von der Central Intelligence Agency, also von der CIA bezieht. Das Center veröffentlicht jährlich mehrere Indices, darunter Polity IV, eine vergleichende quantitative Analyse der Regierungsstruktur von zurzeit 163 Staaten der Welt. Das Polity IV-Projekt scheint bei Politikwissenschaftlern durchaus angesehen zu sein. Ich habe es hier angeführt, weil ich unten über eine Untersuchung über die Reformfreudigkeit von Demokratien im Verhältnis zu autoritären Regimes[7] eingehe, die u. a. von den Daten dieses Projekts Gebrauch macht.

Freedom in the World (FIW): Freedom House ist eine US-amerikanische NGO, die u. a. 193 Länder der Welt auf nach Skala von 1 (ganz frei) bis 7 (ganz unfrei) bewertet. und zwar getrennt nach politischen Rechten (political rights) und bürgerlichen Freiheiten (civil liberties). Eine zusätzliche Bewertung gibt es für den Stand der Demokratie. Schließlich werden die Länder noch einmal zusammenfassen in drei Kategorien als frei, teilweise frei und unfrei sortiert. Die Einstufung erfolgt durch ein Team von 40 Analysten und 17 wissenschaftlichen Beratern. Sie arbeiten mit Checklisten, die zehn Leitfragen für political rights und 15 für civil liberties enthalten. Rechtsstaatlichkeit (rule of law) ist eine Unterkategorie von civil liberties. Dafür gibt es wiederum vier Leitfragen, die ihrerseits ausdifferenziert werden. Die Fragen sind folgende (die Unterfragen werden hier nur für die erste wiedergegeben.)

  1. Is there an independent judiciary?
  2. Is the judiciary subject to interference from the executive branch of government or from other political, economic, or religious influences?
  3. Are judges appointed and dismissed in a fair and unbiased manner?
  4. Do judges rule fairly and impartially, or do they commonly render verdicts that favor the government or particular interests, whether in return for bribes or other reasons?
  5. Do executive, legislative, and other governmental authorities comply with judicial decisions, and are these decisions effectively enforced?
  6. Do powerful private concerns comply with judicial decisions, and are decisions that run counter to the interests of powerful actors effectively enforced?
  7. Does the rule of law prevail in civil and criminal matters? Are police under direct civilian control?
  8. Is there protection from political terror, unjustified imprisonment, exile, or torture, whether by groups that support or oppose the system? Is there freedom from war and insurgencies?
  9. Do laws, policies, and practices guarantee equal treatment of various segments of the population?

Rule of Law Index: The World Justice Project, eine in Washington D. C. ansässige NGO, zählt zu ihren zahlreichen Sponsoren die American Bar Association, aber auch etwa Transparency International oder die norwegische Bar Association. Das Geld kommt u. a. von der Bill & Melinda Gates Stiftung, der General Electric Foundation und LexisNexis. Zu den Aktivitäten gehört neben großen internationalen Tagungen, dem World Justice Forum, der Rule of Law Index. Der Index will messen, wie weit die verschiedenen Länder die Rule of Law akzeptiert haben. Der dazu entwickelte Index hat 16 Faktoren und 68 Subfaktoren. Die Daten werden durch Meinungsumfragen und Expertenbefragungen gewonnen. Anfangs wurden Daten über 35 Länder erhoben. 2022 waren es über 100 Länder. Die sechzehn Faktoren werden für die einzelnen Ländern jeweils übersichtlich mit Zahlenwerten und übersichtlichen Graphiken dargestellt. Sie werden jedoch nicht zu einem Score konsolidiert, so dass es auch keine Rennliste gibt.

Die Rule of Law wird folgendermaßen definiert:

  1. The government and its officials and agents are accountable under the law.
  2. The laws are clear, publicized, stable and fair, and protect fundamental rights, including the security of persons and property.
  3. The process by which the laws are enacted, administered and enforced is accessible, fair and efficient.
  4. Access to justice is provided by competent, independent, and ethical adjudicators, attorneys or representatives, and judicial officers who are of sufficient number, have adequate resources, and reflect the makeup of the communities they serve.

Spitzenreiter unter den stabilen Staaten war 2022 Dänemark mit einem Score von 9,0. Deutschland hat sich über die Jahre verbessert und folgt mit einem Score von 0,83 an sechster Stelle Norwegen, Finnland, Schweden und den Niederlanden. Die schlechtesten Plätze belegen Afghanistan, Kambodscha und Venezuela.

Unified Democracy Scores: Die Selbstbeschreibung lautet:

»The Unified Democracy Scores (UDS) covers the time period 1946-2012. These scores incorporate updates to three of the ten original measures – Freedom House (2014), Polity IV (Marshall et al., 2012), and Van Hanen (2012) – that feature in the analysis that the authors report in their 2010 article. In addition, the most recent release added a recently developed measure of democracy – Economist Intelligence Unit (2012) – to its framework.« Verwiesen wird dazu auf  Daniel Pemstein/Stephen A. Meserve/James Melton, Democratic Compromise: A Latent Variable Analysis of Ten Measures of Regime Type, Political Analysis 18, S. 426–449.

Democracy Barometer: Von dem am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)angesiedelten Projekt hat man »ein Instrument entwickelt, mit dem es untersuchen kann, wie demokratisch 75 etablierte Demokratien sind und welche feinen Unterschiede es zwischen ihnen gibt. Somit wird ein Vergleich zwischen Demokratien ermöglicht und eine kritische Beobachtung der Entwicklung der Demokratie in diesen Ländern im Verlauf der Zeit.« Näheres bei Marc Bühlmann/Wolfgang  Merkel/Lisa Müller/Bernhard Weßels, The Democracy Barometer: A New Instrument to Measure the Quality of Democracy and its Potential for Comparative Research,  Eur Polit Sci 11, 2012, 519–536.

International IDEA (2020). Das International Institute for Democracy and Electoral Assistance ist eine an zwischenstaatliche Organisation zur Förderung nachhaltiger Demokratie und veröffentlicht seit 2016 Global State of Democracy Reports (GSoD), zuletzt 2022.

Variety of Democracy (V-Dem): Dieser Index ist insofern besonders, als er seine Daten aus Einschätzungen von mehr als 3000 Experten gewinnt.[8]

Stateness Index: Das Würzburger Institut für Politikwissenschaft und Soziologie veröffentlich neuerdings den Stateness Index StIx. Vorläufer war der Neue Index der Demokratie von Lauth 2008.[9] Der Index verwendet nur drei Kriterien: monopoly of law, monopoly of violence and monopoly of administration. Er misst diese Kriterien nicht nur am formellen Recht und seinen Institutionen, sondern will mit dem informalen Unterbau die Realität der Staatlichkeit erfassen. Auf einer 173 Staaten umfassenden Auswertung nimmt Deutschland den zehnten Platz ein.

Fragile Sates Index: Der US-amerikanische Think-Tank Fund for Peace bewertet Staaten auf einer Skala von 1 bis 10 und nutzt für seinen Index zwölf Kriterien. Der Index erfasst 179 Staaten. Hier rangiert Deutschland an Nr. 13 als »nachhaltiger Staat. An der Spitze stehen sechs »sehr nachhaltige Länder, nämich Finland, Noregen, Island, Neuseelnd, Dänemark und die Schweiz. Eine brauchbare Darstellung findet man bei Wikipedia.

Das German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn richtet seine Aufmerksamkeit, ähnlich wie der Fund for Peace, besonders auf fragile Staaten. Einzelheiten ergeben sich aus einem »Users‘ Guide on easuring Fragility«. Man Stützt sich auf nur drei Kriterien: Durchsetzung des Gewaltmonopols (authority), öffentliche Dienstleistungen (capacity) und Legitimität (legitimacy). Auf diesen Kriterien beruhen die »sechs grund­le­gen­de Fra­gi­li­täts­pro­fi­le«, die das BMZ auf seiner Internetseite anführt:

  • »zer­fal­len­de« oder dys­funk­tio­na­le Staa­ten mit er­heb­li­chen Schwä­chen in al­len Di­men­sio­nen, häu­fig ge­prägt durch ge­walt­sa­me Aus­ein­an­der­set­zun­gen bis hin zu Bür­ger­krie­gen;
  • »schwa­che« Staa­ten oh­ne Ge­walt­kon­flik­te, aber mit ge­rin­ger Leis­tungs­fä­hig­keit der staat­li­chen In­sti­tu­tio­nen, bei­spiels­wei­se bei der Er­brin­gung von Ba­sis­dienst­leis­tun­gen;
  • »her­aus­ge­for­der­te« Staa­ten, die re­la­tiv hand­lungs­fä­hig und le­gi­tim sind, aber er­heb­li­chen Si­cher­heits­be­dro­hun­gen (zum Bei­spiel durch lo­ka­le Mi­li­zen) aus­ge­setzt sind;
  • »il­le­gi­ti­me« (und häu­fig re­pres­si­ve) Staa­ten, de­ren po­li­ti­sche Ord­nung trotz oder ge­ra­de we­gen um­fang­rei­cher staat­li­cher Kon­trol­le von wei­ten Be­völ­ke­rungs­tei­len nicht als le­gi­tim ak­zep­tiert ist und die da­her nur schein­bar sta­bil sind;
  • mä­ßig funk­tio­nie­ren­de Staa­ten mit mitt­le­ren Aus­prä­gun­gen von Fra­gi­li­tät in al­len Di­men­sio­nen, wo­bei die Her­aus­for­de­run­gen vor al­lem beim Ge­walt­mo­no­pol (Be­dro­hun­gen bei­spiels­wei­se durch Ter­ro­ris­mus oder or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät) und bei der Leis­tungs­fä­hig­keit lie­gen;
  • gut »funk­tio­nie­ren­de« Staa­ten mit ho­her Le­gi­ti­mi­tät, ge­si­cher­tem Ge­walt­mo­no­pol und aus­ge­präg­ter Fä­hig­keit, Ba­sis­dienst­leis­tun­gen zu er­brin­gen.

Relevant sind auch die verschiedenen Indices, die ein globales Standort-Ranking für die Wirtschaft anbieten (o. § 73 IV). So verglich Der EFW Report auch den Zusammenhang des eigenen Index mit dem Index politischer Rechte und bürgerlicher Freiheiten von Freedom House:

»Nations in the top quartile have an average score of 1.6 for political rights on a scale of 1 to 7, where 1 marks the highest level, while those in the bottom quartile have an average score of 4.4.

Nations in the top quartile have an average score of 1.6 for civil liberties on a scale of 1 to 7, where 1 marks the highest level, while those in the bottom quartile have an average score of 4.1.« ( Report 2008 S. XXII)

Allerdings verwiesen die Autoren selbst auf Hongkong und Singapur als Ausnahmen, betonten allerdings, dass hier jedenfalls die Wirtschaft sehr frei sei.

Zu den methodischen Details der Indices werden in der Literatur viele Kritikpunkte erörtert. Vom Ergebnis her zeigen sie jedoch eine hohe Übereinstimmung. Die Korrelation zwischen dem Index von Freedom House und dem Bertelsmann-Transformationsindex betrug 0,938. Die Übereinstimmung mit dem Governance-Index der Weltbank war (mit 0,664 bzw. 0,663) allerdings schwächer (Thiery/Sehring/Muno S. 224). Das liegt daran, dass dieser Index die materielle Seite des Rechtsstaats – Demokratie und Menschenrechte – vernachlässigt mit der Folge, dass auch autoritär regierte Staaten wie Singapur gute Noten erhalten können. Thiery/Sehring/Muno (S. 226) meinen einschränkend weiter, dass die von ihnen analysierten Indizes

»zwar relativ gut das Nicht-Funktionieren des Rechtsstaates abbilden, nicht aber das Funktionieren des daraus resultierenden Normensystems. Mit anderen Worten messen sie zwar die Verwirklichung des Rechtsstaates, nicht aber die gesamte Rechtswirklichkeit eines Landes. So kann ein nicht voll funktionierender Rechtsstaat durch ein responsives customary law ergänzt werden. Er kann aber auch defizitär sein, weil in bestimmten funktionalen oder territorialen Bereichen mächtige Akteure (Guerilla, Oligarchen, etc.) ein eigenes Regelsystem aufgebaut haben.«

 

III. Der Menschenrechtsdiskurs

Literatur: Andreas Fischer-Lescano, Globalverfassung: Los desaparecidos und das Paradox der Menschenrechte, Zeitschrift für Rechtssoziologie 23, 2002, 217-249; ders., Globalverfasung. Die Geltungsbegründung der menschenrechte, 2005; Tanja Hitzel-Cassagnes, Die Inklusion von Betroffenenperspektiven bei der Anerkennung von Menschenrecht, Kritische Justiz 43, 2010, 4–21; Markus Kaltenborn, Dass Recht auf Entwicklung und die US-amerikanische Außenplitik, Verfassung und Recht in Übersee 44, 2011, 294–315; .Matthias Kaufmann, Rechtspluralismus als Antwort auf die Herausforderungen des Rechts durch Globalisierung und Migration? Ethnologische und philosophische Perspektiven, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Beiheft 126, 2011, 95-110; Karl-Heinz Ladeur/Lars Viellechner, Die transnationale Expansion staatlicher Grundrechte: Zur Konstitutionalisierung globaler Privatrechtsregimes, Archiv des Völkerrechts 46, 2008, 42-73; Niklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 574 ff.; Nadja Meisterhans, Menschenrechte als weltgesellschaftliche Herrschaftspraxis 2010; Marcelo Neves, Die symbolische Kraft der Menschenrechte, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 91, 2005, 159-187; Gunther Teubner, Die anonyme Matrix: Zu Menschenrechtsverletzungen durch »private« transnationale Akteure, Der Staat 44, 2006, 161–187; William L. Twining, General Jurisprudence, Understanding Law from a Global Perspective, 2009 (Kapitel 13).

Internetquellen: Egon Flaig, Warum der Scharia-Islam gegen die Menschenrechte steht,  Nadja Meisterhans, Globale Rechte, Globales Recht? Zur Konstitutionalisierung der Menschenrechte in Perspektive des Weltbürgerrechts, 2006.

1. Menschenrechte klassisch

»Die Menschenrechte entstanden im Kampf um die Abschaffung der Sklaverei.« Das ist die gut belegte These des Althistorikers Egon Flaig.

Ihr Problem besteht darin, dass Flaig von der rechten Szene und von Islamkritikern vereinnahmt worden ist. Seine Essays (»Dschihad«, erschienen in der FAZ vom 16. 9. 2006) und »Djihad und Dhimmitude« (zuerst wohl in Moritz – Greifswalder Uni-Zeitung vom 18. 12. 2006) werden auf vielen Blogs im Internet verbreitet[10]. Das hat zur Folge, dass Flaig mit seinen Thesen ohne inhaltliche Auseinandersetzung auf Ablehnung stößt oder ignoriert wird. Der 2009 erschienenen »Weltgeschichte der Sklaverei«, welche die Welt des Islam als das »größte und langlebigste sklavistische System« der Geschichte darstellt[11], wird vorgehalten, Flaig habe nicht sorgfältig recherchiert[12] oder ihm wird umgekehrt bescheinigt, er habe zwar sorgfältig recherchiert, aber sein Material für eine Polemik gegen den Islam missbraucht.[13] Vor allem wird ihm vorgehalten, er habe den Kolonialismus des 19. Jahrhunderts zu einer humanitären Intervention umgedeutet.[14]

Auch wenn man Flaig in seiner Apologie des Kolonialismus kaum folgen kann, so ist es doch zutreffend, dass Abschaffung der Sklaverei auf die christliche Kultur zurückgeht. Viele einfache Gesellschaften und alle Hochkulturen haben ausnahmslos die Sklaverei praktiziert. Den frühesten Abolitionismus der Weltgeschichte findet Flaig im Osten des römischen Reiches, wo eine christliche Minderheit im 4. Jahrhundert beinahe die Sklaverei zum Verschwinden gebracht hätte. Seit Eustathios, von 323 bis 331 Patriarch von Antiochia, gelehrt hatte, die Prediger sollten die Sklaven zur Selbstbefreiung auffordern, gab es immer wieder christliche Stimmen gegen die Sklaverei. Das erste Rechtsbuch der Weltgeschichte, das die Leibeigenschaft und mir ihr auch die Sklaverei verwirft, ist der Sachsenspiegel von 1235.[15]

Der Menschenrechtsdiskurs der Europäischen Aufklärung ist danach schon der zweite. Ein dritter Menschenrechtsdiskurs ist nach 1945 in Reaktion auf die »Akte der Barbarei« (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) in den totalitären Diktaturen entstanden und hat sich seither globalisiert. Zwar wird immer noch diskutiert, wie die Menschenrechte inhaltlich bestimmt werden sollen, wie sie sich zu »starken« Überzeugungen etwa religiöser Natur verhalten, wie die Menschenrechte als universalistische Orientierung mit der Differenz von Kulturen vereinbar ist und wie die Autonomie des Politischen mit der Idee der Menschenrechte verknüpft werden kann. Das ändert aber nichts daran, dass die Forderung nach Beachtung der Menschenrechte zu einem globalen Imperativ geworden ist. Die bloße Idee der Menschenrechte verfügt über so viel Kraft, dass sie den Menschen überall auf der Welt zu einem Vokabular für den Widerstand gegen Unterdrückung verhilft und dass sich die Weltöffentlichkeit und ihre Medien durch den Ruf nach Menschenrechten bereitwillig mobilisieren lassen.

Ein vierter Menschenrechtsdiskurs hat sich aus der US-amerikanischen Civil-Liberty-Bewegung entwickelt, die alsbald mit Genderismus und Queerismus zusammenfloss und und den Kampf gegen Rassismus verschiedenster Couleur auf ihre Fahnen geschrieben hat.

Inhaltlich hat der moderne Menschenrechtsdiskurs zwei wichtige Erweiterungen gebracht. Die erste besteht darin, dass Menschenrechte nicht bloß gegenüber Staaten in Anspruch genommen werden, sondern auch gegenüber Privaten, insbesondere gegenüber großen Unternehmen und hier wieder gegenüber den TNCs.

Verpflichten die Menschenrechte nicht nur Staaten, sondern auch die großen transnationalen Pharmakonzerne? Diese Frage wurde in Südafrika akut, wo die Aids-Epidemie katastrophale Ausmaße angenommen hatte, während die von internationalen Pharmaunternehmen angebotenen Medikamente für Durchschnittsbürger unerschwinglich waren. Auf eine Beschwerde von Bürgern und Bürgerrechtsgruppen an die Wettbewerbskommission in Südafrika gegen die Pharmakonzerne Glaxo-Smith-Kline und Boehringer Ingelheim kam es 2003 zu einem Vergleich, mit dem die Konzerne Lizenzen zur Herstellung preiswerter Generika für das südliche Afrika bewilligten.

Juristisch wird die sog. Drittwirkung der Grundrechte inzwischen zwar prinzipiell allgemein anerkannt. Die rechtstheoretische Herleitung und vor allem die Reichweite sind jedoch nach wie vor höchst umstritten. (Dazu etwa Robert Rebhahn, Zivilrecht und Europäische Menschenrechtskonvention, Archiv für die civilistische Praxis 210, 2010, 489-554)

Eine andere Erweiterung gegenüber dem ursprünglichen Konzept liegt in der Vorstellung, dass Menschenrechte auch die materiellen Ressourcen für ein menschenwürdiges Leben, insbesondere Nahrung, Gesundheitsversorgung und Bildung, gewährleisten. Schließlich werden Menschenrechte für ein überindividuelles Recht auf Entwicklung in Anspruch genommen (Kaltenborn). Damit haben die Menschenrechte an Prägnanz verloren und sind zu einem allgemeinen Gerechtigkeitsanliegen geworden.

Es ist nicht einfach, die Entwicklung der Menschenrechte mit soziologischer Theorie zu erfassen. In aller Regel folgen Untersuchungen der Menschenrechtsentwicklung einem konfliktsoziologischen Ansatz. Da es jedoch die eine Konflikttheorie nicht gibt, bleiben Generalisierungen schwierig. Zahlreiche Studien zeichnen konkrete Auseinandersetzungen um Menschenrechte nach. Dazu genügt in der Regel das übliche Theorie- und Hypotheseninventar der Mikrosoziologie. Andere Untersuchungen befassen sich mit der Menschenrechtsbewegung als einer unter anderen sozialen Bewegungen. Das Ergebnis ist eher historisch beschreibend als soziologisch analysierend. Wenn die Menschenrechtsbewegung als Teil der Zivilgesellschaft angesprochen wird, so verbinden sich damit immerhin Hypothesen über die Genese von Recht aus der Mitte der Gesellschaft.

Traditionell ist der Staat nicht bloß Adressat der Menschenrechte, sondern auch ihr Garant. Staaten mit einem ausgebildeten Rechtssystem können diesen Spagat bewältigen. Aber es sind immer noch Staaten, die faktisch die meisten Menschenrechtsverletzungen zu verantworten haben. Hier beginnt der Aufbau einer transnationalen Infrastruktur zum Schutz der Menschenrechte langsam zu wirken.

2. Menschenrechte global

Theoretische Voraussetzung für die Globalisierung der Menschenrechte wäre ihre Universalisierbarkeit. Rechtssoziologie such jedoch nicht nach einer normativen Bgründung, sondern nach einer empirischen Erklärung. Als solche könne man makrosoziologisch an eine evolutionstheoretische Erklärung denken, etwa daran, dass die weltweite Modernisierung universelle Werte und Normen mit sich bringt. Normative Begründungen werden erst sekundär relevant, nämlich soweit sie im sozialen Interssenkampf und im politischen Diskurs Wirkung zeigen.

In der europäisch-amerikanischen Rechtskultur werden die Menschenrechte mit einem universellen Anspruch verbunden, der sich aus der Idee der Gleichheit aller Menschen und ihrer (individuellen) Freiheit ableitet. Sie dulden keine Abstufungen, und niemand kann ausgeschlossen werden. Im Zuge der Globalisierung stößt dieser Anspruch auf Widerstand. Der Widerstand wird argumentativ damit begründet, dass in anderen Kulturkreisen eine andere Philosophie der Gerechtigkeit und ein anderes Gesellschaftsbild maßgeblich seien. Im Kontext globaler Auseinandersetzungen wird dem Universalitätsanspruch aber auch entgegengehalten, »der Westen« missbrauche die Menschenrechte als hegemoniale Selbstermächtigung zur Intervention in aller Welt. In der Rechtsphilosophie hat man zwar die traditionellen Begründungsinstanzen wie wie Glaube, Natur oder Vernunft verabschiedet. Aber noch immer bemüht man sich um eine universalistische Begründung von Menschenrechten. Bevorzugt werden seit geraumer Zeit Argumente, die eine im weitestens Sinne transzendentale Struktur aufweisen. Sie suchen, Menschenrechte als unhintergehbare Voraussetzungen einer Kommunikation über normative Fragen zu verankern. Zum deutschen Exportartikel ist in diesem Zusammenhang der Begriff der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG geworden. Für die soziologische Betrachtung ist jedoch nicht solche Philosophie, sondern die praktische Akzeptanz entscheidend. Der Konsens über die Menschenrechte ist erstaunlich breit. Aber es gibt Widerstände. Formuliert werden sie vor allem in China und im Islam. Praktisch zeigen sie sich aber auch überall dort, wo das soziale Leben durch kleinförmigre traditionelle Herrschaftsformen bestimmt ist.

Die chinesische Kultur erscheint Europäern auf den ersten Blick als verschlossen, fremd und unvergleichlich. Aber der erste Eindruck wird durch die unzugängliche Schrift und Sprache und eine andere Ästhetik bestimmt. Die chinesische Kultur hat von jeher fremde Einflüsse erstaunlich offen rezipiert. Zunächst war es der indische Buddhismus, später der deutsch-russische Marxismus und in den letzten Jahrzehnten westliche Technologie und marktwirtschaftliche Strukturen. Bemerkenswert ist dabei immer wieder die undogmatische Art und Weise, in der fremde Ideen assimiliert werden. Nach allem, was man liest und hört, lässt die Art und Weise, in der die Chinesen im Internet und in den Universitäten, in Kunst und Literatur über Menschenrechte und Demokratie diskutieren, nicht den Eindruck aufkommen, dass diese ihrer Kultur wesensfremd seien. Wenn dennoch Partei- und Staatsführung sich immer wieder auf besondere »chinesische Kennzeichen« berufen, um Demokratie und Menschenrechte nach westlichem Muster abzublocken, so steht dahinter wohl eher politische Strategie als kultureller Essentialismus. Das chinesische Menschenrechtsverständnis geht von einem »right of existence« aus, dem Recht, das menschliche Leben zu erhalten und zu verbessern. Dem liegt das Konzept der Generationsgerechtigkeit zugrunde, nämlich das Recht der Menschen von heute, die hier und jetzt leben und sich entwickeln wollen. Westliche Konzepte des Umweltrechts beruhen dagegen auf der Idee der Generationengerechtigkeit, nämlich auf der Idee, dass das Recht der Gegenwart die Lebensqualität künftiger Generationen mit einschließen müsse. Dabei – so der Vorwurf aus China – wird vernachlässigt, dass, anders als im Westen, das erste Problem, nämlich die Existenzsicherung für die gegenwärtig lebenden Menschen, noch gar nicht gelöst sei. Man müsse also, anders als im Westen, die Probleme der Existenzsicherung und des Umweltschutzes synchron bearbeiten. Anders werde es nicht gelingen, für die große Bevölkerungsmehrheit des Landes, die arme Landbevölkerung, das Dilemma von Existenzsicherung und Umweltschutz aufzulösen.[16] Damit beansprucht man in China keine andere Rationalität, sondern ist im Grunde ganz pragmatisch.

Das ist nach islamischem Verständnis anders. Hier sind Menschenrechte sekundär zum Koran und zur Scharia. Der Islam beansprucht damit eine andere Rationalität.

Solche Widerstände ändern nichts daran, dass man von einer Globalisierung der Menschenrechte reden kann. Mindestens rhetorisch treffen sie unmittelbar und direkt kaum noch auf Widerstand. Manche sprechen von einem Global Justice Movement, andere von einer »boomenden Menschenrechtsindustrie«.

Mit der Globalisierung hat sich das Verständnis der Menschenrechte erheblich gewandelt. Die klassischen Freiheits- und Selbstenfaltungsrechte sind in den Hintergrund getreten. Die Menschenrechte haben mit ihrer Globalisierung ihren spezifischen Charakter verloren haben und zu einem allgemeinen Gerechtigkeitsanliegen geworden sind. Die Forderung nach der Einhaltung von Menschenrechten hat im globalen Kontext einen ähnlichen Stellenwert wie innerstaatlich der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit.

IV. Der Schutz der Menschenrechte

1. Schutz der Menschenrechte durch das offizielle Recht

Literatur: Thomas Buergenthal/Daniel Thürer, Menschenrechte. Ideale, Instrumente, Institutionen, 2010; Sally Engle Merry, Human Rights and Gender Violence, Translating International Law into Local Justice, 2006; Andreas Fischer-Lescano/Carsten Gericke, Der IGH und das transnationale Recht. Das Verfahren BRD ./. Italien als Wegweiser der zukünftigen Völkerrechtsordnung, Kritische Justiz 43, 2010, 78–88; Elizabeth Holzer, What Happens to Law in a Refugee Camp?, Law and Society Review 47, 2013, 837-872; David Jacobson/Galya Benarieh Ruffer, Courts Across Borders: The Implications of Judicial Agency for Human Rights and Democracy, Human Rights Quarterly 25, 2003, 74-92; Theodor Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz, 3. Aufl., , 2016.

Internetquellen: Menschenrechtsberichte der Bundesregierung (seit 1993 alle zwei Jahre); (UN-)Report on Indicators for Promoting and Monitoring the Implementation of Human Rights ; Business & Human Rights Resource Center (NGO mit Sitz in England und Wales, USA und Deutschland).

Der Schutz der Menschenrechte ist eines der prominentesten und erfolgreichsten Gebiete des offiziellen internationalen Rechts. Er gehört zu den Kernbeständen der UN-Charta, und die UN hat weitreichende Aktivitäten zur Implementierung von Menschenrechten und fundamentalen Freiheiten entfaltet, welche in der UN-Charta proklamiert und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und den Amerikanischen, Europäischen und Afrikanischen Konventionen näher ausgestaltet sind. Rechtliche Vorkehrungen gibt es also reichlich. Da der UN jedoch die Sanktionen eines Staates nicht zur Verfügung stehen, bleibt Implementation das eigentliche Problem. Für die Rechtssoziologie ist es von besonderem Interesse, die inoffiziellen Interaktionsformen zu beobachten, die dazu bestimmt sind, die immanente Schwäche des offiziellen Völkerrechts auszugleichen, z. B. Sachverhaltsfeststellung, Appelle an eine internationale öffentliche Meinung, Erziehung, Lehre, Training und die Verbreitung von Informationen. Von Interesse ist auch eine Analyse des speziellen Beitrags nicht-staatlicher internationaler Organisationen (Rotes Kreuz, Amnesty International, Human Rights Watch, Greenpeace etc.) zur Durchsetzung allgemeiner Menschenrechte.

Holzer zieht aus ihren Beobachtungen in einem Flüchtlingslager für Liberianer in Ghana den Schluss: Wissenschaftler, die sich mit internationalen Menschenrechtsaktivisten befassen, konzentrieren sich entweder auf bemerkenswerte Erfolge  oder auf eklatantes Versagen. Diese Diskussionen über die Wirkung der Menschenrechte übersehen oder unterschätzen bemerkenswerte gemischte Effekte von Menschenrechtskampagnen, die Kompromittierung rechtlicher Institutionen oder kleine Konzessionen, die zwar nicht als Sieg betrachtet werden können, aber auch nicht völlig als Misserfolg abgeschrieben werden dürfen.

2. Schutz der Menschenrechte durch die Zivilgesellschaft

Literatur: Volker Bornschier, Weltgesellschaft, Grundlegende soziale Wandlungen, 2008 (Kapitel 16); Michael Herzka, Die Menschenrechtsbewegung in der Weltgesellschaft, Bern 1995.

Internetquellen: Franz Nuscheler, NGOs in Weltgesellschaft und Weltpolitik: Menschenrechtsorganisationen als Sauerteig einer besseren Welt?, o. J.

Die Akteure der Zivilgesellschaft, die sich dem Schutz der Menschenrechte verschrieben haben, bilden in ihrer Gesamtheit die Menschenrechtsbewegung. Die Menschenrechtsbewegung ist nicht so klar und kohärent wie die klassischen Bewegungen der Arbeiter oder der Frauen. Das liegt daran, dass sie in erster Linie nicht von Betroffenen, sondern von engagierten Bürgern getragen wird. Wikipedia zählt 28 Menschenrechtsorganisstionen auf. Die beiden wichtigsten NGO sind wohl Human Rights Watch und Amnesty International. Man darf jedoch nicht bloß auf solche Organisationen sehen, die speziell und explizit die Menschenrechte zu ihrem Thema gemacht haben. Mehr oder weniger für alle sozialen Bewegungen, ganz gleich ob sie für Arbeitnehmer oder für Immigranten eintreten, für Personen, die wegen ihrer Rasse oder wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden, für alle gehört die Berufung auf Menschenrechte zum zentralen Kampfmittel. Die Möglichkeit, sich auf ein Menschenrecht zu berufen, ist der Boden für die Entstehung spezialisierter Organisationen. Die Szene ist, auch über nationale Grenzen hinweg, eng vernetzt, und sie findet in Organisationen, die traditionelle gesellschaftliche Themen behandeln, breite Unterstützung.

Michael Herzka (1995) unterscheidet drei Phasen, in denen Menschenrechtsorganisationen an der Entwicklung des transnationalen Menschenrechtsregimes mitgewirkt haben. Nach dem zweiten Weltkrieg haben sie sehr bald eine globale Perspektive entwickelt und sich aktiv am Ausbau des UN-Menschenrechtsregimes beteiligt. So soll die in Art. 68 der UN-Charta vorgesehene Einsetzung einer Kommission für Menschenrechte auf den Einfluss von NGOs zurückgehen. In den 1960er und 70er Jahren gelang ihnen die Ausdehnung ihrer Massenbasis, und sie gerieten in ein zunehmend kritisches Verhältnis zur UNO und zur offiziellen Politik. Nach 1980 war eine weltweite Vernetzung der Menschenrechtsbewegung zu beobachten. Etwas später folgte ihre Einbindung in die Weltorganisationen. Viele Erwartungen wurden jedoch massiv enttäuscht, so dass es nach 1999 zu einer neuen Radikalisierung und Mobilisierung von Protest kam.

Zeitweise schien es, als stieße die Menschenrechtsbewegung nur auf den faktischen Widerstand autoritärer Regime aller Art. Inzwischen zeigt sich aber auch »theoretischer« Widerstand, der insbesondere von dem politischen System Chinas und von religiös-fundamentalistischen Kulturen ausgeht und der sich universalistisch verstehenden Menschenrechtsbewegung erhebliche Probleme bereitet.[17]

V. Strategien zur Aktivierung der Menschenrechte

1. Aktivierung der Menschenrechte mit Gerichtshilfe

Literatur: Wolfgang Kaleck/Miriam Saage-Maaß, Transnationale Unternehmen vor Gericht. Über die Gefährdung der Menschenrechte durch europäische Firmen in Lateinamerika, 2008; Sebastian Müller, Menschenrechtsmonitoring, Frankfurt a. M. 2011; Miriam Saage-Maaß, Geschäft ist Geschäft? Zur Haftung von Unternehmen wegen der Förderung staatlicher Menschenrechtsverletzungen, Kritische Justiz 43, 2010, 54–69; Carl Franklin Stychin, A Nation by Rights, National Cultures, Sexual Identity Politics, and the Discourse of Rights, Philadelphia 1998.

Opfer von Menschenrechtsverletzungen, ihre Anwälte und NGOs haben juristische Strategien entwickelt, um über Ländergrenzen hinweg Ansprüche durchzusetzen, die auf transnationales Recht gestützt werden. In der Zeitung liest man, etwa unter der Überschrift »Deutsche Konzerne am Pranger der amerikanischen Justiz«[18], über Sammelklagen, mit denen Daimler und Rheinmetall sowie den amerikanischen Konzernen IBM, Ford und General Motors durch Lieferung von Fahrzeugen und Gerät sowie durch Weitergabe von Informationen über Apartheidgegner Verbrechen des Regimes bis hin zur Folter und zu rechtwidrigen Tötungen unterstützt zu haben. In jüngerer Zeit geht es um so genannte Klimaklagen.

Schon svor Jahren wurde vor den Gerichten in New York um die Zulässigkeit der Klagen gestritten, die auf das Alien Tort Claims Act von 1789 (ATCA), auch Alien Tort Statute genannt, gestützt werden. Die einzige Bestimmung dieses Gesetzes besagt, dass Jedermann vor amerikanischen District Courts Zivilklagen erheben kann, die auf die Verletzung von Völkerrecht oder internationalen Verträgen der Vereinigten Staaten begründet werden. Dieses Gesetz spielte fast 200 Jahre lang keine Rolle, bis es im Fall Filartiga vs. Pena-Irala (630 F.2d 876; 2d. Cir. 1980) wiederentdeckt wurde.[19] Ein Bürger aus Paraguay klagte, weil er in seiner Heimat von einem Beamten gefoltert worden war, und das Gericht ließ die Klage zu, da hier das Völkerrecht verletzt worden sei, das nach Art. III der US-Verfassung unmittelbarer Bestandteil des amerikanischen Bundesrechts sei. Um die Jahrtausendwende gab es vor allem Klagen von Zwangsarbeitern aus der Zeit des 2. Weltkriegs und sog. Holocaust-Klagen gegen europäische Banken wegen dort ruhender jüdischer Vermögen und gegen Versicherungen wegen unerfüllter Ansprüche. Einige dieser Klagen wurden zugelassen mit der Begründung, dass es in Europa für die Kläger keinen ausreichenden Rechtsschutz gebe, insbesondere weil dort die Möglichkeit von Sammelklagen fehle, mit denen die Rechte von Personen berücksichtigt werden könnten, die von ihren Ansprüchen noch nichts wüssten.

Zunehmend werden die Klagen auf eine Verantwortung gestützt, die sich aus einer Verletzung firmeneigener Codes of Conduct oder aus Richtlinien internationaler Standard Setting Bodies ergeben soll. Für solche Klagen stehen außer den Menschenrechtsorganisationen, die die Opfer mobilisieren, unternehmerische Anwälte bereit, die sich auf Human-Rights-Angelegenheiten geworfen haben. Insgesamt gesehen waren auf den ATCA gestützte Schadensersatzklagen bisher jedoch wenig erfolgreich. Deshalb ist es von Interesse, dass politische Randgruppen außerhalb Europas und der USA Ideen und Strategien nutzen, die auf das Konzept der rule of law unter Einschluss der Menschrechte gestützt werden, um politische Erfolge zu erringen. Besonders auffällig ist dabei, dass diese Erfolge viel weniger durch die Inanspruchnahme von nationalen Gerichten und internationalen Tribunalen erzielt wurden als vielmehr durch eine diskursive Strategie auf der Basis der rule of law und von international rights (Stychin).

Nachtrag: Die unterschiedlichen Einzelanstrengungen haben in Deutschland 2016 einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte ausgelöst, der inzwischen zur Verabschiedung des sog. Lieferkettengesetzes geführt hat.

2. Aktivierung der Menschenrechte durch die Medien

Literatur: Nadja Meisterhans, Normativität und Narration. Wie Unrechtsgeschichten den Menschenrechtsdiskurs vorantreiben, Kritische Justiz 43, 2010, 22–37.

Die Bedeutung der Medien für die Aktivierung der Menschenrechte liegt auf der Hand. Luhmann hat die Skandalisierung als spezifische Kommunikationsform für die Aktualisierung von Menschenrechten in der Weltgesellschaft betont:

»Was man beobachten kann, ist jedoch eine sehr ursprüngliche Art der Normgenese auf Grund von skandalösen Vorkommnissen, über die die Massenmedien weltweit berichten. Ob es Texte gibt, die das verbieten, und von wem sie beschlossen sind, wer sie ratifiziert hat und wer nicht, spielt dabei kaum eine Rolle. […] Auf einer sehr viel unmittelbareren Ebene kann der Skandal selbst eine (vorher gar nicht formulierte) Norm erzeugen.« (Luhmann, Gibt es in unserer Gesellschaft noch unverzichtbare Normen?, 1993, S. 28)

Luhmann (a.a.O. und RdG 579) nennt als Menschenrechtsverletzungen von eindeutiger Eklatanz: das staatlich abgesicherte Verschwinden von Personen, Zwangsdeportation und Vertreibung, rechtswidrige Tötung, Verhaftung und Folterung. Gerade am Beispiel der Menschenrechte zeigt sich, dass man den Prozess der Globalisierung einseitig weder dem offiziellen Recht, noch gesellschaftlichen Kräften zuschreiben kann, sondern dass sich beide »Rechtsquellen« nur im Zusammenspiel begreifen lassen.

Skandalisierung wäre ein eigenes rechtssoziologisches Thema. Dazu vorläufig nur einige Literatur: Bernhard Pörksen/Hanne Detel, Der entfesselte Skandal, Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter, 2012; Graeme C. Moodie, On Political Scandals and Corruption, in: Arnold J. Heidenheimer u. a. (Hg.), Political Corruption, A Handbook, 5. Aufl., New Brunswick , Oxford 1999, S. 873-886; Lawrence W. Sherman, The Mobilization of Scandal, in: Arnold J. Heidenheimer u. a. (Hg.), Political Corruption, A Handbook, 5. Aufl., New Brunswick , Oxford 1999, S. 887-911; Erhard Blankenburg/Rainer Staudhammer/Heinz Steinert, Political Scandals and Corruption Issues in West Germany, in: Arnold J. Heidenheimer u. a. (Hg.), Political Corruption, A Handbook, 5. Aufl., New Brunswick , Oxford 1999, S. 913-932. Zum Zusammenhang von Skandalen und Regulierungsinitiativen Walter Mattli//Ngaire Woods (2009) In Whose Benefit? Explaining Regulatory Change in Global Politics, in: dies. (Hg.) The Politics of Global Regulation, Princeton: Princeton University Press, 1–43.

3.       Gerechtigkeit durch Bilder

Literatur: Klaus F. Röhl, Gerechtigkeit vor Augen. Visuelle Kommunikation im Gerechtigkeitsdiskurs, in: Peter Dabrock u. a. (Hg.), Kriterien der Gerechtigkeit (FS Frey), 2003, 369-384; Susan Sontag, Über Fotografie [On Photography, 1977], 19. Aufl., 2010; dies., Das Leiden anderer betrachten [Regarding the Pain of Others, 2003], 2003.

Ein Bild, das auf der 5. Weltfrauenkonferenz in Peking im Jahr 2000 kursierte, zeigt eine pakistanische Mutter mit Zwillingen vor ihrer Brust, der Junge wohlgenährt, das Mädchen sichtlich verhungert. Besser als viele Worte konnte dieses Bild zeigen, dass in Teilen der Welt Mädchen verhungern müssen, damit die Brüder überleben, und damit auf die Frage nach der Universalität scheinbar selbstverständlicher Kriterien der Gerechtigkeit hinführen.

Im Kampf um Gerechtigkeit hat sich das Wort als schwach erwiesen. Viele setzen ihre Hoffnung deshalb auf Bilder. Unvergleichlich sind die Bilder von den Opfern des Holocaust, die 1945 bei der Befreiung der Konzentrationslager durch die Siegermächte entstanden.

Andere Bilder, die man sonst nicht im gleichen Atemzuge nennen würde, dürfen in diesem rechtssoziologischen Zusammenhang doch erwähnt werden, so die Bilder vom Völkermord in Kambodscha, in Ruanda oder aus Sarajevo, Bilder von kranken und verhungernden Kindern oder von den Schrecken des Krieges. Diese und viele andere Bilder haben gemeinsam, dass sie ein zentrales Gerechtigkeitsproblem unmittelbar einsichtig machen. Ein elementares Grundbedürfnis wie das Recht auf Leben bleibt unbefriedigt oder wird gar mit Füßen getreten. Die Bilder können nicht bloß kognitiv auf Konsens der Betrachter bei der Einordnung als Unrecht bauen, sondern sprechen unmittelbar und direkt auch seine Gefühle an. Zugleich schaffen sie im Kopf Erinnerungsbilder von einer Kraft, wie sie das Wort allein nicht bewirken kann. Ob die Bilder letztlich auch in der Breite normativ wirken, und zwar stärker als Worte, ist eine andere Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt.

Persönliche Erfahrung und einzelne Beispiele scheinen zunächst zu bestätigen, dass Bilder einen moralischen Impuls setzen können. Es war wohl die westliche Bildberichterstattung, die wesentlich dazu beitrug, dass der Schießbefehl an der Berliner Mauer aufgehoben wurde. Verbreitet war und ist aber auch die Vorstellung, dass die fernsehtägliche Begegnung mit Bildern von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, von Verhungerten und Hingemetzelten, zu einer moralischen Abstumpfung geführt habe.

Bilder machen die Wirklichkeit auf eine paradoxe Weise gleichzeitig mehr und weniger real. Selbst die ungeheuerlichen Bilder aus den Konzentrationslagern werden zu Museumsobjekten. Das ist ebenso unvermeidlich, wie die damit verbundene ikonologische Analyse, mit der Bilder zu Forschungsgegenständen werden. Aus Abbildern werden Symbole, aus Dokumenten ein ikonografischer Code des Grauens. Die Ausstellung Mémoire des Camps im Fotomuseum Winterthur hat versucht, sich dieser Verobjektivierung der Bilder entgegenzustemmen und sie damit letztlich doch nur selbst befördert.

Immerhin billigte Sontag Standfotos größere Wirkung zu als den bewegten Bildern von Film und Fernsehen. Sie nannte als Beispiel das Bild des südvietnamesischen Kindes, das, von Napalm brennend und vor Schmerzen schreiend, nackt und mit erhobenen Armen direkt auf die Kamera zuläuft. Dieses Bild, das 1972 in allen bedeutenden Zeitungen der Welt veröffentlicht wurde, hat vermutlich die Beendigung des Vietnamkrieges mindestens beschleunigt. Die These von der stärkeren Wirkung von Einzelbildern ist indessen zu undifferenziert. 1972, als das bekannte Bild in Südvietnam entstand, war keine Fernsehkamera zur Stelle. Gerade die Bewegung des Kindes, die freilich auch noch im Standfoto erkennbar ist, macht das Bild so ergreifend. Ein Film wäre wohl unerträglich gewesen. Die Fernsehbilder vom Aufprall des Flugzeugs auf den zweiten Turm des World Trade Center am 11. September 2001 übertreffen an Dramatik alle Standfotos. Eine stärkere Wirkung von Einzelbildern resultiert möglicherweise daraus, dass sie durch Druck weiter und dauerhafter verbreitet werden. Einzelne Bilder stehen aber auch eher in Gefahr, ästhetisiert zu werden und damit ihren moralischen Impetus zu verlieren. Das zeigt der Band »New York September 11 by Magnum Photographers«, nämlich Bilder des Schreckens in Hochglanz als Geschenkartikel.

Man mag zweifeln, ob die Inflation der Schreckensbilder noch als concerned photography gelten kann. Die Medien haben längst eine Eigendynamik entwickelt, die nach sensationellen Bildern verlangt. Auf der anderen Seite ist aber auch im Publikum, mindestens in den westlichen Ländern, ein Konsens über einen Kernbestand an Menschenrechten gewachsen, so dass die Bilder auf einen Boden treffen, auf dem sich moralische Wirkung entfalten kann.

Als Voraussetzung für eine moralische Beeinflussung durch Bilder hat Sontag die Existenz eines relevanten politischen Bewusstseins betont. »Ohne die politische Dimension wird man Aufnahmen von der Schlachtbank der Geschichte höchstwahrscheinlich nur als unwirklich oder als persönlichen Schock empfinden.« Bilder, die vom Elend irgendwo in der Welt berichteten, könnten die öffentliche Meinung nicht beeinflussen, wenn der entsprechende Zusammenhang mit eigenen Empfindungen und Verhaltensweisen fehle. Der Zusammenhang von Bildwirkung und moralisch-politischem Vorverständnis ist jedoch nicht eindeutig. Bilder von einer zerstörten Umwelt haben heute möglicherweise ihre appellative Kraft verloren, obwohl ein entsprechendes politisches Bewusstsein durchaus vorhanden ist. Wenn dagegen unmittelbar menschliches Leiden gezeigt wird, so kann man es umgekehrt für möglich halten, dass dadurch politisches Bewusstsein erst geweckt wird. Menschrechte sind anscheinend durch Unrechtserfahrungen leichter universalisierbar als durch Begründungsdiskurse, und diese Erfahrungen werden durch Bilder stärker vermittelt als durch Worte. Mit einiger Sicherheit lässt sich daher sagen, dass die Bilder bei der Einforderung von Gerechtigkeit dem Text überlegen sind.

4. Der visuelle Code von Bürgerrechts- und Umweltschutzgruppen

Literatur: Christian Lahusen, The Rhetoric of Moral Protest, Berlin 1996.

Die Visualisierung ist nicht auf realistische Bilder beschränkt. Bürgerrechts- und Umweltschutzgruppen, allen voran Amnesty International und Greenpeace, haben ein eigenes Repertoire visueller Zeichen entwickelt, um ihre Anliegen zu kommunizieren. Christian Lahusen hat sie in seinem Buch »The Rhetoric of Moral Protest« analysiert. Dazu hat er beispielhaft die Kampagnen »Human Rights Now!« von Amnesty International und die Kampagne »Rainbow Warriors« von Greenpeace untersucht. Das Zeichenrepertoire umfasst Grafik, Signets, Logos, Symbole und typographische Gestaltung. Die Visualisierung beginnt bereits bei der typographischen Aufbereitung des Namens der Organisation zu einem Signet, das durch seine Gestaltung zur Corporate Identity beiträgt und eine schnelle Wiedererkennbarkeit ermöglicht. Anliegen, Programme und Absichten einer Organisation werden unter solchen Namenszügen zu einer Identität zusammengefasst. Sie werden zu Symbolen synthetisiert, die, Warenzeichen gleich, auf jedem gedruckten Text der Organisation erscheinen und Urheberschaft signalisieren.

Für den Kampf gegen Gefangenschaft und Folter ist ein visueller Code aufgebaut worden. Er verwendet stilisierte Gefängniszellen, Käfige, Gitterstäbe oder Ketten und besonders häufig Stacheldraht. Einzelne Zeichen funktionieren als Synekdoche der Einsperrung, indem sie in einem pars pro toto Verhältnis mit einem einzelnen Zeichen die Gesamtsituation der Haft darstellen. Sie fungieren auch als Metonyme, indem sie die mit der Gefangenschaft regelmäßig verbundenen Mißstände wie Ausbeutung, Segregation und Diskriminierung repräsentieren. Als positive Zeichen dienen Hände oder eine Kerze. In einem bekannten Icon von Amnesty International sind Stacheldraht und Kerze verbunden.

Solche Zeichen stehen nicht allein und für sich selbst, sondern sind Teil einer umfassenden Kampagne. Das Kampagnenmaterial liefert Interpretationskontexte, Hinweise und Rezeptionsvorschläge. Die mit den Möglichkeiten des Grafikdesigns einheitlich durchgestalteten Kampagnen laufen nach dem gleichen Erzählmuster ab. Neben den typografischen Standards findet wiederkehrendes visuelles Material Verwendung, das neben seinen denotativen Qualitäten auch verfestigte Konnotationen kommuniziert. Die visuelle Kohärenz garantiert eine Wiedererkennbarkeit und Identität der Kampagne und ihrer Initiatoren.

Die kommunikativen Mittel jeder politischen Kampagne müssen sich durch drei Dinge auszeichnen: Einfachheit, Sparsamkeit der eingesetzten Mittel und Redundanz. Einfachheit bedeutet Reduktion von komplexen politischen Inhalten zu handhabbaren Statements. Der sparsame Einsatz gestalterischer Mittel garantiert Wirkung und Überzeugung der Aussage. Die Redundanz, von Lahusen definiert als »Überfluss komplementärer oder ähnlicher Signifikationen«, ist als expressives Mittel bedeutsam, weil sie die Klarheit einer Aussage herausstellen oder zusätzlich akzentuieren kann. Durch ständiges Wiederholen der relevanten Botschaften und Charakteristika stellt Redundanz schließlich öffentliche Aufmerksamkeit her und sichert die Erinnerungswürdigkeit der Botschaft. Symbole (Logos, Slogans und Abbildungen) vermitteln in kondensierter Form wesentliche Inhalte und Argumentationslinien. Sie können in unterschiedlichen narrativen Formen erscheinen (Lieder, Texte, Videos) und über verschiedene Medien (audiovisuelle Kanäle, Printmedien, Musik) versendet werden. Dadurch produzieren sie einen intertextuellen Dialog, der zu einem wechselseitigen Verstärkungseffekt der propagierten Inhalte führt und die notwendigen Wiederholungen, Kontraste, Kommentare und Variationen dazu liefert.

5. Weitere Strategien zur Aktivierung der Menschenrechte

Boykott

Literatur: Matthias Doepke/Fabrizio Zilibotti, Do International Labor Standards Contribute to the Persistence of the Child Labor Problem?, NBER Working Paper No. 15050, 2009.

Die alten und reichen Industriestaaten bedrängen die Schwellenländer, die Arbeitsstandards zu erhöhen. Zivilgesellschaftlicher Aktivismus organisiert Anti-Sweat-Shop-Kampagnen gegen transnational tätige Unternehmen, ruft zum Boykott von Waren auf, die durch Kinderarbeit hergestellt wurden und erfindet Kennzeichnungen für Waren, die ohne Kinderarbeit hergestellt wurden. Auf der politischen Ebene steht die Einhaltung von Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen auf der Agenda internationaler Verhandlungen. Bisher war dieser Druck wenig erfolgreich. In Schwellenländern gibt es heute sogar mehr Kinderarbeit als in den Industrieländern, als diese auf einem vergleichbaren Entwicklungsstand waren. Als Länder, in denen Kinderarbeit verbreitet ist, geltend insbesondere Bangladesch und Indien. In den reichen Industrieländern versuchen Regierungen, Organisationen und Verbraucher, Kinderarbeit zu bekämpfen, indem sie zum Boykott von Waren aufrufen, die von Kindern produziert sind. Ob dafür die Sorge für die Menschen oder die Furcht vor einer Billigkonkurrenz maßgeblich ist, ist für die Folgen unerheblich. In Deutschland achtet auch die Stiftung Warentest darauf, ob bei den getesteten Artikeln soziale Standards eingehalten werden.

Oft handelt es sich bei einem Verbraucherboykott nur um expressives Verhalten, mit dem man sein Festhalten an einer Norm bekräftigt.[20] Ein historisches Beispiel bildet der Boykott der Juden in den USA gegen deutsche Waren während des 2. Weltkriegs. Die Teilnahme an diesem Boykott hatte keine Chance, die deutsche Politik gegen die Juden zu beeinflussen. Dennoch beteiligten sich viele, um überhaupt irgendeine Aktivität zu zeigen. [21]

Ein Verbraucherboykott gegen Waren, die unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden, kann auch konterproduktiv wirken. Das zeigt das Beispiel der Kinderarbeit. Die Ökonomen Matthias Doepke und Fabrizio Zilibotti kommen zu dem Ergebnis, dass der Boykott von Produkten, die mit Kinderarbeit hergestellt worden sind, die Abschaffung der Kinderarbeit eher behindert. Kinderarbeit helfe nämlich den armen Familien, jedenfalls ein oder zwei Kinder zur Schule zu schicken und so vielleicht einen langsamen Aufstieg zu erreichen. Entfalle die Gelegenheit zur Kinderarbeit gebe es aber noch einen anderen Effekt. Es entfalle eine Konkurrenz für Arbeiter ohne Ausbildung, die die Kinderarbeit übernehmen könnten. Damit werde der landesinterne Kampf gegen die Kinderarbeit durch Einführung einer Schulpflicht und eines Mindestalters für den Eintritt in das Erwerbsleben geschwächt. In den Industrieländern hätten einst die Gewerkschaften für die Abschaffung der Kinderarbeit gekämpft, weil arbeitende Kinder eine Konkurrenz für Arbeiter ohne Ausbildung gewesen seien. Man darf allerdings bezweifeln, ob unter dem Einfluss der Globalisierung der Aufbau schlagkräftiger nationaler Gewerkschaften überhaupt noch möglich ist. Es ist aber vermutlich zutreffend, dass ein finanzieller Anreiz, die Kinder zur Schule zu schicken, besser wirken würde als ein (sofortiges) Verbot der Kinderarbeit. Aber auch Hilfe zur Familienplanung ist sinnvoller als ein Verbot, weil sie mit der großen Kinderzahl eine Ursache der Kinderarbeit reduzieren kann.

Alternative Streitregelung

Literatur: Amy J. Cohen, Debating the Globalization of U.S. Mediation: Politics, Power, and Practice in Nepal, Harvard Negotiation Law Review 11, 2006, 295-351; Sally Engle Merry, Rights, Religion, and Community: Approaches to Violence Against Women in the Context of Globalization, Law and Society Review 35, 2001, 39–88; dies., Human Rights and Gender Violence. Translating International Law into Local Justice, 2006; Letitia M. Saucedo/Raquel Aldana, The Illusion of Transformative Conflict Resolution: Mediating Domestic Violence in Nicaragua, 2007.

Gewalt gegen Frauen wird als ernsthafte Menschenrechtsverletzung angesehen. Der Diskurs ist soweit globalisiert, dass sich Frauen überall in der Welt darauf berufen. Es gibt eine Reihe von Berichten, wie dieser Diskurs in die lokale Sphäre hineinwirkt. In der Regel betonen die Beobachter die Vielfalt der Verfahren im Umgang mit solcher Gewalt. So beschreibt Merry, wie sich in einer Kleinstadt auf Hawaii unter dem Einfluss der internationalen Menschenrechts- und Frauenbewegung drei Gruppen gebildet haben, die Gewalt gegen Frauen auf ganz unterschiedliche Weise bekämpfen. Eine feministische Gruppe nutzte ein in den USA entwickelte Umerziehungs- und Trainingsprogramm. Eine christliche Sekte (Pfingstkirche) griff zum Mittel ritueller Heilung und der Austreibung böser Geister verbunden mit Familienberatung. Und eine dritte Gruppe verwendete das auf Hawaii traditionelle Verfahren des H’oponopono. Dazu versammelt sich die Familie, betet und bittet um die Hilfe der Götter, um dann in einen Versöhnungsprozess überzuleiten. [ev. weiter nach S 81 f.]

Während man in den USA allgemein der Ansicht ist, dass eine Mediation bei Gewalt gegen Frauen nicht in Betracht kommt, haben USAID und die Inter-American Development Bank ein Mediationsprojekt unterstützt, dass sich gerade auch auf solche Fälle erstreckte. Saucedo und Aldana haben dieses Projekt in dem Dorf Mulukukú beobachtet. Auch Amy Cohen, die über ein Mediationsprojekt im ländlichen Nepal berichtet, meint, dass Mediation jedenfalls so, wie sie dort verstanden und praktiziert werde, ein Beitrag zur der Verstärkung der Menschenrechte leisten könne.[22]

Russel-Tribunale

Literatur: Paul Schiff Berman, Global Legal Pluralism, A Jurisprudence of Law Beyond Borders, Cambridge 2012, S. 230-235; Berenice Böhlo, Gesellschaftsgerichte nach Russell, Kritische Justiz 43, 2010, 71-77.

Die sog. Russel-Tribunale stellen eine von zivilgesellschaftlichen Organisationen getragene Skandalisierung von Menschenrechtsverletzungen in gerichtsförmig inszenierten Verfahren dar. Ihr Vorbild war das Internationale Kriegsverbrecher-Tribunal, Tribunal, mit dem Bertrand Russel und Jean-Paul Sartre 1967 Kriegsverbrechen der USA im Vietnamkrieg anprangern wollten.

Bumerang-Strategie

Literatur: Margaret E. Keck/Kathryn Sikkink, Activists Beyond Borders, Advocacy Networks in International Politics, Ithaca, NY 1998; Thomas Risse/Kathryn Sikkink, The Socialization of International Huamn Rights Norms into Domestic Practises: Introduction, in: Thomas Risse (Hg.), The Power of Human Rights, Cambridge 1999, 1-38; Thomas Risse, Von der Anerkennung der Menschenrechte zu ihrer Einhaltung – Ein Spiralmodell des Menschenrechtswandels, Vortragsmanuskript 2002.

Wollen NGOs lokal etwas erreichen – die Abholzung eines Waldgebietes oder ein Großprojekt verhindern, so nutzen sie oft internationale Organisationen oder andere Staaten, um etwas zu erreichen. Das eigene Land wird im Ausland der Menschenrechtsverletzung beschuldigt. Keck, Sikkink und Risse sprechen von einem Bumerang-Effekt, wenn sich Gruppen von Betroffenen oder ihre Unterstützer sich zunächst in einem anderen Land, in dem der Schutz der Menschenrechte einen höheren Stellenwert hat, nach Hilfe umsehen. In der Regel wenden sie sich dort an Bürgerrechtsorganisationen, mit denen sie vernetzt sind, damit diese auf ihre Regierung Druck ausüben, auf das Regime im Ursprungsland einzuwirken.

VI. Demokratie, Menschenrechte und Wirtschaft

Demokratie und Menschenrechte bilden jedenfalls keine Hemnisse für die Entwicklung der Wirtschaft. Aber sie sind auch keine notwendige, sondern allenfalls eine nützliche Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft. Zum Glück geht in der Regel beides Hand in Hand. In den meisten, wenn auch nicht in allen Staaten mit einer starken Wirtschaft, sind auch Demokratie und Menschenrechte in guter Verfassung.[23] Auch in den übrigen müssten sie eigentlich nach Maßgabe der UN Charta und anderer internationaler Übereinkommen Beachtung finden. Aber es fehlt der Sanktionsmechanismus, so dass sie nur als soft law gelten. Es ist bemerkenswert, dass auch solch sanktionsloses Recht nicht ganz unwirksam ist. Es ist zur Stütze einer globalen Zivilgesellschaft geworden, und ab einer gewissen Entwicklungsstufe kommt es anscheinend zur Selbstverstärkung durch einen positiven Einfluss der Menschenrechte auf die wirtschaftliche Entwicklung. [24] Es ist plausibel, dass der für die wirtschaftliche Entwicklung förderliche Rechtsrahmen mit Demokratie einhergehen sollte. Nur Demokratie scheint jene Eigentumsfreiheit zu verbürgen, ohne die es keine Kapitalinvestitionen gibt, und nur Demokratie garantiert jene Liberalität, die als Voraussetzung technischer und wirtschaftlicher Innovationen gilt.[25]

Der Niedergang der Wirtschaft in Zimbabwe unter der Diktatur Robert Mugabes scheint das zu belegen. Doch mindestens für die Startphase des Wirtschaftswachstums scheint ein autokratisches Regime eher förderlich zu sein. Das zeigen Chile und die asiatischen Tigerstaaten Südkorea, Taiwan und Singapur. Ein Vergleich zwischen Indien und China zeigt, dass die indische Demokratie der Wirtschaft und ebenso wenig das seit Kolonialzeit im Lande vertraute englische Rechtssystem jedenfalls nicht besonders förderlich waren. Beide Länder zeigen seit drei Jahrzehnten ein rasantes wirtschaftliches Wachstum. Die übliche Erklärung lautet stark vereinfacht: Sozialismus und Überregulierung hätten die Unternehmen in beiden Ländern stark behindert. Erst Liberalisierung und Globalisierung hätten in beiden Ländern das wirtschaftliche Wachstum entfacht. Dabei hält das autokratische China einen Vorsprung vor dem demokratischen Indien. In beiden Ländern begann die Wirtschaft etwa ab 1970 zu wachsen, in Indien mit Jahresraten von 4 %, in China doppelt so schnell. Der in Berkeley tätige Ökonom Pranab Bardhan[26]führt diesen Vorsprung auf die Vorleistungen der sozialistischen Entwicklungsphase in China zurück. Sie habe für Schulen und Gesundheitsfürsorge auch auf dem Lande, für eine egalitäre Verteilung des Ackerlandes und für autonome Lokal- und Regionalregierungen gesorgt und auch die Rechte der Frauen gestärkt. Nach der Liberalisierung wurden die Chinesen die erfolgreicheren Kapitalisten, weil sie vorher die besseren Sozialisten waren. Bardhan weist die Vorstellung zurück, dass die Einbeziehung Chinas in die Weltwirtschaft die Hauptursache für sein schnelles Wachstum und die Verringerung der Massenarmut gewesen sei. Und auch der rechtliche Rahmen kann es kaum gewesen sein. Im Index of Economic Freedom der Heritage Foundation rangieren China und Indien weit hinten (Indien auf Platz 115, China auf Platz 126 von 157 von Ländern). Bardhan verweist darauf, dass die Landwirtschaft in beiden Ländern noch immer über die Hälfte des Sozialprodukts erwirtschafte, und da sei China in den späten siebziger und achtziger Jahre mit Anreizverbesserungen für die Bauern, aber ohne Privatisierung des Ackerlandes und die ländliche Industrialisierung in Zusammenarbeit mit oder unter der Leitung von Lokalregierungen erfolgreicher gewesen. Für Indien bemängelt Bardhan die fehlende ländliche Industrialisierung, das weitgehende Fehlen von Unternehmen mittlerer Größe, das Fehlen eines einheitlichen Markts und die mangelnde Autonomie regionaler und lokaler Regierungen. Außerdem habe der Ausbau der Infrastruktur in Indien darunter gelitten, dass man mit Rücksicht auf die Wähler die Benutzungsgebühren niedrig gehalten und daher keine ausreichenden Finanzmittel gehabt habe. Mit Rücksicht würden auch höhere Staatsausgaben getätigt, so dass der Staat für Investitionen nicht genügend Mittel habe. Wie fast alle anderen Beobachter sieht Bardhan in China mehr Einkommensungleichheit als in Indien. Aber er betont, dass es in China um die Chancengleichheit besser bestellt sei, weil die Dörfer besser mit Schulen versorgt sind, weil die ländliche Gesundheitsfürsorge besser war als in Indien, und nicht zuletzt, weil es in Indien Kastenschranken gibt. Der Zusammenhang Demokratie und der wirtschaftlichen Entwicklung sei kompliziert. In Indien werde die Demokratie von der fordernden Haltung der Unterschichten geprägt, und es gebe Kontrolldefizite. Gelobt wird Indien aber für seine Fähigkeit, mit sozialen und politischen Konflikte (Sprachen- und Religionsstreitigkeit, bewaffnete Aufstände von militanten Landbewohnern oder regionalen Separatisten) umzugehen. Entgegen allen Vorhersagen habe, dass der Staat auseinanderbrechen werde, habe er bisher alle Konflikte erstaunlich gut bewältigt. In China habe das Regime eine große Mittelschicht von – Intelligenz, Professionelle und Unternehmer – für sich gewinnen können. Andererseits falle es oft schwer, die lokale Ebene unter Kontrolle zu halten, wo Verwaltungsbeamte mit Geschäftsleuten unter einer Decke steckten.

Ein Blick nach China lässt wiederum Zweifel aufkommen. Vielleicht ist nicht die Demokratie selbst, sondern die mit ihr regelmäßig verbundene individualistische Grundeinstellung der Wirtschaft förderlich. Bis zum Aufstieg der Tigerstaaten war die Vorstellung verbreitet, dass Individualismus als kulturelle Form und entsprechende individuelle Rechtssysteme eine Bedingung für wirtschaftliche Entwicklung bildeten. Mit den wirtschaftlichen Erfolgen der ost- und südostasiatischen Staaten schien diese Erklärung in sich zusammenzufallen, denn diese sog. Tigerstaaten galten als besonders kollektivistisch. Doch dann bewirkte die Asienkrise eine Rehabilitation des individualistischen Modells. Anscheinend konnten die eher kollektivistischen Organisationsformen keine nachhaltige Entwicklung sichern. Nicht wenige Wissenschaftler sind der Ansicht, die RoL sei ein durch und durch westliches Konzept, so dass man von den Menschen in Ländern mit anderer Kultur und Geschichte wie China nicht erwarten könne, dass die Auffassung teilten, formelles Recht nach westlichem Muster sei der beste Weg, um die Wirtschaft zu fördern und am Ende auch eine gerechte Gesellschaft zu schaffen.[27] Doch das sind alles nur Spekulationen.

Etwas handfester belegt ist die These von Volker Bornschier (Weltgesellschaft 2008):  In China gibt es seit 1978 fortdauernde, umfangreiche Rechtsreformen, die weitgehend Vorbildern in den USA und Europa folgen. Die Zahl der Gesetze und der Juristen ist stark gewachsen, die juristische Literatur angeschwollen. Doch die Wirkung wird auf der einen Seite durch die staatstragende kommunistische Partei und auf der anderen Seite durch traditionelle Normen und Gewohnheiten begrenzt.[28] Allgemein scheint für Asien zu gelten, dass der Staat bei der Entwicklung der Wirtschaft mindestens vorübergehend eine größere Rolle spielt, als im liberal-rechtsstaatlichen Modell vorgesehen.[29] Ein ausreichendes Wohlstandsniveau erleichtert Demokratie, weil es Verteilungsmasse bietet, um Konflikte zwischen sozialen Gruppen zu mildern und soziale Schichten entstehen lässt, die an liberalen politischen Institutionen interessiert sind.

Die Ökonomen Amin und Djankov[30] haben das Ausmaß von durchgeführten Rechtsreformen in 147 Ländern mit dem jeweiligen Demokratieniveau verglichen. Die Daten für die abhängige Variable, also die Reformfortschritte, entnehmen sie dem entsprechenden Bericht der Weltbank. Und zwar soll es sich um mikroökonomische Reformen handeln, d. h. hier um solche, die die Rechtsgrundlagen einzelner Indikatoren von DBR verändern. Die Daten für das Demokratieniveau stammen aus den Datensätzen von Polity IV und von Freedom House. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass das Demokratieniveau stark positiv mit wirtschaftsfreundlichen Rechtsreformen korreliert:

»The main empirical results are provided in Table 4. The estimated coefficient values and their significance levels are obtained using a logit specification with Huber-White robust standard errors clustered on the country. Without any additional controls, the estimated coefficient of Democracy equals 0.828, significant at the 1% level (column 1). The coefficient estimate implies that a move from below-average to above-average level of 10 democracy increases the probability of reform by 20.4 percentage points, a large effect given that the mean value of the dependent variable equals 55.1%.«

Das Ergebnis wurde auf verschiedene Störvariablen hin kontrolliert, etwa auf das Einkommensniveau, die geographische Lage (Entfernung vom Äquator) und die Qualität der Institutionen, die für die Anwendung der Reformgesetze in Betracht kommen. Mit der Entfernung vom Äquator steigt die Reformfreudigkeit und ebenso mit der Qualität der Institutionen. Interessanter noch sind aber zwei andere Faktoren, nämlich die Zugehörigkeit zum Rechtskreis des Common Law (die negativ wiederum positiv auf die Reformaktivitäten wirkt) sowie die Religionszugehörigkeit. Auch Länder, die mehrheitlich protestantisch oder katholisch sind, zeigen sich weniger reformfreudig.

Jedenfalls hemmen Demokratie und Menschenrechte die wirtschaftliche Entwicklung nicht. Das ist wohl die vorsichtigste Aussage, die sich gerade auch mit Hilfe der Doing-Business-Reports machen lässt.

VII. Transitional Justice

Literatur: Priscilla B. Hayner, Unspeakable Truths, Transitional Justice and the Challenge of Truth Commissions, 2. Aufl., New York, NY 2011; Susanne Karstedt, Die doppelte Vergangenheitsbewältigung der Deutschen: Die Verfahren im Urteil der Öffentlichkeit nach 1945 und 1989, Zeitschrift für Rechtssoziologie 17, 1996, 58-104; Fatima Kastner, Transitional Justice in der Weltgesellschaft, 2015; dies., Transitional Justice: von der normativen Ausnahme zur weltpolitischen Regel, in: Ines-Jacqueline Werkner/Klaus Ebeling (Hg.), Handbuch Friedensethik, 2017, 893-902; Adriaan Lanni, Transitional Justice in Ancient Athens: A Case Study, University of Pennsylvania Journal of International Law 32, 2010, 551-593; Inga Markovits, Selective Memory: How the Law Affects What We Remember and Forget about the Past: The Case of East Germany, Law and Society Review 35, 2001, 513-563; Klaus Marxen/Gerhard Werle, Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-Unrecht, 1999;  Anika Oettler, Transitional Justice, in: Cord Jakobeit u. a. (Hg.), Transnationale Akteure und Normbildungsnetzwerke, 2018, 219-240; Joanna R. Quinn (Hg.), Reconciliation(s), Transitional Justice in Postconflict Societies, Montréal, Ithaca N.Y. 2009; Joachim J. Savelsberg/Ryan D. King, American Memories, Atrocities and the Law, New York 2011. Eine ausführliche Literaturübersicht nach dem Stand von 2008 geben Undine Kayser-Whande/Stephanie Schell-Faucon, Transitional Justice and Civilian Conflict Transformation, Uni Marburg, Konfliktforschung Working Paper.

Politische Umbrüche sind seit dem Ende des 2. Weltkriegs zumeist mit vergangenheitspolitischen Maßnahmen verknüpft (Gerichtsverfahren, Wahrheitskommissionen, Reparationen), die die mit den vom Vorgängerregime verübten Menschenrechtsverletzungen zum Gegenstand haben. Als Transitional Justice bezeichnet man Verfahren zum Umgang mit Menschenrechtsverletzungen, die nicht bloß Einzelne, sondern größere Gruppen getroffen haben. Sie kommen in erster Linie nach politischen Umbrüchen zum Tragen, wenn es gilt, mit Menschenrechtsverletzungen der Vorgängerregimes umzugehen an denen oft nicht nur auf Opferseite, sondern auch auf der Täterseite viele Personen beteiligt waren, so dass es kaum möglich ist, sie alle strafrechtlich zu verfolgen. Daher ist die Strafverfolgung, wie nach politischen Umbrüchen oder gar Völkermorden von internationalen Gerichten getragen wird, nur ein Baustein von Transitional Justice. Eine international veranlasste Strafverfolgung gab es nach dem Ende des Naziregimes mit bereits mit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Transitional Justice gibt es unter diesem Namen aber erst etwa 40 Jahre, und zwar zunächst in verschiedenen Staaten Südamerikas und in den Transformationsländern des ehemaligen Ostblocks. 1990 wurde in Chile eine Kommission für Wahrheit und Versöhnung – nach dem Vorsitzenden bekannt als Rettig-Kommission – ins Leben gerufen, die sich mit den unter der Diktatur Allendes begangenen Verbrechen befassen sollte. Da Allende weiterhin Staatspräsident und Oberbefehlshaber der Armee blieb und zuvor ein Amnestiegesetz erlassen hatte, dass die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen, die in Verbindung mit seinem Staatsstreich begangen worden waren, unterband, war die Kommission ohne rechtliche Kompetenzen. Dennoch arbeitete sie durch eine Anhörung der Opfer und eine Beschreibung des Unterdrückungssystems sowie Empfehlungen zur Wiedergutmachung und Versöhnung sehr erfolgreich. Nach dem Fall der Apartheid in Südafrika wurde sie zum Vorbild der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika und später auch in anderen Ländern Afrikas und des Balkans. Insgesamt haben inzwischen wohl über 40 Staaten diesem Vorbild nachgeeifert.

Transitional Justice ist zu einem transnationalen Prozess geworden. Unter internationaler Einflussnahme hat sich ein Aufarbeitungsimperativ entwickelt. Für das Aufarbeitungsgeschäft steht inzwischen in internationales Netzwerk von Experten und Erinnerungsarbeitern zur Verfügung, dass die Planung und Ausführung von vergangenheitspolitischen Maßnahmen maßgeblich mitbestimmt (Anika Oettler). Im Zentrum dieses Netzwerks steht das International Center for Transitional Justice mit dem Hauptsitz in New York. Es wurde 2001 unter Mitwirkung der Ford Foundation gegründet.


[1] Einzelstudien zu Südeuropa und Lateinamerika enthält der Band Guillermo A. O’Donnell/Philippe C. Schmitter/Laurence Whitehead (Hg.), Transitions from Authoritarian Rule, Prospects for Democracy, Baltimore 1986.

[2] Dazu und zum Folgenden Volker von Prittwitz, Staatengröße und Demokratie, 2005, Internetpublikation.

[3] Andrew J. Nathan, Chinese Democracy, 1986, Los Angeles: University of California Press. Dazu auch Ji Weidong, The Transmutation and Inner Contradiction of Legal Culture in China, in: Sack/Weillmann/Yasaki (1991, 155-175).

[4] Tom Ginsburg, Pitfalls of Measuring the Rule of Law, Hague Journal on the Rule of Law 3, 2011, 269-280.

[5] Z. B. Governance Matters VIII: Aggregate and Individual Governance Indicators, 1996-2008. Die Texte können über die Projektwebseite oder über SSRN abgerufen werden.

[6] Boix, Carles; Miller, Michael; Rosato, Sebastian,  A Complete Data Set of Political Regimes, 1800–2007, Comparative Political Studies 46, 2013, 1523–1554.

[7] Amin, Mohammad; Djankov, Simeon (2009): Democracy and Reforms. Centre for Economic Policy Research. (Discussion Paper 7551). Im Internet schwirrt noch eine frei zugängliche Kopie herum.

[8] Michael Coppedge u. a.,  Varieties of Democracy: Measuring Two Centuries of Political Change, 2020, New York: Cambridge University Press.

[9] Hans-Joachim Lauth, Die Qualität der Demokratie. Der NID als pragmatischer Vorschlag für die komparative Forschung, in: Kai-Uwe Schnapp/Nathalie Behnke/Joachim Behnke, Datenwelten: Datenerhebung und Datenbestände in der Politikwissenschaft, Baden-Baden 2008, S. 373-390.

[10] Z. B. http://fact-fiction.net/?page_id=4.

[11] In einem weiteren Essay »Der tiefste Bruch in unserer Geschichte« (FAZ vom 8. 1. 2011, S. Z1) fasst Flaig seine Thesen noch einmal zusammen.

[12] Andreas Eckert, Islam und Scharia in Afrika: Mehr als Sklaverei, FAZ vom 2. 6. 2010. Eckert nennt Quellen, aus denen sich ein detailliertes Bild des Islam ergeben soll.

[13] Jürgen Zimmer, Egon Flaigs eigenwillige »Weltgeschichte der Sklaverei«. Süddeutsche Zeitung vom 18. 8. 2009.

[14] Marc Buggelen, Sehepunkte. Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaft, Ausgabe 9, 2009.

[15] 3. Buch Kapitel 42 a. E. :»Nach rechter Wahrheit hat Unfreiheit ihren Ursprung in Zwang und Gefangenschaft und unrechter Gewalt, die man von alters her zu unrechter Gewohnheit hat werden lassen und nun für Recht erachten will.«

[16] Deng Zhenglai, Westernization of the Chinese Social Sciences: The Case of Legal Science (1978-2008), in: World Science Report 2010, 182-185.

[17] Dazu etwa Alice Erh-Soon Tay, One World? One Law? One Culture?, Rechtstheorie 19, 1988, 1-10; Hasso Hofmann, Geschichtlichkeit und Universalitätsanspruch des Rechtsstaats, Der Staat, 1995, 1-32; Surya Prakash Sinha, Non-Universality of Law, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 81, 1995, 185-214.

[18] FAZ vom 3. 3. 2010 S. 19. Einzelheiten findet man auf der Seite des Business Human Rights Resource Center.

[19] Jeffrey M. Blum/ Ralph G. Steinhardt, Federal Jurisdiction over International Human Rights Claims: The Alien Tort Claims Act after Filartiga v. Pena-Irala; Harvard International Law Journal 22, 1981, 53-114.

[20] Monroe Friedman, Consumer Boycotts, 1999, S. 12 f.

[21] William Orbach, Shattering the Shackles of Powerlesness: The Debate Sorrounding the Anti-Nazi Boycott of 1933-41, Modern Judaism 2, 1982, 149,161-166.

[22] Ähnlich urteilen Pamela A. De Voe/C. J. Larkin, Community Mediation as a Tool for Addressing Social Exclusion in Nepal, 2005.

[23] Benedikt Heid u. a., Income and Democracy: Evidence from system GMM estimates, Economics Letters 116 2012, 166–169.

[24] Emilie Hafner-Burton/Kiyoteru Tsutsui, Human Rights in a Globalizing World. The Paradox of Empty Promises, American Journal of Sociology 110 (2005), 1373.

[25] Sebastian Wienges, Individualismus, asiatische Werte und Asienkrise, in: Alexander Brandt/Nikolaus von der Goltz (Hg.), Herausforderung Entwicklung, 2004, 65-87, S. 66. Die Unterscheidung von Kollektivismus und Individualismus für diesen Zusammenhang geht zurück auf Geert Hofstede, Culture’s Consequence. International Differences in Work-Related Values, Sage Publications, Newbury Park. 1980. Hofstede konnte auf eine Befragung von 117.000 IBM-Angestellten in 66 Ländern zurückgreifen. Vgl. auch Hofstede, Culture’s Consequences, Comparing Values, Behaviors, Institutions, and Organizations Across Nations, Sage Publications, Newbury Park, 2. Aufl. 2003.

[26] Awakening Giants, Feet of Clay: A Comparative Assessment of the Rise of China and India, Princeton University Press 2010. Eine früheres kurzes Manuskript von Bardhan mit demselben Titel hier im Netz.

[27] Kritisch z. B. Lan Cao (2003) Introduction to Symposium, The “Rule of Law” in China, William & Mary Bill of Rights Journal 11, S. 539/542; Pat K. Chew (2005) The Rule of Law: China’s Skepticism and the Rule of People, 20 OHIO State Journal on Dispute Resolution 43, 48–54; Benedict Sheehy (2006) Fundamentally Conflicting Views of the Rule of Law in China and the West and Implications for Commercial Disputes, Northwestern Journal of International Law & Business 26, 225. Optimistischer Randall Peerenboom (2002) China’s Long March Toward the Rule of Law, Cambridge University Press. Peerenboom entdeckt in China eine »thin rule of law«, die prozeduraler nautr ist. Er geht davon aus, das die rule of law nicht notwendig mit Demokratie einhergehen muss. [xxx Peerenboom Rezension http://chinaperspectives.revues.org/document365.html]

[28] Pitman B. Potter, Legal Reform in China: Institutions, Culture, and Selective Adaptation, Law and Social Inquiry, 29, 2004, S. 465-495. (Besprechungsaufsatz zu Stanley B. Lubman, Bird in a Cage – Legal Reform in China after Mao, Stanford University Press, 1999, und Randall P. Peerenboom, China’s Long March Toward the Rule of Law, Cambridge University Press, 2002).

[29] Ginsburg, a. a. O. S. 836. In diesem Sinne ferner Atal Kohli, State-Directed Development. Political Power and Industrialization in the Global Periphery, Cambridge University Press, New York 2004.

[30] Mohammad Amin/Simeon Djankov, Democracy and Reforms. Centre for Economic Policy Research, Discussion Paper 7551, 2009.